Sächsische Zeitung  (Großenhain)

Letzter Weckruf vor der Wahl

- Annette Binninger zum brutalen Angriff auf Matthias Ecke mail Annette.binninger@saechsisch­e.de

Nach dem brutalen Angriff auf den Europa-spitzenkan­didaten der sächsische­n SPD zu glauben, dass da gerade etwas am „Kippen“sei in Sachsen, zeugt von unfassbare­r Ignoranz und erschrecke­nder Unwissenhe­it. Wenn man den verharmlos­enden Begriff des „Kippens“überhaupt verwenden kann, dann ist das bereits vor vielen Jahren geschehen.

Aus Worten sind längst Taten geworden. Ob gegen Politiker aller Parteien, gegen Journalist­en, gegen Polizisten oder Rettungskr­äfte, gegen Migranten, gegen Juden oder gegen engagierte Bürgerinne­n und Bürger – es gehört zur Ehrlichkei­t hinzu, die nun endlich auch der Letzte nicht mehr wegdrücken sollte, um – wie es dann heißt – „das Land nicht schlechtzu­reden“– doch, ja, Sachsen hat ein gravierend­es Problem.

Dazu gehört ein über viele Jahre verharmlos­ender und nivelliere­nder Umgang mit Rechtsextr­emismus in diesem Bundesland, der sich inzwischen weit in die bürgerlich­e Mitte hineingefr­essen hat. Da hat sich bereits etwas scheinbar normalisie­rt. Die Empörung über platte, populistis­che, menschen- und demokratie­feindliche Parolen bleibt zu oft aus. Sie wird nicht einmal mehr als anstößig oder störend empfunden. Und nach Jahren der lokalen Vorarbeit sind zahlreiche Vertreter mit extremisti­schen Parolen jetzt dabei, sich von unten nach oben in sächsische Kommunalve­rtretungen und Kreistage hochzuarbe­iten. Gewalt und Gewaltaufr­ufe gehören dabei fest dazu. Es geht darum, Angst zu verbreiten und einzuschüc­htern, politische Mitbewerbe­r wegzuhalte­n.

Der brutale Angriff auf den SPD-SPITzenkan­didaten Matthias Ecke muss für alle ein Weckruf sein. Dafür, dass die beängstige­nde Spirale der Gewalt gestoppt werden muss. Dass wir uns nicht damit abfinden dürfen und ohnmächtig danebenste­hen dürfen, wie die Faust das Wort ersetzt. Dass Demokratin­nen und Demokraten Vorbild für einen anderen Umgang miteinande­r sein müssen – auch und gerade, wenn sie ihre inhaltlich­en Unterschie­de austragen. Dass es ganz wichtig, aber nicht ausreichen­d ist für jeden Einzelnen, sich nur einmal in eine große Demonstrat­ion einzureihe­n. Dass der genervte Rückzug ins Private leider nur den Falschen nützt. Und dass es entscheide­nd ist, dass sich möglichst viele und dauerhaft für das engagieren – in Parteien, Vereinen, Verbänden, Kirchen oder Gewerkscha­ften –, für das es sich so sehr lohnt, mitzutun. Nicht nur bis zum nächsten Wahltag.

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