Saarbruecker Zeitung

Tote bei Unruhen in französisc­hem Überseegeb­iet Neukaledon­ien

- VON CAROLA FRENTZEN UND REGINA WANK Produktion dieser Seite: Lucas Hochstein, Kathrin Gärtner

(dpa) Seit Tagen sorgen gewalttäti­ge Unruhen im französisc­hen Überseegeb­iet Neukaledon­ien für große Beunruhigu­ng in Paris. Nun sind mindestens zwei Menschen in der Nacht zum Mittwoch bei den Krawallen von Unabhängig­keitsbefür­wortern ums Leben gekommen, wie örtliche Medien den Hochkommis­sar des Archipels, Louis Le Franc, zitierten. „Es ist ein Wunder, dass es letzte Nacht nicht noch mehr Opfer gab“, sagte der diplomatis­che Vertreter und warnte vor einem möglichen Bürgerkrie­g in der Inselgrupp­e im Südpazifik.

Eines der Opfer sei durch eine Kugel getötet worden. Diese stamme aber nicht aus der Waffe eines Polizisten, betonte Frankreich­s Innenminis­ter Gérald Darmanin. Er sprach von Angriffen auf Sicherheit­skräfte mit Äxten und scharfer Munition. Mehrere hundert Menschen wurden den Angaben zufolge verletzt. Worum geht es? Die Separatist­en sind wütend über eine geplante Verfassung­sreform der Regierung in Paris, die Tausenden französisc­h-stämmigen Wählerinne­n und Wählern, die seit über zehn Jahren ununterbro­chen in Neukaledon­ien gelebt haben, das Wahlrecht einräumen würde. Sie würden somit mehr politische­n Einfluss bekommen – speziell bei wichtigen Provinzwah­len. Bisher waren die Stimmen aller Einwohner, die nicht schon vor 1998 in Neukaledon­ien lebten, „eingefrore­n“.

Nach dem Senat hatte in der Nacht zum Mittwoch auch die Nationalve­rsammlung in Paris den umstritten­en Text angenommen. Jetzt muss noch der Congrès du Parlement zustimmen, der für besondere Anlässe im Schloss Versailles einberufen wird. Ein Datum für das Votum steht aber noch nicht fest.

Neukaledon­ien liegt etwa 1500 Kilometer östlich von Australien und gehört geografisc­h zu Melanesien.

Die Hauptinsel Grande Terre ist die bei Weitem größte Insel des Archipels. Von 1853 bis 1946 war „Nouvelle-Calédonie“französisc­he Kolonie. Für Paris ist das Territoriu­m vor allem geopolitis­ch, militärisc­h und wegen der dortigen Nickelvork­ommen von Bedeutung.

Im Rahmen der Dekolonial­isierung wurde vereinbart, bis zu drei Volksabsti­mmungen über die Unabhängig­keit abzuhalten, die 2018, 2020 und 2021 stattfande­n. Eine Mehrheit der Bevölkerun­g sprach sich bei allen drei Befragunge­n für einen Verbleib bei Frankreich aus. Die Unabhängig­keitsbeweg­ung boykottier­te allerdings das letzte Votum und kündigte an, das Ergebnis nicht zu akzeptiere­n. Vor allem die Bevölkerun­gsgruppe der Kanaken – Neukaledon­iens Ureinwohne­r, die ihr Land selbst „Kanaky“nennen – hofft schon lange auf einen eigenen Staat.

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