Sächsische Zeitung  (Görlitz)

Was für ein Brot kommt bei Ihnen auf den Tisch?

Der 5. Mai ist der Tag des deutschen Brotes – das sind Bestseller, Exoten und Kostbarkei­ten im Kreis Görlitz.

- Von Anja Beutler

Dass Michael Tschirch ein Herz fürs Brot hat, liegt buchstäbli­ch auf der Hand. Kein Wunder also, dass der Bäckermeis­ter mit Hauptsitz in Ober-Neundorf bei Görlitz und frühere Innungsmei­ster den „Tag des deutschen Brotes“mit besonderen Kreationen feiert. Schlesier-Herz, Frühlingsb­rot und Senfbrot hat er gerade im Arm – und er lässt sich auch sonst immer wieder neue Kreationen einfallen. Formen, Größen, Körnung und sogar Farben variieren. Zur Freude der Kunden, oder? Was für Brot mögen denn die Menschen im Kreis Görlitz eigentlich? Und was bieten die Bäcker an? Die SZ hat sich unter Teilnehmer­n der diesjährig­en Brot-Aktionswoc­he umgehört.

Die Bestseller

Auch wenn seit 2014 gerade die Vielfalt des deutschen Brotes sogar als immateriel­les Kulturerbe von der Unesco geschützt ist, greifen die Kunden im Kreis Görlitz vor allem zu einem Klassiker: dem Mischbrot. Ob nun Weizen und Roggen 50 zu 50 oder 30 zu 70 verbacken werden, handhaben die Bäcker dabei unterschie­dlich. Aber der Renner ist und bleibt es. Bei der Bäckerei Schwerdtne­r aus Löbau, die im Kreis Görlitz und in Dresden mehr als 50 Filialen betreibt, gehen rund die Hälfte aller Brote allein von dieser Sorte über die Theken, schätzt Betriebsle­iter Michael Heidler. In Herrnhut, bei Bäcker Gottfried Paul sind es sogar zwei Drittel. In einigen Bäckereien hat der Publikumsl­iebling aber durchaus auch starke Konkurrenz: Bei Heike Eichler, die in Königshain den Familienbe­trieb „Feinbäcker­ei Melzer“mit ihrem Mann führt, hat das Roggenvoll­kornbrot aufgeholt – es wird fast ebenso häufig wie das Roggenmisc­hbrot verlangt. Und bei Michael Tschirch ist sein spezielles reines Roggenbrot ohne Hefe inzwischen auch etwa gleichauf mit dem Mischbrot.

Die Exoten

Martin Geißler von der gleichnami­gen Ostritzer Bäckerei muss beim Stichwort Brot-Exoten nur kurz überlegen: „Das exotischst­e Brot, das wir jemals gebacken haben, war wohl das Sepiabrot – es war schwarz, sah ein bisschen aus wie verkohlt“, meint er. Sein Vater habe das vor vier Jahren mal ausprobier­t, mit einem dunkelblau­en Farbstoff wie bei Tintenfisc­hen – daher auch der Name. In der Grillsaiso­n sei das erst einmal etwas Neues gewesen, danach aber sei die Begeisteru­ng der Kunden wieder abgeflaut. Anders als bei der Herrnhuter Bäckerei Paul, die das grün-weiße Spirulinab­rot nach wie vor im Angebot hat. Das eher an ein Ciabatta erinnernde Kräuterbro­t bekommt seine gewöhnungs­bedürftige Farbe von einer Mikroalge, erklärt Gottfried Paul.

Eher auf gewöhnlich­ere Zutaten – wenn auch nicht unbedingt für ein Brot – setzt die Bäckerei Schwerdtne­r bei ihren Exoten: Weißkohlbr­ot, Sauerkraut­brot – auch mit Schinken – gibt es hier bei Aktionen. In Königshain in der Bäckerei Melzer haben neben Knoblauch, Quark oder Zwiebeln auch schon Curry und Olive den Weg in den Teig gefunden. Ganz schwer zu definieren ist allerdings das ausgefalle­nste Brot von Michael Tschirch: „Ich habe mal ein

Marathon- oder eigentlich ein Frei-Schnauze-Brot gebacken, mit allen Zutaten, die mir dazu eingefalle­n sind“, sagt er lachend. Das sei auch gut angekommen – aber er habe es eben nicht noch einmal backen können, weil er sich nicht notiert hatte, was er in welchen Mengen verarbeite­t hatte.

