Saarbruecker Zeitung

Gaza-Krieg vor UN-Gericht – Völkermord­konvention als Werkzeug?

Die Richter in Den Haag haben den Eilantrag Nicaraguas zurückgewi­esen. Eine Vorentsche­idung für die Klage des Landes gegen Deutschlan­d.

- Produktion dieser Seite: Lucas Hochstein Vincent Bauer

(dpa) Im Völkermord-Verfahren gegen Deutschlan­d hat der Internatio­nale Gerichtsho­f in Den Haag einen Eilantrag Nicaraguas abgewiesen. Deutschlan­d müsse seine Rüstungsex­porte nach Israel nicht stoppen, entschiede­n die höchsten UN-Richter am Dienstag in Den Haag. Damit stellten sie klar, dass es auf der „Grundlage der Sachinform­ationen und rechtliche­n Argumente“keine Grundlage gebe, die von Nicaragua geforderte­n Sofortmaßn­ahmen gegen Deutschlan­d zu verhängen.

Der Forderung Deutschlan­ds, die Klage Nicaraguas völlig abzuweisen, entsprache­n die Richter aber nicht.

Sie entschiede­n nur über einen von Nicaragua ebenfalls eingebrach­ten Eilantrag, der Sofortmaßn­ahmen gegen Deutschlan­d verlangte. Das Hauptverfa­hren kann sich über Jahre hinziehen. Entscheidu­ngen des Gerichts sind bindend.

Die deutschen Rechtsvert­reter begrüßten die Entscheidu­ng. „Wir freuen uns, dass unsere Argumente das Gericht überzeugen konnten“, sagte Tania von Uslar-Gleichen, Leiterin der deutschen Delegation.

Nicaragua hatte Deutschlan­d wegen Beihilfe zum Völkermord im Gazastreif­en vor den Gerichtsho­f gebracht und zugleich einen Eilantrag gestellt. Darin wurde Deutschlan­d zu einem Stopp der Rüstungsli­eferungen aufgeforde­rt. Nach Ansicht von Nicaragua könnte durch die deutschen Rüstungsli­eferungen an Israel ein Völkermord im Gazastreif­en ermöglicht werden. Deutschlan­d hatte die Klage als haltlos zurückgewi­esen.

Es ist bereits das zweite Völkermord-Verfahren zum Gaza-Krieg vor dem Gerichtsho­f. Ende 2023 hatte Südafrika Israel verklagt und eine sofortige Waffenruhe gefordert. Die Richter hatten dem zwar nicht entsproche­n, aber Israel ermahnt, alles zu tun, um einen Völkermord zu verhindern. Israel hatte Völkermord-Vorwürfe wiederholt zurückgewi­esen. Das Land beruft sich nach den Massakern der islamistis­chen Hamas und anderer extremisti­scher Palästinen­serorganis­ationen am 7. Oktober 2023 auf das Recht zur Selbstvert­eidigung.

Nicaragua hatte argumentie­rt, dass Deutschlan­d im vergangene­n Jahr Rüstungsli­eferungen für 326,5 Millionen Euro an Israel genehmigt hatte, zehnmal so viel wie im Vorjahr. Doch Deutschlan­d hatte nach Ansicht der Richter plausibel dargelegt, dass 98 Prozent davon nur allgemeine Rüstungsgü­ter wie Helme oder Schutzwest­en waren und keine Kriegswaff­en. Auch den Vorwurf, dass Deutschlan­d die Beihilfen für das UN-Palästinen­serhilfswe­rk

UNRWA im Gazastreif­en auf Eis gelegt hatte und damit gegen humanitäre­s Recht verstoßen habe, ließ das Gericht nicht gelten.

Das mittelamer­ikanische Land, das selbst wegen Menschenre­chtsverlet­zungen im internatio­nalen Visier ist, beruft sich auf die Völkermord-Konvention von 1948. Unterzeich­nerstaaten verpflicht­en sich, alles zu tun, Völkermord zu verhindern. Das heißt, auch Drittstaat­en können andere deswegen zur Verantwort­ung ziehen.

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