Verband der Saarhütten dringt auf Industriestrompreis
Der Verband der Saarhütten fordert die zeitnahe Einführung eines Industriestrompreises. Der Strompreis sei für die energieintensive Industrie in Deutschland zum entscheidenden Standortfaktor geworden. „Wir sind gerade dabei, uns das Genick zu brechen“, sagt Antje Otto, Geschäftsführerin des Verbands der Saarhütten. „Wir brauchen dringend einen befristeten Industriestrompreis von vier bis sechs Cent.“
Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hatte seine Pläne für einen Industriestrompreis Anfang Mai vorgestellt. Demnach soll der Strompreis für energieintensive Industriezweige, die im internationalen Wettbewerb stehen, übergangsweise mit staatlichen Mitteln bei sechs Cent pro Kilowattstunde gedeckelt werden. So soll die Abwanderung wichtiger Unternehmen verhindert werden, bis genug Strom mit Erneuerbaren produziert wird, um den Preis ohne Subventionen niedrig zu halten. Der Industriestrompreis soll bis kommendes Frühjahr eingeführt werden, weil dann die Strompreisbremsen auslaufen. Unternehmensvertreter und Gewerkschaften der energieintensiven Industriezweige begrüßen die Pläne. Andere Wirtschaftsverbände und etwa der Steuerzahlerbund kritisieren das Konzept jedoch insbesondere als zu teuer. Dem schlossen sich auch die FDP und das von ihr geführte Finanzministerium an. Habeck hat sich aber zuversichtlich gezeigt, dass seine Pläne trotz der strikten Ablehnung des Koalitionspartners noch umgesetzt werden können und es in den kommenden
Monaten eine Einigung geben wird.
Dem Saarhütten-Verband, der nach eigenen Angaben 20 Unternehmen mit rund 13 300 Beschäftigten vertritt, dauert das zu lange. Verbandsgeschäftsführerin Antje Otto warnt davor, auf Zeit zu spielen: „Der Verband der Saarhütten sieht die Einführung eines Industriestrompreises von vier bis sechs Cent als zwingend erforderlich an, um die saarländische Stahlindustrie zu unterstützen und die deutsche Industrie insgesamt zu stärken. Ein solcher Preisrahmen sollte speziell auf die Bedürfnisse der energieintensiven Industrie abgestimmt sein und reduzierte Stromkosten ermöglichen.“Dadurch würden die Unternehmen in der Lage sein, ihre Wettbewerbsposition auf internationaler Ebene zu behaupten und weiterhin „hochwertige Arbeitsplätze“in der Region zu sichern. Dabei sei Zeit ein entscheidender Faktor. „Der Wohlstand in Deutschland, wie auch im Saarland, beruht wesentlich auf der Stärke unserer Industrie“, sagt Otto.
„Carbon Leakage“, also die Verlagerung von emissionsreichen Industrien in andere Länder, um Auflagen für Treibhausgasemissionen zu umgehen, sei nicht mehr nur eine drohende Gefahr, sondern längst Realität. Während die jährliche Rohstahlproduktion in Deutschland zwischen 2010 und 2019 konstant über 40 Millionen Tonnen lag, zeige der Trend der letzten Jahre, dass sie deutlich abnimmt, obwohl die weltweit produzierte Menge an Rohstahl in den letzten zehn Jahren um über 30 Prozent angestiegen sei.
Am Dienstag hat sich die Wirtschaftsweise Monika Schnitzer skeptisch zu den Plänen des Wirtschaftsministeriums zur Einführung eines Industriestrompreises geäußert. Sie halte dies für „heikel“, sagte sie den Funke-Zeitungen. „Wenn wir jetzt die Strompreise nicht massiv subventionieren, wird es einen Strukturwandel geben“, ist sie überzeugt, jedoch: „Das ist an sich nicht schlecht.“Deshalb werde „nicht die ganze Industrie abwandern“.
Es sei außerdem „nicht sehr zukunftsgerichtet“, immer nur die aktuelle Wirtschaftsstruktur zu erhalten, sagte Schnitzer weiter. „Wir sollten uns auf die Herstellung hochwertiger Produkte konzentrieren – und nicht um jeden Preis die Grundstoffindustrie erhalten.“
Zudem seien die Energiepreise nur einer von vielen Standortfaktoren, und die Firmen seien bislang mit den hohen Kosten zurechtgekommen. Und wenn die besonders energieintensiven Unternehmen ihre Produktion ins Ausland verlagerten, „würde das unsere Wertschöpfung nicht entscheidend mindern“, sagte Schnitzer. „Das können wir verkraften.“
Das Saarland wird in den nächsten Jahren weitaus mehr Strom benötigen als heute. Allein mit der für 2027 geplanten Umstellung auf grünen Stahl wird sich der Bedarf des Landes an Elektrizität nach einer aktuellen Hochrechnung mehr als verdoppeln. Die Stahl-Holding Saar, Muttergesellschaft von Saarstahl und Dillinger Hütte, geht davon aus, dass ihre Werke künftig 12,7 Terawattstunden ( TWh) Strom pro Jahr benötigen werden. Zum Vergleich: Der jährliche Verbrauch aller Privathaushalte und der gesamten Wirtschaft im Saarland beträgt im Durchschnitt rund acht TWh, von denen derzeit 20 Prozent aus erneuerbaren Energien kommen.