Wie Scholz den Krisenkurs der Ampel verteidigt
Die Generaldebatte in der Haushaltswoche ist traditionell eine Standortbestimmung der Parteien. Die Opposition nutzt sie zur Abrechnung mit der Regierung. Diese schöpft neue Kraft aus dem Miteinander der Koalition im Parlament.
Märchenstunde im Bundestag? Das würden alle Protagonisten weit von sich weisen, von der Regierung bis hin zur Opposition. Doch am Mittwoch spielen weiße Kaninchen und Jim Knopf, ein Scheinriese und dann auch noch ein ominöser Herr Merkel am Rande der Debatte durchaus eine Rolle. Auch wenn die Themen Krieg, Energiekrise und Inflation weiter die Tagesordnung bestimmen. Bundeskanzler Olaf Scholz bringt es selbst aufs Tapet. „Verehrter Herr Merz“, beginnt der SPD-Politiker seine Replik auf die Rede des Oppositionsführers und CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz, in der dieser der Bundesregierung „handwerklich miserables Regierungshandeln“vorgeworfen hatte.
Scholz setzt dagegen, der Staat sorge dafür, dass Millionen Bürgerinnen und Bürger aus eigener Kraft durch die Krise kämen. „Eine Krise, von der wir heute sagen können: Unser Land hat sie im Griff.“Merz Einschätzung der Lage sei viel zu negativ: „Wer das glaubt, der glaubt auch an sprechende weiße Kaninchen, willkommen in Alices Wunderland.“„Alice im Wunderland“von Lewis Carroll ist ein beliebtes Märchen für Kinder, in dem es von
merkwürdigen Gestalten nur so wimmelt. Dann holt Scholz weiter aus, weist die Kritik an der Verteidigungspolitik zurück. Die Koalition stehe zu der Zusage, zwei Prozent der Wirtschaftsleistung für Verteidigung auszugeben. „Diese Bundesregierung bringt unser Land sicherheitspolitisch auf die Höhe der Zeit – als verlässlichen Verbündeten mit leistungsfähigen Streitkräften, nachdem Verteidigungsminister der CDU und CSU unsere Bundeswehr viele Jahre lang vernachlässigt haben.“
Auch um die Sozialpolitik geht es. Was die Bundesregierung von CDU
und CSU unterscheide, sei „offenbar das Bild, das wir von den Bürgerinnen und Bürgern unseres Landes haben“, unterstreicht Scholz und bezieht sich dabei vor allem auf die Kritik der Union, Arbeit würde sich mit dem künftigen Bürgergeld nicht mehr lohnen. Merz wiederum, der die Generaldebatte eröffnet hatte, lässt kein gutes Haar an der Regierungspolitik der Ampel, wirft ihr vor allem vor, ihre Zusagen im Bereich der Verteidigungspolitik nicht einzuhalten. Entgegen der Ankündigung des Kanzlers kurz nach Beginn des Ukraine-Kriegs, die Verteidigungsausgaben ab sofort auf mehr
als zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu erhöhen, werde der Verteidigungshaushalt von diesem auf nächstes Jahr schrumpfen, schimpft Merz. „Das ist ein grober Wortbruch gegenüber dem Parlament und vor allem gegenüber der Bundeswehr“, sagt der CDU-Chef. Auch mit dem Verfahren rund um das Sondervermögen für die Bundeswehr von 100 Milliarden Euro, die nicht im offiziellen Haushalt auftauchen, ist der CDU-Chef unzufrieden.
Zu Beginn von Merz‘ Ausführungen blättert Scholz noch in seinen Unterlagen, doch dann lässt er diese ruhen und hört Merz aufmerk
sam zu. Bei allen politischen und menschlichen Unterschieden – so ganz können sie ohne einander dann auch nicht. So soll es in der Zwischenzeit ein Mittagessen der beiden gegeben haben – bei der großen Bürgergeldreform war die Regierung auf die Zustimmung der Opposition angewiesen. Hier hat man sich geeinigt – dass nun jede Seite versucht, daraus den jeweiligen politischen Erfolg auf ihre Seite zu ziehen, gehört zum Spiel.
FDP-Fraktionschef Christian Dürr ist an diesem Mittwoch sehr bei der Sache, arbeitet sich systematisch an der Union ab – etwa beim Freihandel. „Nichts haben Sie erreicht beim Freihandel, gar nichts!“, ruft der FDP-Politiker in Richtung Unionsfraktion. Die Union habe in 16 Jahren keinem einzigen Freihandelsabkommen im Bundestag zugestimmt. Für Lacher sorgt Dürr als er Merz im Eifer als „Herr Merkel“anspricht. Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) geht dazwischen: „Ich gehe davon aus, dass beide, Herr Merz und Frau Merkel, es von sich weisen würden, miteinander verheiratet zu sein.“Merz quittiert den Versprecher mit Gelächter, Dürr ebenfalls.
„Wer das glaubt, der glaubt auch an sprechende weiße Kaninchen, willkommen in Alices Wunderland.“Olaf Scholz (SPD) Bundeskanzler
der Dobrindt will bei den Märchenvergleichen nicht nachstehen. „Sehr geehrter Herr Bundeskanzler, Sie bedienen sich hier, wenn wir schon bei Illusionen sind, bei Alice im Wunderland“, ruft er. „Mir fällt ehrlich bei dieser Bundesregierung nur eins ein: Jim Knopf und der Scheinriese – je näher man ihrer Bundesregierung kommt, umso kleiner werden ihre politischen Leistungen.“Und dann ist da noch AfD-Fraktionschefin Alice Weidel. Wenn man ihrer Rede Glauben schenkt, dann ist Deutschland dem Ruin durch die AmpelParteien schon sehr nah. Das hat die AfD der damaligen Kanzlerin Angela Merkel auch schon vorgeworfen. Zumindest der Bundestag wirkt an diesem Novembermorgen noch sehr lebendig.