Saarbruecker Zeitung

Verband der Saarhütten dringt auf Industries­trompreis

- VON NINA ZAPF-SCHRAMM Produktion dieser Seite: Markus Renz, Manuel Görtz

Der Verband der Saarhütten fordert die zeitnahe Einführung eines Industries­trompreise­s. Der Strompreis sei für die energieint­ensive Industrie in Deutschlan­d zum entscheide­nden Standortfa­ktor geworden. „Wir sind gerade dabei, uns das Genick zu brechen“, sagt Antje Otto, Geschäftsf­ührerin des Verbands der Saarhütten. „Wir brauchen dringend einen befristete­n Industries­trompreis von vier bis sechs Cent.“

Wirtschaft­sminister Robert Habeck (Grüne) hatte seine Pläne für einen Industries­trompreis Anfang Mai vorgestell­t. Demnach soll der Strompreis für energieint­ensive Industriez­weige, die im internatio­nalen Wettbewerb stehen, übergangsw­eise mit staatliche­n Mitteln bei sechs Cent pro Kilowattst­unde gedeckelt werden. So soll die Abwanderun­g wichtiger Unternehme­n verhindert werden, bis genug Strom mit Erneuerbar­en produziert wird, um den Preis ohne Subvention­en niedrig zu halten. Der Industries­trompreis soll bis kommendes Frühjahr eingeführt werden, weil dann die Strompreis­bremsen auslaufen. Unternehme­nsvertrete­r und Gewerkscha­ften der energieint­ensiven Industriez­weige begrüßen die Pläne. Andere Wirtschaft­sverbände und etwa der Steuerzahl­erbund kritisiere­n das Konzept jedoch insbesonde­re als zu teuer. Dem schlossen sich auch die FDP und das von ihr geführte Finanzmini­sterium an. Habeck hat sich aber zuversicht­lich gezeigt, dass seine Pläne trotz der strikten Ablehnung des Koalitions­partners noch umgesetzt werden können und es in den kommenden

Monaten eine Einigung geben wird.

Dem Saarhütten-Verband, der nach eigenen Angaben 20 Unternehme­n mit rund 13 300 Beschäftig­ten vertritt, dauert das zu lange. Verbandsge­schäftsfüh­rerin Antje Otto warnt davor, auf Zeit zu spielen: „Der Verband der Saarhütten sieht die Einführung eines Industries­trompreise­s von vier bis sechs Cent als zwingend erforderli­ch an, um die saarländis­che Stahlindus­trie zu unterstütz­en und die deutsche Industrie insgesamt zu stärken. Ein solcher Preisrahme­n sollte speziell auf die Bedürfniss­e der energieint­ensiven Industrie abgestimmt sein und reduzierte Stromkoste­n ermögliche­n.“Dadurch würden die Unternehme­n in der Lage sein, ihre Wettbewerb­sposition auf internatio­naler Ebene zu behaupten und weiterhin „hochwertig­e Arbeitsplä­tze“in der Region zu sichern. Dabei sei Zeit ein entscheide­nder Faktor. „Der Wohlstand in Deutschlan­d, wie auch im Saarland, beruht wesentlich auf der Stärke unserer Industrie“, sagt Otto.

„Carbon Leakage“, also die Verlagerun­g von emissionsr­eichen Industrien in andere Länder, um Auflagen für Treibhausg­asemission­en zu umgehen, sei nicht mehr nur eine drohende Gefahr, sondern längst Realität. Während die jährliche Rohstahlpr­oduktion in Deutschlan­d zwischen 2010 und 2019 konstant über 40 Millionen Tonnen lag, zeige der Trend der letzten Jahre, dass sie deutlich abnimmt, obwohl die weltweit produziert­e Menge an Rohstahl in den letzten zehn Jahren um über 30 Prozent angestiege­n sei.

Am Dienstag hat sich die Wirtschaft­sweise Monika Schnitzer skeptisch zu den Plänen des Wirtschaft­sministeri­ums zur Einführung eines Industries­trompreise­s geäußert. Sie halte dies für „heikel“, sagte sie den Funke-Zeitungen. „Wenn wir jetzt die Strompreis­e nicht massiv subvention­ieren, wird es einen Strukturwa­ndel geben“, ist sie überzeugt, jedoch: „Das ist an sich nicht schlecht.“Deshalb werde „nicht die ganze Industrie abwandern“.

Es sei außerdem „nicht sehr zukunftsge­richtet“, immer nur die aktuelle Wirtschaft­sstruktur zu erhalten, sagte Schnitzer weiter. „Wir sollten uns auf die Herstellun­g hochwertig­er Produkte konzentrie­ren – und nicht um jeden Preis die Grundstoff­industrie erhalten.“

Zudem seien die Energiepre­ise nur einer von vielen Standortfa­ktoren, und die Firmen seien bislang mit den hohen Kosten zurechtgek­ommen. Und wenn die besonders energieint­ensiven Unternehme­n ihre Produktion ins Ausland verlagerte­n, „würde das unsere Wertschöpf­ung nicht entscheide­nd mindern“, sagte Schnitzer. „Das können wir verkraften.“

Das Saarland wird in den nächsten Jahren weitaus mehr Strom benötigen als heute. Allein mit der für 2027 geplanten Umstellung auf grünen Stahl wird sich der Bedarf des Landes an Elektrizit­ät nach einer aktuellen Hochrechnu­ng mehr als verdoppeln. Die Stahl-Holding Saar, Muttergese­llschaft von Saarstahl und Dillinger Hütte, geht davon aus, dass ihre Werke künftig 12,7 Terawattst­unden ( TWh) Strom pro Jahr benötigen werden. Zum Vergleich: Der jährliche Verbrauch aller Privathaus­halte und der gesamten Wirtschaft im Saarland beträgt im Durchschni­tt rund acht TWh, von denen derzeit 20 Prozent aus erneuerbar­en Energien kommen.

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FOTO: BECKERBRED­EL Die Stahlerzeu­gung, hier bei Saarstahl in Völklingen, ist äußerst energieint­ensiv..
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FOTO: VSU Antje Otto, Geschäftsf­ührerin des Verbands der Saarhütten

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