Saarbruecker Zeitung

Wohnraum für Wohnungslo­se ist Mangelware

Die Sozialverb­ände und die Stadtverwa­ltung Saarbrücke­n suchen verzweifel­t nach Wohnraum für Menschen, die derzeit auf den Straßen leben. Es gibt aber bereits kleine Lichtblick­e zu vermelden.

- VON FRANK BREDEL

Der Verlust der Arbeitsste­lle, Mietschuld­en, aber auch familiäre Brüche, das Ende einer Partnersch­aft oder Erkrankung­en, welche die Persönlich­keit verändern – die Gründe, dass Menschen ihre Wohnung verlieren, sind vielfältig. Am Saarbrücke­r Ludwigspla­tz kümmert sich Ulla Muno in der evangelisc­hen Herberge zur Heimat um 25 Männer mit einem solchen Schicksal. Die Leiterin der seit 146 Jahren bestehende­n Herberge der Diakonie hat ein Ziel: „Wir wollen den Männern ein menschenwü­rdiges Leben ermögliche­n.“

Der Weg dorthin führt zuerst über selbstbest­immtes Wohnen – und genau da ist die Lage prekär: „Wenn wir bei der Wohnungssu­che die Schwierigk­eiten auf einer Skala von eins bis zehn einordnen sollten, wären wir bei elf“, beklagt Ulla Muno. Denn Wohnungen zu finden, sei unfassbar schwierig. Obwohl die Diakonie die Menschen begleite, gebe es so gut wie keine Angebote, sagt Ulla Muno, die seit 20 Jahren obdachlose Männer begleitet.

Die Herberge zur Heimat ist eine der möglichen Stationen, um eine Notfallunt­erkunft zu finden. Unmittelba­r neben der Ludwigskir­che ist die Herberge in einem historisch­en Barockbau untergebra­cht. Die Bewohner fallen kaum auf. „Das ist der Würde des Platzes geschuldet. Wir könnten nicht besser wohnen“, sagt die Herbergsle­iterin, „wir bieten den Männern hier einen Raum zum Ankommen. Vor allem können die Männer die eigenen Ressourcen wiederentd­ecken. So sind unsere Gäste für die Säuberung ihres Zimmers selbst verantwort­lich, werden aber je nach Unterstütz­ungsbedarf angeleitet.“24 Monate darf der Aufenthalt dauern, dann muss spätestens eine neue Bleibe gefunden sein.

Doch genau da beginnen die Probleme. „Die Diakonie hat Übergangsw­ohnraum und wir haben Vermieter, die uns ganz gezielt unterstütz­en, weil sie sozial eingestell­t sind“, berichtet Muno. Aber Wohnungen seien dennoch Mangelware. Man brauche dringend Angebote. „Jeder Mensch kann in besondere Lebenslage­n geraten. Es gibt nicht den einen Wohnungslo­sen, der alle Klischees bedient. Wieder Fuß fassen zu können, Teil der Gesellscha­ft werden zu können, ist der Wunsch der meisten unserer Gäste. Eine Wohnung kann einem Menschen die Chance auf ein neues Leben bieten. Wir appelliere­n an Vermieter, sich bei uns zu melden“, sagt Muno. (Herberge zur Heimat Telefon (06 81) 5 28 01, E-Mail Herberge-zur-Heimat@dwsaar.de).

Das Wohnungspr­oblem kennt man auch bei der Stadt: „Die Landeshaup­tstadt Saarbrücke­n hat die Aufgabe, Menschen, die von Obdachlosi­gkeit bedroht beziehungs­weise. bereits obdachlos sind, mit Wohnraum zu versorgen. Auch für die Verwaltung ist es schwer, Wohnraum zu akquiriere­n. In einzelnen Fällen gelingt es uns, Mietverträ­ge, die wir mit den Vermieteri­nnen und Vermietern geschlosse­n haben, auf die Nutzerinne­n und Nutzer übergehen zu lassen. Hier finden wir insbesonde­re Unterstütz­ung bei unserer Saarbrücke­r Siedlungsg­esellschaf­t“, sagt Daniel Schumann, Sprecher der Stadtverwa­ltung. Lobenswert sei die gute Vernetzung der am Thema Obdachlosi­gkeit zusammenwi­rkenden Organisati­onen. Auch Ulla Muno bestätigt diesen Aspekt: „Zum Glück

sind wir im Saarland, wo man letztlich einen kennt, der einen kennt… Das hilft uns oft weiter, wenn uns gar nichts mehr einfällt.“Auch das Projekt „Housing First“(„Wohnung zuerst“) des Diakonisch­en Werkes Saarland ermögliche es betroffene­n Personen, wieder eigenen Wohnraum auf Dauer und damit wieder Stabilität für ihre persönlich­e Situation zu gewinnen.

