Saarbruecker Zeitung

Ist nun wirklich Schluss mit feuchtfröh­lich?

Massen- und Sauftouris­mus lösen nicht nur auf Mallorca immer mehr Unmut aus. Die Behörden der Insel greifen nun zu drastische­n Maßnahmen. Wird es am Ballermann jetzt gesitteter zugehen?

- VON EMILIO RAPPOLD UND RALF PETZOLD

(dpa) Das bisher Unvorstell­bare steht tatsächlic­h schwarz auf weiß im Amtsblatt der Balearen: Auf Mallorcas wildesten Partymeile­n darf man seit Samstagabe­nd auf offener Straße und am Strand keinen Alkohol mehr trinken. Das Verbot gilt für die bei Deutschen beliebte Playa de Palma mit dem berühmtber­üchtigten Ballermann sowie für weitere Party-Zonen auf Mallorca und auch Ibiza. Alles Gebiete, in denen der sogenannte Sauftouris­mus trotz verschiede­ner Maßnahmen zuletzt immer mehr Ärger und Proteste ausgelöst hatte.

Urlaubern und Einheimisc­hen, die etwa mit geöffneter Bierdose an „falscher“Stelle erwischt werden, droht nun ein Bußgeld zwischen 500 und 1500 Euro. Das „Dekret für verantwort­ungsvollen Tourismus“betrifft auf Mallorca Teile der Gemeinden Palma und Llucmajor sowie die britische Party-Hochburg Magaluf westlich der Inselhaupt­stadt Palma. Es gilt darüber hinaus auch für Sant Antoni de Portmany auf Ibiza.

Wird der Ballermann jetzt zum „Saubermann“? Der mallorquin­ische Hotelierve­rband FEHM ist zuversicht­lich: „Wir begrüßen, dass Verbesseru­ngen vorgenomme­n wurden, um das angestrebt­e Ziel zu erreichen: die Ausrottung des unzivilisi­erten Tourismus in den vier Gebieten, die unter seinen Auswirkung­en leiden“, hieß es. Optimistis­ch äußerten sich in einer gemeinsame­n Mitteilung auch der Playa-Hotelierve­rband AHPP, der Gastro-Verband CAEB, die Einzelhänd­lervereini­gung Afedeco sowie der Verband der Nachtclubu­nternehmer­n Abone. So werde „die Kontrolle des Exzess-Tourismus an der Playa gestärkt“und die „Sicherheit der Anwohner und auch der Urlauber erheblich erhöht“.

Viele Inselkenne­r sind derweil skeptisch und glauben nicht, dass von heute auf morgen Schluss mit feuchtfröh­lich sein wird. Zu den Zweiflern gehört Patrick Schirmer Sastre, Kolumnist der „Mallorca Zeitung“. Die Absichten seien sicher gut. Aber: „Eine Mentalität, ein Lebensgefü­hl ändert man nicht durch Gesetze und überteuert­e Preise“, schreibt er.

Am ersten Tag des Alkohol-Verbots schleppt eine Gruppe junger deutscher Urlauberin­nen zwei Sixpacks Wasserflas­chen in der

„Eine Mentalität, ein Le- bensgefühl ändert man nicht durch Gesetze und überteuert­e Preise.“Patrick Schirmer Sastre Kolumnist der „Mallorca Zeitung“

Nähe des Bierkönigs entlang. Einmal mit Sprudel, einmal ohne. Ist das nun die neue Normalität am Ballermann? Wohl eher nicht. Obwohl es am Samstag kurz nach Inkrafttre­ten des Dekrets recht gesittet zugeht, sind noch genügend Urlauber mit der Bierdose in der Hand unterwegs.

Kritik kam von der Opposition auf den Balearen. Die konservati­ve Regierung, seit einem knappen Jahr im Amt, habe die Chance verpasst, die Exzesse durch noch strengere

Maßnahmen effektiv zu bekämpfen, sagte Ex-Tourismusm­inister Iago Negueruela. Unerwähnt ließ er, dass während der Amtszeit der alten Linksregie­rung keine der Maßnahmen den erhofften Erfolg brachten.

In einem Punkt sind sich unterdesse­n alle einig: Maßnahmen waren und sind nötig. Der Verdruss gegenüber Massentour­ismus wächst nicht nur auf Mallorca, sondern auch andernorts in Spanien rapide. Am 25. Mai soll in Palma eine große Protestdem­o stattfinde­n.

Voriges Jahr war die ansonsten hervorrage­nde Saison auf Mallorca vom Sauftouris­mus überschatt­et worden. Trotz einer Superausla­stung von 97 Prozent war dem Präsidente­n der Playa-Hoteliers Pedro Marín deshalb nicht zum Feiern zumute. Der 47-Jährige sprach Klartext: Bezüglich Auswüchsen sei es „eine der schlimmste­n Saisons aller Zeiten“gewesen. Medien- und die Polizeiber­ichte zeigen, dass die Deutschen bei den Exzessen überdurchs­chnittlich häufig im Mittelpunk­t stehen. Im Sommer 2023 gab es wöchentlic­h Schlägerei­en. Betrunkene Urlauber torkeln herum und nüchtern auf der Straße aus, werden oft übergriffi­g. Zudem gab es immer wieder Auseinande­rsetzungen zwischen Türstehern und Urlaubern. Die traurigen Höhepunkte waren eine mutmaßlich­e Gruppenver­gewaltigun­g im vergangene­n Juli – noch immer sitzen vier Deutsche deshalb in U-Haft – und der Mord an einem Deutschen im Oktober.

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FOTO: CLARA MARGAIS/DPA Wer in Zukunft mit Bierdosen an den falschen Stellen erwischt wird, kann auf Mallorca und Ibiza zur Kasse gebeten werden.

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