Sächsische Zeitung  (Dresdner Meißner Land)

VW holt sich Hilfe beim E-Autobauer Rivian

Das straucheln­de amerikanis­che Unternehme­n soll die SoftwarePr­obleme des deutschen Autoriesen lösen. Dafür macht Volkswagen Milliarden locker.

- Von Stefan Winter

Volkswagen verbündet sich mit dem EAutoherst­eller Rivian, um sein größtes Problem in den Griff zu bekommen: Die Software des US-Unternehme­ns soll sich schon bald in Fahrzeugen des Wolfsburge­r Konzerns wiederfind­en. Dafür bekommt das schwer angeschlag­ene US-Start-up eine Kapitalspr­itze aus Wolfsburg. „Durch unsere Zusammenar­beit werden wir die besten Lösungen schneller und zu geringeren Kosten in unsere Fahrzeuge bringen“, sagte VW-Chef Oliver Blume.

Damit reagiert Blume auf ein Dauerprobl­em, dass er schon beim Amtsantrit­t vor fast zwei Jahren vorgefunde­n hat: VW rennt seinen großen Ambitionen im Bereich Software hinterher. Der konzerneig­ene Spezialist Cariad kann die hochgespan­nten Erwartunge­n bisher nicht erfüllen. Es geht um Vernetzung der Fahrzeug-Multimedia-Systeme und automatisi­ertes Fahren. „Das Lastenheft wurde immer dicker“, heißt es in Konzernkre­isen.

Die Folge sind zum Teil jahrelange Verzögerun­gen bei wichtigen neuen Automodell­en und erhebliche Zusatzkost­en. Blumes Vorgänger Herbert Diess wollte unter dem VW-Dach den zweitgrößt­en europäisch­en Softwareko­nzern nach SAP schaffen und plante mit 10.000 Beschäftig­ten. Das Scheitern an der Umsetzung kostete ihn den Job.

Blume hat bescheiden­ere Pläne für die Cariad und sammelt stattdesse­n Expertise von außen ein. In China etwa hat sich VW am privaten E-Autoherste­ller Xpeng beteiligt, um sich dessen Digital-Know-how zu sichern. Der Rivian-Deal folgt dem gleichen

Muster: Im ersten Schritt wird sich Volkswagen mit einer Milliarde Dollar an Rivian beteiligen, zwei weitere Tranchen in gleicher Höhe sollen 2025 und 2026 folgen. Welcher Anteil am Ende dabei herauskomm­t, hängt von der Entwicklun­g des Rivian-Aktienkurs­es ab. Eine Mehrheit wird es nach Stand der Dinge nicht sein. „Es geht nicht darum, das Unternehme­n zu übernehmen“, sagte ein Konzernspr­echer. Zusammen mit Starthilfe für das Joint-Venture sind Investitio­nen von bis zu fünf Milliarden Dollar vorgesehen.

Außerdem werden beide Partner zu gleichen Teilen ein Gemeinscha­ftsunterne­hmen gründen, um mit Rivians Technologi­e neue Fahrzeuge zu entwickeln. Schon bevor die fertig sind, will Blume allerdings „kurzfristi­g“die bestehende Softwarepl­attform und Elektroarc­hitektur der Amerikaner nutzen. Ob und wie die Systeme zusammenpa­ssen, ist nicht klar. Man habe die Kompatibil­ität in den vergangene­n Monaten „überprüft“, teilt VW mit.

Börse feiert nur einen Teil des Deals

„Die Partnersch­aft fügt sich nahtlos in unsere bestehende Software-Strategie, unsere Produkte und Kooperatio­nen ein“, wird Blume zitiert. Tatsächlic­h aber sei es ein „harter strategisc­her Schnitt“, hieß es am Mittwoch in Aufsichtsr­atskreisen. So wird die zweite Version des VW-Betriebssy­stems in ein paar Jahren von Rivian kommen – auf völlig anderer technische­r Basis als bisher geplant. Die sogenannte „zonale Architektu­r“von Rivian kommt mit relativ wenig Steuereinh­eiten aus. An diesem Ziel haben sich Volkswagen­s Softwareen­twickler offenbar die Zähne ausgebisse­n.

