Sächsische Zeitung (Dresdner Meißner Land)
Sanierung der B 6 in Meißen: „Die war doch noch gut“
Seit Anfang Juli wird die Bundesstraße 6 in Meißen saniert. Muss das sein? Augenscheinlich war die Straße doch noch in Ordnung.
Holger Wohsmann hat sich Zeit genommen für den Baustellenbesuch der SZ. Ein umfangreiches Handout mit sämtlichen Informationen über die Maßnahme hat der Chef der LASuV-Niederlassung Meißen (Landesamt für Straßenbau und Verkehr) auch dabei. 879 Meter Straßenbaustelle (alle vier Bauabschnitte) – gibt es da so viel zu erzählen? Kurze Antwort: Ja. Es ist aus vielerlei Hinsicht eine besondere Maßnahme. Und damit ist nicht der sechs Kilometer lange offizielle Umweg gemeint. Die Strecke wird Testfeld für Verkehrssysteme der Zukunft. Es ist ein Anfang, den ärgerlichen Autobahnverkehr durch Meißen besser zu regulieren, im Idealfall sogar irgendwann loszuwerden. Wir haben es die vergangenen Tage wieder erlebt, was in Meißen geht, wenn auf der A14 bzw. A4 nichts mehr geht.
Risse im Asphalt
Die fundierte Expertise vieler, die die Bundesstraße täglich nutzen, bescheinigten ihr zuletzt einen recht ordentlichen Eindruck. Dementsprechend groß war das Unverständnis darüber, warum die wichtige und gut frequentierte Strecke – ca. 11.000 Fahrzeuge pro Tag im Schnitt – voll gesperrt wurde. „Sind sie mal ausgestiegen und haben sich die Straßendecke aus der Nähe angeschaut?“, fragt Wohsmann. Ehrliche Antwort: Nein. „Die Straße hat vielerorts Risse“, sagt er. Gute Anschauungsbeispiele befinden sich derzeit noch unter der Eisenbahnbrücke bzw. auf der Kreuzung Poststraße / B6.
Aller vier bis fünf Jahre werden die Bundesstraßen von speziellen Prüffahrzeugen befahren, die den Zustand der Straße ermitteln. Bei der B6 war das 2020 der Fall gewesen. Unebenheiten, fehlende Griffigkeit, zahlreiche Risse und Flickstellen wurden attestiert. Anfang 2023 wurde es dann noch genauer (und schlimmer). An acht Stellen hatte man Bohrkernentnahmen durchgeführt. „Materialermüdung und Risse durch alle Konstruktionsschichten“, besagt das Protokoll (Auszug).
Die Fahrbahn, so erklärt Wohsmann, sei in mehreren Schichten aufgebaut. Ganz oben befindet sich die Deckschicht (Verschleißschicht). Sie ist in der Regel nur 4 cm dick. Darunter liegt die Binderschicht (9 cm). Noch weiter unten gibt es eine Frostschutzschicht. „Die Probleme der B6 beschränken sich auf diese beiden oberen Schichten. Es geht also um 13 Zentimeter, die nun erneuert werden“, so der LASuVMeißen-Chef. Mit dem Abfräsen sei man inzwischen schon fertig.
„Würde man sich nicht darum kümmern, dann werden die Schäden größer und die finanziellen Aufwendungen höher. Zudem würden Instandsetzung und damit verbundene Einschränkungen viel länger dauern“, erklärt Wohsmann. Größter Feind einer Straße: Wasser und Frost. Auch hohe Temperaturunterschiede mindern die Haltbarkeit. Eine hohe Verkehrsbelas
tung ebenfalls. 10 bis 15 Jahre waren der B6 in Meißen vorausgesagt worden. Hat nahezu gestimmt. Sie war zuletzt 2006 gebaut/ erneuert worden. Die Maßnahme stand damals im Zusammenhang mit dem Hochwasser. Die jetzige Instandsetzung war schon ein Jahr aufgeschoben worden – wegen der Arbeiten an der Dresdner Straße im letzten Jahr.
Trotzdem sehen andere Straßen wesentlich schlechter aus. „Man muss wissen, dass für Bundesstraßen aufgrund ihrer Bedeutung, vor allem für den überörtlichen Verkehr, die zweithöchsten Standards gelten“, sagt er. Der Vergleich mit der miesen Kreisstraße im Dorf oder schlaglochübersäten Anliegerstraße in der Stadt taugt daher nur wenig. Oberste Priorität haben übrigens Bundesautobahnen. Dafür ist aber seit geraumer Zeit die Autobahn GmbH zuständig. Das LASuV muss sich aber auch um die Staatsstraßen kümmern. Deren Sanierungsgrad ist schlechter als der der Bundesstraßen. Geldgeber ist hier nicht der Bund, sondern das Land. Instandgesetzt wird nach Finanzlage. „Straßenthemen sind in der Wahrnehmung der Bevölkerung immer noch weit vorn. Zu den Top-Ten in der Politik gehören sie nicht mehr“, hat der Behördenleiter festgestellt.
