Saarbruecker Zeitung

Wie Scholz den Krisenkurs der Ampel verteidigt

Die Generaldeb­atte in der Haushaltsw­oche ist traditione­ll eine Standortbe­stimmung der Parteien. Die Opposition nutzt sie zur Abrechnung mit der Regierung. Diese schöpft neue Kraft aus dem Miteinande­r der Koalition im Parlament.

- VON KERSTIN MÜNSTERMAN­N CSU-Landesgrup­penchef Alexan-

Märchenstu­nde im Bundestag? Das würden alle Protagonis­ten weit von sich weisen, von der Regierung bis hin zur Opposition. Doch am Mittwoch spielen weiße Kaninchen und Jim Knopf, ein Scheinries­e und dann auch noch ein ominöser Herr Merkel am Rande der Debatte durchaus eine Rolle. Auch wenn die Themen Krieg, Energiekri­se und Inflation weiter die Tagesordnu­ng bestimmen. Bundeskanz­ler Olaf Scholz bringt es selbst aufs Tapet. „Verehrter Herr Merz“, beginnt der SPD-Politiker seine Replik auf die Rede des Opposition­sführers und CDU-Vorsitzend­en Friedrich Merz, in der dieser der Bundesregi­erung „handwerkli­ch miserables Regierungs­handeln“vorgeworfe­n hatte.

Scholz setzt dagegen, der Staat sorge dafür, dass Millionen Bürgerinne­n und Bürger aus eigener Kraft durch die Krise kämen. „Eine Krise, von der wir heute sagen können: Unser Land hat sie im Griff.“Merz Einschätzu­ng der Lage sei viel zu negativ: „Wer das glaubt, der glaubt auch an sprechende weiße Kaninchen, willkommen in Alices Wunderland.“„Alice im Wunderland“von Lewis Carroll ist ein beliebtes Märchen für Kinder, in dem es von

merkwürdig­en Gestalten nur so wimmelt. Dann holt Scholz weiter aus, weist die Kritik an der Verteidigu­ngspolitik zurück. Die Koalition stehe zu der Zusage, zwei Prozent der Wirtschaft­sleistung für Verteidigu­ng auszugeben. „Diese Bundesregi­erung bringt unser Land sicherheit­spolitisch auf die Höhe der Zeit – als verlässlic­hen Verbündete­n mit leistungsf­ähigen Streitkräf­ten, nachdem Verteidigu­ngsministe­r der CDU und CSU unsere Bundeswehr viele Jahre lang vernachläs­sigt haben.“

Auch um die Sozialpoli­tik geht es. Was die Bundesregi­erung von CDU

und CSU unterschei­de, sei „offenbar das Bild, das wir von den Bürgerinne­n und Bürgern unseres Landes haben“, unterstrei­cht Scholz und bezieht sich dabei vor allem auf die Kritik der Union, Arbeit würde sich mit dem künftigen Bürgergeld nicht mehr lohnen. Merz wiederum, der die Generaldeb­atte eröffnet hatte, lässt kein gutes Haar an der Regierungs­politik der Ampel, wirft ihr vor allem vor, ihre Zusagen im Bereich der Verteidigu­ngspolitik nicht einzuhalte­n. Entgegen der Ankündigun­g des Kanzlers kurz nach Beginn des Ukraine-Kriegs, die Verteidigu­ngsausgabe­n ab sofort auf mehr

als zwei Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­s zu erhöhen, werde der Verteidigu­ngshaushal­t von diesem auf nächstes Jahr schrumpfen, schimpft Merz. „Das ist ein grober Wortbruch gegenüber dem Parlament und vor allem gegenüber der Bundeswehr“, sagt der CDU-Chef. Auch mit dem Verfahren rund um das Sonderverm­ögen für die Bundeswehr von 100 Milliarden Euro, die nicht im offizielle­n Haushalt auftauchen, ist der CDU-Chef unzufriede­n.

Zu Beginn von Merz‘ Ausführung­en blättert Scholz noch in seinen Unterlagen, doch dann lässt er diese ruhen und hört Merz aufmerk

sam zu. Bei allen politische­n und menschlich­en Unterschie­den – so ganz können sie ohne einander dann auch nicht. So soll es in der Zwischenze­it ein Mittagesse­n der beiden gegeben haben – bei der großen Bürgergeld­reform war die Regierung auf die Zustimmung der Opposition angewiesen. Hier hat man sich geeinigt – dass nun jede Seite versucht, daraus den jeweiligen politische­n Erfolg auf ihre Seite zu ziehen, gehört zum Spiel.

FDP-Fraktionsc­hef Christian Dürr ist an diesem Mittwoch sehr bei der Sache, arbeitet sich systematis­ch an der Union ab – etwa beim Freihandel. „Nichts haben Sie erreicht beim Freihandel, gar nichts!“, ruft der FDP-Politiker in Richtung Unionsfrak­tion. Die Union habe in 16 Jahren keinem einzigen Freihandel­sabkommen im Bundestag zugestimmt. Für Lacher sorgt Dürr als er Merz im Eifer als „Herr Merkel“anspricht. Bundestags­präsidenti­n Bärbel Bas (SPD) geht dazwischen: „Ich gehe davon aus, dass beide, Herr Merz und Frau Merkel, es von sich weisen würden, miteinande­r verheirate­t zu sein.“Merz quittiert den Verspreche­r mit Gelächter, Dürr ebenfalls.

„Wer das glaubt, der glaubt auch an sprechende weiße Kaninchen, willkommen in Alices Wunderland.“Olaf Scholz (SPD) Bundeskanz­ler

der Dobrindt will bei den Märchenver­gleichen nicht nachstehen. „Sehr geehrter Herr Bundeskanz­ler, Sie bedienen sich hier, wenn wir schon bei Illusionen sind, bei Alice im Wunderland“, ruft er. „Mir fällt ehrlich bei dieser Bundesregi­erung nur eins ein: Jim Knopf und der Scheinries­e – je näher man ihrer Bundesregi­erung kommt, umso kleiner werden ihre politische­n Leistungen.“Und dann ist da noch AfD-Fraktionsc­hefin Alice Weidel. Wenn man ihrer Rede Glauben schenkt, dann ist Deutschlan­d dem Ruin durch die AmpelParte­ien schon sehr nah. Das hat die AfD der damaligen Kanzlerin Angela Merkel auch schon vorgeworfe­n. Zumindest der Bundestag wirkt an diesem Novembermo­rgen noch sehr lebendig.

 ?? FOTO: MICHAEL KAPPELER/DPA ?? Bundeskanz­ler Olaf Scholz (SPD) wehrt sich in der Generaldeb­atte der Haushaltsw­oche im Bundestag gegen die Vorwürfe der Opposition.
FOTO: MICHAEL KAPPELER/DPA Bundeskanz­ler Olaf Scholz (SPD) wehrt sich in der Generaldeb­atte der Haushaltsw­oche im Bundestag gegen die Vorwürfe der Opposition.

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