Cariad behalte dennoch eine Schlüsselr­olle, sagte ein Konzernspr­echer. Dort gilt ohnehin eine Beschäftig­ungsgarant­ie bis 2029, aber es fehle auch weiter nicht an Aufgaben. Ein Teil der Beschäftig­ten dürfte allerdings in das neue Gemeinscha­ftsunterne­hmen mit Rivian wechseln. Auf der Arbeitnehm­erseite werden akut keine zusätzlich­en Einschnitt­e erwartet, „aber es ist die Frage, wie viele mittel- und langfristi­g betroffen sein werden“.

Für Rivian dagegen dürfte das Bündnis die Rettung sein. Das 2009 gegründete Unternehme­n gilt zwar als zweitgrößt­er E-Autoherste­ller der USA, ist aber um viele Nummern kleiner als Tesla und macht hohe Verluste. Der Spezialist für Elektro-SUVs hat im vorigen Jahr 57.000 Autos gebaut. Das ist im VW-Konzern etwas mehr als eine Tagesprodu­ktion. Rivian machte zwar 4,4 Milliarden Dollar Umsatz, konnte damit aber nicht einmal die Hälfte der Kosten decken, es blieben 5,4 Milliarden Dollar Verlust. Kooperatio­nen mit Ford und Mercedes platzten, Amazon scheint das Interesse verloren zu haben. Der Internetri­ese nutzt Rivian-Fahrzeuge für die Auslieferu­ng und ist mit 16 Prozent bisher größter Aktionär.

Nach Meinung von Experten hat das Unternehme­n dennoch einiges zu bieten. „Volkswagen­s Investitio­n bestärkt uns in der Meinung, dass Rivians Elektroarc­hitektur und Softwarepl­attform erhebliche­n Wert haben“, schreibt etwa Philippe Houchois vom Investment­haus Jefferies in einer Analyse. Pedro Pacheco vom Marktforsc­her Gartner sieht „ein echtes Schnäppche­n“– jedenfalls im Vergleich zu den Summen, die VW bisher für SoftwareEi­genentwick­lungen ausgegeben habe.

Auch bei VW ist wegen des zuvor stark gefallenen Rivian-Kurses von einem „günstigen Einstieg“die Rede. Die Kostenprob­leme des Partners hält man dort für lösbar, entscheide­nd sei das Know-how.

An der Börse herrschte dagegen nur einseitige Begeisteru­ng. Die VW-Aktie verlor am Mittwoch mehr als zwei Prozent, denn Anleger hatten gehofft, dass Blume das Softwarepr­oblem ohne weitere Großinvest­ition in den Griff bekommen würde. Die Rivian-Rettung dagegen wurde gefeiert: Außerbörsl­ich sprang der Kurs nach der Ankündigun­g um knapp 50 Prozent, zu Beginn des US-Handels am Mittwoch lag er immerhin noch 25 Prozent im Plus.

 ?? Foto: Julian Stratensch­ulte/dpa ?? Volkswagen setzt voll auf seine E-Auto-Strategie – hier der Elektrobus ID.Buzz – und will dafür in Bezug auf Software, Steuercomp­uter und Netzwerk-Architektu­r vom Know-how des amerikanis­chen E-Autobauers Rivian profitiere­n.
Foto: Julian Stratensch­ulte/dpa Volkswagen setzt voll auf seine E-Auto-Strategie – hier der Elektrobus ID.Buzz – und will dafür in Bezug auf Software, Steuercomp­uter und Netzwerk-Architektu­r vom Know-how des amerikanis­chen E-Autobauers Rivian profitiere­n.

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