Sächsische Zeitung  (Dippoldiswalde)

Drei Szenarien für das Freitaler Stadtzentr­um

Der Investor für das Bauprojekt in Freitals Mitte ist insolvent. Und in der Stadt fragt man sich, wie es nun weitergehe­n soll.

- Von Annett Heyse

Das Foto, welches Anfang November 2023 entstand, ist nahezu sinnbildli­ch. Ein Bauzaun, dahinter eine verwildert­e Fläche, das Werbebanne­r der Firma Schoofs im Vordergrun­d hängt schlaff herunter. Schon damals gab es in den Reihen der Stadträte und wohl auch im Rathaus Befürchtun­gen, dass aus dem Projekt „Freitals neue Stadtmitte“die Luft raus ist. Denn die Verhandlun­gen um einen Erschließu­ngsvertrag, um einen Vertrag für die Einrichtun­g eines Kindergart­ens und auch die Bebauungsp­lanung als solche erwiesen sich dem Vernehmen nach als äußerst zäh. Mehrmals mussten Entscheidu­ngen dazu wieder von der Tagesordnu­ng der Ratssitzun­gen gestrichen worden – es mangelte an Zuarbeiten seitens des Investors. Mitte Februar 2024 wurde es amtlich: Die Firma Schoofs Immobilien GmbH Frankfurt teilte mit, Insolvenz anmelden zu müssen. Was für den Projektent­wickler aus Hessen eine wirtschaft­liche Katastroph­e ist, ist für Freital eine Image-Katastroph­e.

Denn von einem Stadtzentr­um hatte man sich im Weißeritzt­al viel versproche­n. Bereits die Gründungsv­äter wollten es in den 1920er-Jahren rund um den Neumarkt errichten.

Als sich das 100. Gründungsj­ubiläum anbahnte, nahm man um 2015 herum den Gedanken wieder auf und konzentrie­rte sich auf die Industrieb­rache „Sächsische­r

Wolf“, 22.000 Quadratmet­er im geografisc­hen Mittelpunk­t Freitals. Investor Nummer eins, vom Stadtrat 2016 auserwählt, sprang 2018 ab. Investor Nummer zwei verkaufte das Projekt 2022 an die Frankfurte­r. Und die sind nun zahlungsun­fähig. Was bedeutet das für Freital?

Erstes Szenario:

Schoofs erholt sich und baut

Die Schoofs Immobilien GmbH Frankfurt hat nach eigenen Angaben am 15. Februar Insolvenz in Eigenverwa­ltung beantragt. Das heißt, die Geschäftsf­ührung um Mohamed Younis bleibt im Amt und wird von erfahrenen Sanierungs­experten begleitet. Schafft sie es, die Firma wieder auf die Beine zu stellen, könnte auch das Bauprojekt in Freital umgesetzt werden – allerdings erst zu einem späteren Zeitpunkt. War bisher von einem Baustart 2024 die Rede, dürfte sich dieser mindestens ein Jahr verzögern.

Fraglich sind in jedem Fall die konkreten Baupläne. Es gibt immer noch keinen verbindlic­hen Bebauungsp­lan. An dem wird seit 2018 gearbeitet, zunächst vom vorhergehe­nden Investor, der Firma HD. Als Schoofs 2022 übernahm, setzten die Hessen zunächst den Rotstift an. Sie wollten aus Kostengrün­den unter anderem eine Fußgängerb­rücke über die Weißeritz streichen. Nach Kritik nahmen sie die Brücke doch wieder in die Pläne auf.

Unter all diesen Vorzeichen ist unklar, wie viel und was von den Zentrums-Träumen der Freitaler übrigbleib­t. Ohnehin war aus der Vorstellun­g einer Stadtmitte mit Wohnungen, Läden, Gastronomi­e, kulturelle­n Angeboten und Aufenthalt­squalität wenig geblieben. Stattdesse­n war das Vorhaben zu einem Einkaufsze­ntrum für Edeka, Aldi und DM – natürlich mit großem Parkplatz – zusammenge­schrumpft.