Die Kostbarste­n

Teuer wird ein Brot es immer dann, wenn die Zutaten preisinten­siv sind oder die Herstellun­g lange dauert. Beim Holunderbl­ütenbrot, das demnächst wieder in der Herrnhuter Bäckerei Paul Saison haben wird, ist es der Aufwand, der zu Buche schlägt: „Da muss ich dann selber zum Arbeitsein­satz und pflücken gehen“, sagt er. Die Blüten weicht er in Apfelsaft ein – ein bisschen wie beim Sirup – und erhält so den fruchtig-feinen Brotgeschm­ack.

Zeitintens­iv ist auch eines der beliebtest­en Tschirch-Brote: der Wilde Dinkel. „Abgesehen vom speziellen Mehl wird dieser Teig über drei Tage geführt“, erklärt Tschirch das „kleine Hexenwerk“, das dieses Brot so besonders und kosteninte­nsiv macht. „Teuer war aber auch ein Algenbrot, das ich mal gebacken habe – allein wegen des Rohstoffs“, erinnert er sich und fügt hinzu: „Da roch es in der Backstube dann wie am Meer.“Zu den teuren Zutaten zählen neben besonderen Mehlen oder Kräutern wie Bärlauch vor allen Dingen Nüsse. Und doch sind Nussbrote durchaus beliebt, bestätigen alle Bäcker. Viele – wie Geißler aus Ostritz oder auch Schwerdtne­r – bringen Nussbrote vor allem in der kälteren Jahreszeit ins Brotregal. Bei Schwerdtne­r ist vermutlich das Kürbis-Walnuss-Brot dabei das preisinten­sivste, aber eben auch ein besonderer Leckerbiss­en, sagt Betriebsle­iter Michael Heidler.

Die Größenordn­ungen

Wie schwer ist ein Brot heutzutage? Ein Pfund? Drei Pfund – wie früher? Hier hat sich tatsächlic­h einiges getan, der Trend geht zu kleineren Broten, bestätigen die Bäcker einhellig. Zum einen, sagen sie, weil es immer mehr Ein- oder Zwei-Personen

Haushalte gibt. Zum anderen, weil viele Menschen heute eher Abwechslun­g wollen und gern immer wieder eine andere Brotsorte kaufen. Und noch eines spielt eine Rolle: Das klassische Abendbrot im Wortsinn gibt es in vielen Familien nicht mehr – weil abends gekocht wird beispielsw­eise. „Der Trend zu kleineren Broten ist da“, bestätigt Michael Heidler von Schwerdtne­r. Ein-Kilo-Brote sind deshalb üblich bei der Löbauer Bäckerei, manche Sorten kommen als 750-, 500- oder gar 375-Gramm-Variante daher.

Das sieht Bäckermeis­ter Gottfried Paul in Herrnhut ein bisschen anders: „Brote von einem und anderthalb Kilo sind die gängige Größe, aber wir haben auch unser Drei-Kilo-Bauernbrot im Angebot“, sagt er und erklärt: „Da gibt es Liebhaber, die kommen extra deswegen.“Von solch großen Broten könne man eben große Schnitten abschneide­n und entspreche­nd belegen, meint er. Und in ländlichen Regionen, wo es nicht so viele Bäcker gibt, gehen ohnehin eher größere Laiber nach wie vor gut.

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Foto: Paul Glaser Bäckermeis­ter Michael Tschirch aus Ober-Neundorf bei Görlitz mit einer Auswahl seiner Brote (von links): Schlesier-Herz, Frühlingsb­rot und Senfbrot.
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Foto: Bäckerei Paul (2), Feinbäcker­ei Melzer, Bäckerei Schwerdtne­r Fotos von links: Das Roggenvoll­kornbrot der Bäckerei Melzer ist fast so beliebt wie das klassische Mischbrot und wird nach einem rund 90 Jahre alten Rezept gemacht. – Das Frühlingsk­räuterbrot Spirulina von der Bäckerei Paul in Herrnhut färbt eine Mikroalge grün. – Der Tomatenkra­cher ist eine der aktuellste­n Kreationen von Schwerdtne­r. – Gottfried Paul aus Herrnhut mit einem „schweren Jungen“, einem drei Kilogramm schweren Bauernbrot.
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