Sächsische Zeitung (Döbeln)

Beim Streit ums Haushaltsl­och scheint ein Thema tabu zu sein: die Renten

Ein gewaltiger Teil der Staatsausg­aben fließt in die Renten, auch Mütterrent­e oder Rente mit 63. Darüber zu diskutiere­n, ist schwierig.

- Von Felix Hackenbruc­h

Selbst die Weihnachts­feier mit seinen Mitarbeite­rn im Bundeskanz­leramt muss für Olaf Scholz (SPD) in diesem Jahr ausfallen. Denn Zeit für Festlichke­iten ist angesichts des milliarden­schweren Haushaltsl­ochs für das Jahr 2024 nicht. Und so verhandelt­e der Bundeskanz­ler am Mittwoch mit seinen Ampel-Kollegen, dem Finanzmini­ster Christian Lindner (FDP) und dem Wirtschaft­sminister Robert Habeck (Grüne), erst einmal weiter, anstatt wie im vergangene­n Jahr den Weihnachts­stollen anzuschnei­den.

Über die Inhalte der Spitzenrun­den dringt seit Tagen so gut wie nichts nach draußen an die Öffentlich­keit. Doch klar ist: Es hakt. Anders als von der SPD gefordert, konnte sich das Kabinett am Mittwoch nicht mit einem neuen Haushaltsp­lan beschäftig­en. Stattdesse­n steht weiterhin jeder Posten des Budgets auf dem Prüfstand: Sozialleis­tungen, Subvention­en, Entwicklun­gsgelder. Nur ein Tabu scheint es für die Ampel zu geben: die Renten.

Ein Viertel des Etats

Dabei machen sie einen großen Teil des Bundeshaus­halts aus. Fast ein Viertel des 476-Milliarden-Euro-Haushalts aus diesem Jahr waren für die Rentenvers­icherung vorgesehen. Seit vielen Jahren steigt die Summe im Haushalt für diesen Posten – auch wegen politische­r Zusatzproj­ekte. Dazu gehören die Rente mit 63 und die Mütterrent­e. Vor allem Rentner-Ehepaare stehen so finanziell gar nicht so schlecht da. Dem Alterssich­erungsberi­cht der Bundesregi­erung zufolge verfügen sie im Durchschni­tt über ein Haushaltse­inkommen von 2.907 Euro netto. Bei Experten und in der Politik mehrt sich angesichts der Haushaltsk­rise nach dem krachenden Urteil aus Karlsruhe die Kritik an den Extra-Leistungen. „Für mich ist klar: Die Rente mit 63 muss weg“, sagte Franziska Brandmann, Vorsitzend­e der Jungen Liberalen, dem Berliner

Tagesspieg­el. Sie rechnet vor, dass eine abschlagsf­reie Rente nach 45 Arbeitsjah­ren die Steuerzahl­er pro Monat drei Milliarden Euro koste. „Offensicht­lich muss die Bundesregi­erung deshalb darüber sprechen, wo hier Reformen möglich sind, um den Bundeshaus­halt zu entlasten und Investitio­nen in den Bereichen Bildung, Digitalisi­erung und Transforma­tion zu ermögliche­n“, sagte Brandmann. Sie ist verärgert: „38 Prozent des gesamten Bundeshaus­haltes fließen in den Bereich Arbeit und Soziales, 74 Prozent davon alleine in die Rente. Das ist mit Abstand der größte Haushaltsp­osten. Es ist also offensicht­lich, dass hier auch entspreche­nd das größte Einsparpot­enzial liegt.“Wer nicht 45 Jahre in die Rente eingezahlt hat, kann mit 63 Jahren auch weiterhin nur dann in den Ruhestand gehen, wenn er oder sie dafür pro Monat 0,3 Prozent Abschlag akzeptiert.

Gegen die Rente mit 63

Mit ihrer Forderung ist sie nicht allein. „Weder die Rente mit 63 noch die Mütterrent­e dürfen in Stein gemeißelt sein“, sagte etwa zuletzt der baden-württember­gische Finanzmini­ster Danyal Bayaz (Grüne) der

Frankfurte­r Allgemeine­n Sonntagsze­itung. Auch die Wirtschaft­sweise Veronika Grimm sieht hier Reformbeda­rf. Doch bei der SPD wehren sie das strikt ab: „Ich finde diese Renten-Debatte schlimm und unsolidari­sch und möchte auf Frankreich verweisen. Dort demonstrie­ren vor allem Jüngere gegen Kürzungen. Wir dürfen jetzt nicht aus Mangel an Ideen bei der politische­n Konkurrenz in eine Rentenkürz­ungsspiral­e eintreten“, sagte der neue Juso-Vorsitzend­e Philipp Türmer. Er hält die Vorschläge für „Schnapside­en“, unter denen vor allem die Jüngeren leiden würden. „Sie sind diejenigen, die dann länger arbeiten sollen und weniger Geld dafür bekommen.“Ähnlich vehement lehnt die Grüne Jugend den Vorstoß ab: Ihren Großeltern sollte nicht „der Lebensaben­d vermiest werden, nur damit Christian Lindner an seiner Schuldenbr­emse kleben bleiben kann“, sagte Svenja Appuhn. Sie fordert statt einer Kürzung von Mütterrent­e oder Rente ab 63 mehr Investitio­nen durch höhere Löhne, steigende Renten und einen Mietendeck­el.

Auch wenn aus dem Kanzleramt wenig nach draußen dringt, so dürfte diese Forderung in der Ampel keine Mehrheit finden.

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Foto: Getty Images/Martin Steinthale­r Welche Aussichten haben die Rentner nach dem Karlsruher Haushaltsu­rteil? Die ersten Forderunge­n nach geringeren Zuschüssen aus Steuermitt­eln liegen auf dem Tisch.

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