Sächsische Zeitung (Dresdner Meißner Land)
Karl-May-Museum: „Hätte mein Vorgänger nur ein halbes Jahr weitergemacht, wären wir pleite“
Am 1. Dezember beginnt der Millionen-Bau des neuen Karl-May-Museums in Radebeul. Chef Volkmar Kunze möchte es mit Vertretern indigener Völker weiter entwickeln.
Herr Kunze, Sie sind bekannt als früherer OB von Radebeul, danach hatten Sie den gleichen Job in Zeitz und jetzt sind Sie Chef vom Karl-May-Museum in Radebeul?
Eigentlich sogar doppelter Chef. Aber zwischendurch war ich noch stellvertretender OB in der Lutherstadt Wittenberg. In diesen drei Bürgermeister-Ämtern blieb ich jeweils sieben Jahre, insgesamt macht das 21 Jahre persönliche Verantwortung in Städten, wenn man so will. Vor der Wende und über die Wende hinaus war ich aber auch schon Bürgermeister in Radebeul. Davor Kreissekretär der LDPD in Großenhain.
Und jetzt mit 70, als Pensionär, leiten Sie als Geschäftsführer und Vorstandsvorsitzender der Stiftung das Karl-MayMuseum. Wie kam das?
Wenn ich etwas mache, dann mache ich es richtig, egal ob in Rente oder nicht. Seit meinem Ausscheiden als OB in Zeitz im Jahr 2016 bin ich Pensionär. Doch wie man so sagt: Eine Tür geht zu, eine andere geht auf. Ich habe zunächst weiter als Dozent an der Verwaltungs- und Wirtschafts-Akademie in Dresden unterrichtet. Dann kam das spannende Jahr 2020 für mich. Der damalige Geschäftsführer des Karl-May-Museums Christian Wacker schmiss hin. Ein Glück, hätte er auch nur ein halbes Jahr weitergemacht, wäre das Museum pleite gewesen. Man muss als Geschäftsführer auch mit Geld umgehen können. Am 27. Juni 2020 trat der gesamte Vorstand der Stiftung zurück. Man wählte mich zum Vorstandsvorsitzenden in dieses Ehrenamt. Aber es fehlte noch ein Geschäftsführer fürs Museum. Da meldete ich mich noch mal.
Das funktioniert?
Sehr gut sogar. In Teamwork mit dem wissenschaftlichen Direktor Robin Leipold, der das Fachliche verantwortet.
Nach über 20-jähriger Planung startet am 1. Dezember der Neubau des KarlMay-Museums Radebeul. Der Bund hat 2,7 Millionen Euro Fördergeld bewilligt. Wie sehr freuen Sie sich darüber auf einer Skala von eins bis zehn?
Ich sage mal, Note acht. Genau genommen planten wir sogar seit 1999 an diesem Ergänzungsneubau. Unsere Partner waren die ganze Zeit über die Architekten Frank Mehnert und Dirk Georgi von aT2. Die prognostizierten Baukosten entwickelten sich von anfangs 2,7 Millionen auf über 20 Millionen Euro unter Geschäftsführer Christian Wacker. Das war natürlich illusorisch, denn so ein großer Bau muss ja auch unterhalten werden. Wir haben das Projekt 2020 heruntergedampft. Thomas de Maizière hatte uns 2,744 Millionen Euro Fördermittel vom Bund besorgt. Die gleiche Summe kommt noch mal vom Freistaat, eine Million kommt von der Stadt Radebeul und der Rest von der Karl-May-Stiftung. Wir haben insgesamt 6,5 Millionen Euro für das Projekt zur Verfügung.
Weshalb hat das so lange gedauert, bis das Geld wirklich verfügbar war?
Es ist nicht so einfach, den Anforderungen des Bundes auf Vergabe von Fördermitteln zu genügen. Wir mussten lange warten und immer neue Formulare nachreichen. Auch ein teures Nachhaltigkeitsgutachten. Der Vorgängervorstand hatte keine Anträge
an den Freistaat Sachsen und an die Stadt Radebeul gestellt. Geld vom Bund gibt es nur, wenn die Gesamtfinanzierung gesichert ist.
Haben Sie über so eine lange Zeit nicht Unmengen an Geld vergeblich für die Planung ausgegeben?
Nein, wir haben in dem Architektenbüro aT2 wirklich faire Partner. Viele Umplanungen haben sie uns gar nicht berechnet.