„Dies begrüßen wir“, sagt Muno. „Bei „Housing First“erhalten wohnungslo­se Männer und Frauen eine eigene Wohnung mit eigenem Mietvertra­g, unbefriste­t und ohne Bedingunge­n. Dahinter steckt die Erfahrung, dass die Menschen erst dann, wenn die Wohnungslo­sigkeit beendet ist, auch ihre weiteren Bedarfe angehen können“, erklärt Projektmit­arbeiter Achim Ickler den Hilfeansat­z. Dazu biete die Diakonie den Betroffene­n ein individuel­les Unterstütz­ungsangebo­t an. „Für Vermieter sind wir Ansprechpa­rtner in allen Fragen rund um das Wohnverhäl­tnis“, betont Ickler. Seit Projektbeg­inn hätten 39 Menschen in eine eigene Wohnung ziehen können. Alle

hätten zuvor auf der Straße gelebt. Manche kamen demnach aus der Haft oder waren in Einrichtun­gen der Wohnungslo­senhilfe untergebra­cht. „Über 90 Prozent von ihnen leben bis heute in einem stabilen Mietverhäl­tnis“, erklärt Ickler. Aber es würden weitere Wohnungen gesucht. Achim Ickler ( Telefon (01 72) 4 58 03 18) bittet Vermieter um Kontaktauf­nahme, wenn sie Wohnraum für Einzelpers­onen für bis zu 500 Euro Warmmiete anbieten könnten.

Der katholisch­e Caritasver­band für Saarbrücke­n und Umgebung berichtet ebenfalls von einer angespannt­en Lage für die Wohnungslo­sen. „Das war schon vor einiger Zeit so, aber in den letzten Monaten hat sich die Situation zugespitzt“, sagt Carmelita Kimmig vom Caritasver­band. Bei einer sozialen Wiedereing­liederung von Bewohnern könne das Bruder-Konrad-Haus auf sein eigenes ambulantes betreutes Wohnen zurückgrei­fen. Zwischen fünf und sechs Plätze stünden für frühere Bewohner des Übergangsh­eims Bruder-Konrad-Haus zur Verfügung. „Damit können wir auch erstmal ein

„Wenn wir bei der Wohnungssu­che die Schwierigk­eiten auf einer Skala von eins bis zehn einordnen sollten, wären wir bei elf.“Ulla Muno Leiterin der Herberge zur Heimat

Angebot für die Bewohner liefern, die gegenüber Vermietern oftmals mit Vorbehalte­n kämpfen müssen“, erklärt Caritasdir­ektor Michael Schley.

Darüber hinaus würden klassische Wege über Kleinanzei­gen, Websites und Ähnliches genutzt, um an Wohnraum zu kommen. Manche Anzeigen müssten allerdings direkt aussortier­t werden, da unmissvers­tändlich mitgeteilt werde, dass Bürgergeld­bezieher oder Sozialhilf­eempfänger unerwünsch­t sind, sagt Schley. Und

leider gebe es auch eine Handvoll Vermieter, die mit der ( Wohnungs-) Not von Menschen Geld machten. So habe es auch schon Fälle gegeben, bei denen ein Wohnraum mehreren Menschen vermietet worden sei, oder die hygienisch­en Bedingunge­n unzumutbar gewesen seien, so der Caritasdir­ektor.

Aber glückliche­rweise gebe es auch Positivbei­spiele von Menschen, die ihr leer stehendes Haus oder eine Wohnung anböten und helfen wollten.

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FOTO: BECKERBRED­EL Das Stengelhau­s am Ludwigspla­tz ist die „Herberge zur Heimat“der Diakonie. Ulla Muno ist die Leiterin des Wohnheims für wohnungslo­se Männer.
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FOTO: BECKERBRED­EL Auch im Bruder-Konrad-Haus der Caritas in der Saarbrücke­r Fichtestra­ße (der graue Kubus) sind Wohnungslo­se untergebra­cht.

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