Meißen ist Testfeld Nummer 3
Zurück zur B6: Ein etwa ein Meter breiter, langer dunkler Streifen erregt Aufmerksamkeit. „Darunter liegen Lehrrohre für Lichtwellenleiterkabel“, erklärt Wohsmann. Gedacht sind diese perspektivisch für die Datenübertragung intelligenter Verkehrssysteme. Nach der B 170 in Bannewitz und der Ostumfahrung Dresden ist Meißen das dritte Testfeld für intelligente Verkehrssysteme im LASuV-Gebiet. „Normalerweise sind die Großstädte in diesem Metier Vorreiter, da sie den meisten Verkehr bewältigen müssen“, sagt Wohsmann. Auf Wunsch des LASuV und der TU Dresden
wurde es aber Meißen. Man merkt schnell, dass es sich um eines seiner Lieblingsprojekte handelt. Die Möglichkeiten sind tatsächlich riesig.
Erste Vorboten sind schon in Betrieb: An fünf Ampelanlagen im Stadtgebiet, darunter Beyerlein-Platz und neue Elbbrücke/ Hafenstraße, sind schon Bluetooth-Empfänger installiert. Auch die Lichtsignalanlage an der Auffahrt zur Altstadtbrücke soll so einen Empfänger bekommen. Die kleinen Kästen registrieren die Bluetooth-Signale der Autofahrer (vorausgesetzt es ist angeschaltet). Die Daten landen datenschutzkonform in einem Rechner in Dresden. „Daraus lassen sich u.a. die Verkehrsbelastung, Fahrverhalten und Durchschnittstempo ableiten“, erklärt der Niederlassungsleiter. Er holt ein Diagramm mit vielen blauen Punkten heraus, und wenig roten. Jeder blaue Punkt steht für einen Autofahrer am Tag, die roten für die Nacht. Daraus entsteht eine Stadtkarte, wie man sie vielleicht von einer Navigations-App kennt. Orange Straßenabschnitte stehen für Stopp and Go, rote für Stau. „Aktuell sind wir in der Ausstattungsphase und lernen, mit den Daten umzugehen“, so der Experte weiter.
VGM spielt auch eine Rolle
Im Gegensatz zu den Apps – Achtung: ab hier Zukunftsmusik – sollen diese Daten genutzt werden, um Verkehrsflüsse in der Stadt effizienter zu gestalten. Lichtsignalanlagen, die nicht nur aufeinander abgestimmt sind (grüne Welle), sondern auch bedarfsgerecht agieren. Wohsmann spricht in dem Zusammenhang von Staumeldungen im Radio, die darauf hinweisen, dass man über Meißen wesentlich länger braucht als sich auf der Autobahn anzustellen. Oder: Unliebsamer Autobahnverkehr, der paketweise, zügig abgefertigt wird, weil alle Lichtsignalanlagen nacheinander auf Grün schalten, wie nach einem
Banküberfall im Kinofilm. Alles möglich.
Parallel werden zunächst an dem Testfeld B6 sogenannte Roadsite Units installiert. Diese kommunizieren mit modernen Fahrzeugen über WLAN. Man versucht gerade, die VGM dafür zu erwärmen, beim anstehenden Tausch der Bordelektronik der eigenen Busflotte entsprechende Sendemodule einzubauen. Damit wären die Busse im Meißner Stadtgebiet, die ersten Fahrzeuge, die eine verlässliche Datengrundlage über den Verkehr in der Breite liefern – in Echtzeit. Man ahnt es schon: Das alles kostet Geld. Die Sender im Stadtgebiet, die intelligenten Ampeln und vieles andere gibt es nicht umsonst. „Man könnte die Daten auch einkaufen“, sagt Wohsmann. Ihm ist eine Inhouse-Lösung aber lieber. Stichwort: Abhängigkeit.
Zurück in die Gegenwart: Bis in den August hinein ist der aktuelle Bauabschnitt geplant. Danach rückt die Baustelle Schritt für Schritt Richtung Dresden. „Der erste Bauabschnitt ist der einzige, der unter Vollsperrung realisiert wird“, sagt Wohsmann. Als Nächstes ist die Auffahrt zur Altstadtbrücke dran, danach die Abfahrt. Der Verkehr wird über Ampeln geregelt. In Bauphase 3 wird die Fahrbahn nach Dresden zwischen Altstadtbrücke und Poststraße gesperrt. Die Gegenrichtung bleibt frei. Der Verkehr nach Dresden wird über die Altstadtbrücke und Coswig umgeleitet. Das Ende des Baufeldes befindet sich etwa 20 Meter vor der Eisenbahnbrücke (aus Richtung Dresden).
Insgesamt werden 1,4 Millionen Euro investiert. Davon trägt 1,2 Millionen Euro der Bund (Rest: Freistaat). Für die beauftragte Baufirma ist es ein Heimspiel: Die Arbeiten hat Swietelsky übernommen. Der Eigenbetrieb Abwasserentsorgung lässt zudem auch Leitungen quer zur Fahrbahn verlegen – für das mobile Hochwasserpumpwerk Altstadt. Voraussichtliches Ende: November 2024.