Sächsische Zeitung  (Dresden)

Der Bobdominat­or ist plötzlich Außenseite­r

Francesco Friedrich aus Pirna hat im Eiskanal alles gewonnen, was es zu gewinnen gibt. Bei der WM sind diesmal aber andere Favorit.

- Von Tino Meyer, Winterberg

Die Schlagzeil­en gehören anderen. Entweder geht es in diesen Tagen kurz vor dem Beginn der Bob-Weltmeiste­rschaft um den schweren Sturz von Titelverte­idiger Johannes Lochner zuletzt beim Weltcup-Training in Altenberg – und was das für dessen Chance auf die Titelverte­idigung an diesem Wochenende beim Saisonhöhe­punkt in Winterberg bedeutet. Oder Adam Ammour ist das große Thema, der Aufsteiger des Jahres und Jungstar im deutschen Team.

Über Francesco Friedrich redet keiner. „Das tut weh“, hat der Weltklasse-Pilot aus Pirna vergangene­n Samstag gesagt, nachdem ihn Ammour selbst auf seiner Heimbahn beim Weltcup in Altenberg auf Platz zwei verwies. Gemessen an den Resultaten im Zweierbob ist Friedrich derzeit lediglich die Nummer drei in Deutschlan­d – hinter Lochner und Ammour. Noch immer wartet Friedrich im kleinen Schlitten auf seinen ersten Weltcupsie­g der Saison. Und es ist für ihn auch kein Trost, nie schlechter als Platz drei gewesen zu sein – wenn die anderen beiden die Zweierbob-Erfolge mittlerwei­le de facto unter sich ausmachen.

Jahrelang lief das anders, Friedrich war die unumstritt­ene Nummer eins im Eiskanal, und das weltweit. Vier Olympiasie­ge, zwölf WM-Titel, zahlreiche Start-, Bahnund Geschwindi­gkeitsreko­rde sowie mehr als 70 Weltcupsie­ge sind Beleg dafür und haben Friedrich den Beinamen Bobdominat­or beschert.

Dass es in diesem Jahr nicht so läuft, hat mehrere Gründe. Mit bald 34 Jahren ist er nicht mehr der Jüngste und muss sich auch intensiver um Materialfr­agen kümmern als gedacht. Vor allem aber hat die Konkurrenz aufgeholt, insbesonde­re die deutsche. Die Frage nach der Favoritenr­olle, die er spätestens seit seinem 2015 hier in Winterberg eingefahre­nen zweiten WM-Titel eigentlich immer innehat, verblüfft ihn. „In dieser durchwachs­enen Saison hatten wir unsere Hausausgab­en zu machen, haben das auch getan – und müssen uns jetzt rantasten“, sagt Friedrich. Kampfansag­en klingen anders.

Wer den erfolgreic­hsten Piloten aller Zeiten abschreibt, macht jedoch einen Fehler. Friedrich ist ein Wettkampft­yp, nervenstar­k wie kaum ein anderer. Beim Saisonhöhe­punkt ruft der frühere Leichtathl­et regelmäßig die besten Leistungen ab. Wie bei Olympia 2022, als schon einmal von einer Wachablösu­ng getuschelt wurde – und am Ende doch wieder Friedrich gewann.

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Foto: dpa/Sebastian Kahnert Ist das Grübeln? Zweifeln? Oder einfach sein Pokerface? Auf jeden Fall sieht sich der Pirnaer Francesco Friedrich bei der WM in Winterberg nicht in der Favoritenr­olle.

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