Wie sieht jetzt Ihr Zeitplan aus?
Nach dem ersten Spatenstich, den ich mir am 1. Dezember, dem 96. Geburtstag des Museums, wünsche, geht der Neubau 2025 los und soll am 1. Juli 2027 für die Nutzung fertig sein. Das neue Gebäude schließt sich in Richtung Meißner Straße an die Altbebauung an. Der Eingang wird dann auch von der Meißner Straße aus sein. Das Gebäude wird moderne museumspädagogische Inhalten und Techniken präsentieren. Der gesamte Museumsumbau soll zum 100. Geburtstag am 1. Dezember 2028 abgeschlossen sein. So lange möchte ich gern noch mitmachen.
Was ist denn außer dem Neubau noch geplant?
Die Villa Bärenfett beispielsweise, ein Blockhaus, soll saniert werden. Dort wollen wir auch auf das schwere Leben der indigenen Bevölkerung der USA und Kanada in der heutigen Zeit aufmerksam machen. Dazu suchen wir den Kontakt mit indianisch stämmigen Menschen. Auch in der Villa Shatterhand, unserem jetzigen Hauptgebäude, haben wir eine Sanierung vor. Bei laufendem Betrieb bauen wir einen Aufzug ein. Zudem sind Dach-, Sanitär- und Putzsanierungen vorgesehen.
Im Vorjahr schauten sich 37.800 zahlende Besucher das Museum an. In den Jahren vor Corona waren es immer über 50.000 und in DDR-Zeiten noch sehr viel mehr. Der Rekord lag wohl bei 356.000 im Jahr 1985. Weshalb dieser negative Trend heute?
Den haben alle Kultureinrichtungen im Moment. Sicher hat Corona einen Einfluss, aber auch die Nachwirkungen der Inflation. Das Geld sitzt bei den Leuten nicht mehr so locker. Man spart an der Kultur. Mit Sonderausstellungen können wir neue
Besucher anlocken. Wir werden im neuen Haus 170 Quadratmeter Sonderausstellungsfläche haben anstatt 35 wie heute. So geht es um die Themen indigene Kunst und um Werke des Malers und Karl-May-Illustrators Sascha Schneider.
Ist die kulturelle Aneignung ein Thema für Sie?
Nein, wir suchen den Kontakt zu den indigenen Völkern und wollen mit ihnen gemeinsam die Ausstellungen gestalten. Wir möchten Vertreter zu uns nach Radebeul holen und zahlen ihnen den Aufenthalt für ein Vierteljahr in Zusammenarbeit mit USA-Vertretungen. Wir möchten von ihnen lernen und geben ihnen den Raum, ihre Geschichte selbst aufzuarbeiten. Sie sind Fachberater für uns und Mitgestalter. Bereits heute haben wir Stimmen von Vertretern dieser Völker, die sagen, es gibt weltweit kaum etwas Besseres zu diesem Thema als die Ausstellung in Radebeul. Und wenn wir mit ihnen gemeinsam arbeiten, dann ist es doch keine kulturelle Aneignung. Selbst Smithsonian in Washington hat weniger gezeigte Exponate als wir, wenngleich natürlich eine weitaus größere Ausstellungsfläche.
Geht auch das Interesse an Karl-May-Büchern zurück? Hat die Jugend von heute andere Helden als Winnetou?
Das mag sein. Aber warum ist das so? Wenn wir ein Bildungssystem haben, in dem es dem Lehrer freigestellt ist, die deutsche Klassik zu unterrichten, da müssen wir uns doch nicht wundern. Da kommt Karl May schon gar nicht vor. Wir verkaufen aber nach wie vor Kay-May-Bücher und es gibt eine sehr große Fangemeinde.
War Karl May ein Rassist?
Auf keinen Fall. Seine Sprache war der damaligen Zeit geschuldet. Viele Karl-May-Bücher, so wie die berühmten grünen Bände, waren gar keine originalen Karl-May-Texte, sondern von der Verlegerfamilie in den 30er-Jahren redigierte Ausgaben. Einige Texte strotzen nur so von rassistischen Äußerungen. Aber das ist kein originaler Karl May.
Auch der Karl-May-Band, der 1985 in der DDR erschien, war nicht original. Wirklich original sind die Ausgaben der Karl-May-Gesellschaft, gemeinsam mit der Karl-MayStiftung. Es gibt jetzt auch ein Online-Textarchiv mit allen originalen Ausgaben von Karl May.