Als die Werbung in den Rundfunk kam
Am 28. August 1922 erklang in einem US-amerikanischen Sender die erste Radioreklame der Geschichte. Bis das neue Medium und die neue Ansprache auch Deutschland eroberten, dauerte es noch ein wenig.
NEW YORK (dpa/SZ) Die erste Firma, die den Menschen über neue Medium Radio ein Produkt ans Herz legen wollte, warb für ein neues Lebensgefühl außerhalb New Yorks. „Freunde, Ihr seid es Euch und Eurer Familie schuldig, die verstopfte Stadt zu verlassen und dann das zu genießen, was die Natur für dich vorgesehen hat.“So soll es am 28. August 1922, an diesem Sonntag vor genau 100 Jahren, um 5 Uhr nachmittags aus amerikanischen Empfängern gedröhnt haben, die auf den New Yorker Sender WEAF eingestellt waren. Die Menschen sollten Wohnungen in Jackson Heights kaufen, heute mitten im Stadtteil Queens. Die erste Radiowerbung hatte damit ihre Weltpremiere.
Wer heute das Radio einschaltet, hat sie meist nach einigen Minuten im Ohr: Laute, schrille, manchmal überdrehte, manchmal witzige Spots, in denen oft viel zu schnell geredet wird, um auch ja die Botschaft – gern drei Mal wiederholt – unterzubringen. Ihren Anfang nahm die allgegenwärtige Reklame vor 100 Jahren. Das Radio hatte in den USA zwei Jahre zuvor, 1920, seinen ersten regelmäßigen Betrieb aufgenommen (1923 geht das Radio in Deutschland offiziell auf Sendung).
In Amerika war es dabei kein Zufall, dass der Sender WEAF der noch heute existierenden Telekommunikationsfirma AT&T gehörte. Der öffentliche US-Radiosender NPR erklärte das Konzept des Senders vor einigen Jahren so, dass AT&T damit quasi eine Telefonzelle in die Welt für eine gewisse Zeit auslieh und sich dafür gut bezahlen ließ. Die Firma nannte ihren Dienst „Mautrundfunk“. Und direkt nach den Bauinvestoren von Jackson Heights gingen andere ans Mikro, unter anderem eine Ölgesellschaft und das Finanzinstitut American Express.
Der Sender nahm damit innerhalb weniger Wochen 550 Dollar ein – damals eine stolze Summe. Vier Jahre später jedoch verkaufte AT&T den Sender und kehrte dem Radiogeschäft für immer den Rücken. „Aber es hinterließ die Finanzstruktur, auf der der kommerzielle amerikanische Rundfunk durch Werbung reich werden würde“, so der öffentliche Sender NPR. Übrigens: Die „Hawthorne Court Apartments“in Jackson Heights existieren noch heute. Und es gibt freie Wohnungen: Drei Zimmer für 550 000 Dollar. Für New Yorker Verhältnisse noch erschwinglich. Aber auch das klingt schon fast nach Werbung.