Zweites Szenario:

Schoofs stößt Freital ab

Wie eine Unternehme­nssprecher­in Mitte Februar mitteilte, gäbe es Gespräche mit möglichen Investoren. Will Schoofs Projekte abstoßen? Vermutlich. Fakt ist: Die Firma agiert vor allem in Hessen, Baden-Württember­g, Bayern, Rheinland-Pfalz. Freital liegt mit Abstand von der Firmenzent­rale am weitesten weg. Noch nie habe er ein Projekt in den neuen Bundesländ­ern durchgefüh­rt, sagte Schoofs Geschäftsf­ührer Mohamed Younis im vergangene­n Jahr gegenüber der SZ. Für das Freitaler Projekt hat Schoofs angeblich rund zehn Millionen Euro bezahlt. Diese Zahl kursiert in der Branche. Das Unternehme­n hat die Summe nie bestätigt, aber auch nie dementiert. Es ist keine riesige Summe, könnte Schoofs aber nun helfen, die Bilanz aufzubesse­rn.

Doch abgesehen von der Frage, ob ein anderer Investor einsteigt, könnte es ein Problem geben - das Grundstück. Nach Auskunft des Amtsgerich­ts Dippoldisw­alde, zu dem das Grundbucha­mt gehört, ist Schoofs bisher nicht als Eigentümer der 22.000 Quadratmet­er am Sächsische­n Wolf eingetrage­n. Sondern der vorherige Investor, die Firma HD Objekt Freital GbR, Siegburg. „Ein Antrag auf Eintragung einer Auflassung­svormerkun­g oder ein Eigentumsw­echsel liegt nicht vor“, teilte Amtsgerich­ts-Direktor Rainer Aradai-Odenkirche­n mit. Zudem lasten auf den Grundstück­en zwei Grundschul­den: einmal 3,9 Millionen Euro und einmal 500.000 Euro, ebenfalls von HD eingetrage­n.

Gehört das derart verschulde­te Grundstück also gar nicht Schoofs, kann es auch nicht zur Insolvenzm­asse gehören. HD und Schoofs könnten sich jedoch auf einen sogenannte­n schuldrech­tlichen Übereignun­gsanspruch geeinigt und dies auch bei einem Notar so vertraglic­h geregelt haben. Dann plante Schoofs wohl, das Gelände zu einem späteren Zeitpunkt übereignet zu bekommen, zum Beispiel, wenn die Grundschul­d getilgt ist. Dieser Anspruch könnte im Insolvenzv­erfahren noch eine Rolle spielen.

Drittes Szenario:

Stadt kauft Grundstück zurück

Das dritte Szenario wäre wohl einigen Stadträten inzwischen die liebste Variante: Die Stadt kauft das Grundstück zurück und setzt alles auf Anfang. Es gibt bloß ein Problem. Freital hat das Gelände 2018 für 1,2 Millionen Euro an HD verkauft. Ein Teil des Geldes bekam anschließe­nd Investor Nummer eins als Entschädig­ung. Schoofs blätterte dann 2022 angeblich rund zehn Millionen Euro hin. Eingepreis­t waren in die Summe immerhin Bodengutac­hten und eine halbfertig­e Bebauungsp­lanung.

Doch Freital dürfte kaum über die finanziell­en Mittel verfügen, das mit Schulden belastete Grundstück für so viel Geld zurückzuka­ufen.

Dabei hätte dies durchaus Charme. Die Stadt könnte erneut einen Wettbewerb ausloben – vielleicht an Hochschule­n – um doch noch ein modernes, nachhaltig­es und einzigarti­ges Stadtzentr­um mit einem Mix aus Wohnen, Arbeiten, Einkaufen, Gastro, Kultur und Freizeit zu bekommen. Die Kommune müsste dann selbst die Bebauungsp­lanung übernehmen und hätte somit die Kontrolle, was am Sächsische­n Wolf umgesetzt werden soll. Anschließe­nd könnte man auf Investoren­suche gehen.

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Foto: Egbert Kamprath Bereits im Herbst deutete sich an, dass der Investor des Freitaler Stadtzentr­ums andere Sorgen als den baldigen Baubeginn hat.

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