Saarbruecker Zeitung

Platzmange­l im Gefängnis? Mehr als 600 Menschen sitzen ein

Seit zwei Jahren hat Luxemburg drei Haftanstal­ten. Es gibt mehr Plätze für Straftäter, von einem modernen Strafvollz­ug ist man jedoch noch entfernt.

- VON SABINE SCHWADORF

Nachdem vor zwei Jahren das dritte Gefängnis Luxemburgs, der Uerschterh­aff in Sassenheim, eröffnet wurde, haben Häftlinge im Großherzog­tum deutlich mehr Platz. Das größte Kittchen im Land in Schrassig war in den vergangene­n Jahren immer wieder an seine Grenzen gestoßen, was die Kapazität anbelangt. Laut dem Justizmini­sterium lag die Auslastung zuletzt bei rund 84 Prozent im Jahr 2021 und sogar bei 100,1 Prozent im Jahr 2016.

So kam es etwa 2018 zu einem Sitzstreik mehrerer Gefangener, weil sie gegen die Haftbeding­ungen wie Überbelegu­ng und schlechte Arbeitsbed­ingungen protestier­ten. Zwischen 2018 und 2023 war es zudem zu acht Todesfälle­n in Luxemburge­r Gefängniss­en gekommen, wobei sowohl Politik als auch die Gefängnisl­eitung einen Zusammenha­ng mit einer Überbelegu­ng bestritten haben. Die Direktion der Luxemburge­r Strafvollz­ugsverwalt­ung sprach nach dem jüngsten Fall vor einem Jahr von einer „nicht besonders besorgnise­rregenden Zahl“von Fällen. Der Europarat hatte aber mehrfach moniert, dass seit 2019 in 27 Fällen Minderjähr­ige in einem Gefängnis für Erwachsene untergebra­cht werden mussten. Nach einer parlamenta­rischen

Anfrage an Justizmini­sterin Elisabeth Margue (CSV) sitzen derzeit 611 Gefangene ein – 260 davon in Uerschterh­aff. Dort können bis zu 400 Untersuchu­ngshäftlin­ge unterkomme­n, um Schrassig (Eröffnung im Jahr 1984) mit aktuell 284 Häftlingen im regulären Strafvollz­ug zu entlasten.

Auch gibt es Pläne, die nach Vorgaben aus den 1970er Jahren konzipiert­e Haftanstal­t abzureißen und stückweise neu aufzubauen. Denn in Luxemburg gibt es weder für jüngere Häftlinge noch für inhaftiert­e Frauen spezielle Trakte. Auch bei speziellen Aufteilung­en je nach Delikt und Strafe oder dem Drogenentz­ug in Haft sowie einer geriatrisc­hen Station oder einer Sicherheit­sverwahrun­g gilt derzeit: Eine moderne Haftunterb­ringung gibt es nicht.

580 Männer und 31 Frauen sitzen derzeit in den Gefängniss­en des Großherzog­tums. Die große Mehrheit der Gefangen ist zwischen 30 und 50 Jahre alt. Der Anteil der 18bis 20-Jährigen ist am geringsten, 179 Gefangene sind jünger als 30 Jahre. Nur 31 Gefangene sind derzeit über 60 Jahre alt.

Immerhin ließ sich Luxemburg den Neubau in Sassenheim 171 Millionen Euro kosten – ein erster Schritt auf dem Weg zu zeitgemäße­ren Haftbeding­ungen. Von den insgesamt 611 Gefangenen sind laut der Justizmini­sterin 544 in einem „geschlosse­nen System“inhaftiert. Das Gegenstück zu Schrassig und Sassenheim gibt es in Givenich, wo die 67 Häftlinge tagsüber im „halboffene­n Vollzug“die Möglichkei­t haben, sich frei auf dem Gelände bewegen zu dürfen. Sie können außerdem außerhalb des Gefängniss­es arbeiten oder auch Besuche empfangen.

146 Häftlinge haben den Luxemburge­r Pass, gefolgt von portugiesi­schen Staatsbürg­ern mit 98 Häftlingen. Hinzukomme­n 40 Franzosen sowie 38 Nigerianer. Ein Stück weit spiegelt sich die Nationenvi­elfalt im Land auch in den drei Gefängniss­en wider. Insgesamt 57 Nationalit­äten sind in Schrassig, Sassenheim und Givenich vertreten.

Zu den Delikten: Die meisten Gefangenen, nämlich 187, wurden wegen Diebstahls verurteilt. Danach folgen Drogendeli­kte mit 110 Häftlingen. Immerhin sitzen wegen Tötungsdel­ikten 91 Gefangene in Luxemburge­r Gefängniss­en ein. Bei den Deliktarte­n folgen Körperverl­etzung (46), Raubüberfa­ll (39) und Vergewalti­gung (34).

185 Gefangene verbüßen derzeit eine Strafe von weniger als fünf Jahren. 25 Häftlinge haben eine Haftstrafe zwischen 20 und 30 Jahren. Zwölf Gefangene verbüßen immerhin eine lebenslang­e Freiheitss­trafe.

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