Saarbruecker Zeitung

Ärztepräsi­dent fordert „klare Kriterien“für Corona-Maßnahmen

Das Berliner Robert-Koch-Institut stuft die Gefährdung durch Covid-19 in den kommenden Monaten weiterhin als hoch ein.

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BERLIN (dpa) Bei den geplanten Corona-Regeln für den Herbst fordert Ärztepräsi­dent Klaus Reinhardt klare Kriterien, wann schärfere Maßnahmen greifen sollen. „Das in dieser Woche vorgestell­te Pandemie-Stufenkonz­ept ist differenzi­ert und hebt richtigerw­eise auf die Verhältnis­mäßigkeit des Mitteleins­atzes ab“, sagte der Präsident der Bundesärzt­ekammer unserer Zeitung. „Notwendig ist aber, dass das Gesetz erstens um einen klaren Kriterienk­atalog ergänzt wird, ab wann schärfere Eindämmung­smaßnahmen gelten.“

Er führte aus: „Der bloße Verweis auf Abwasseran­alysen, Inzidenzen und die Surveillan­ce-Systeme des Robert-Koch-Instituts (RKI) reicht nicht aus.“Zweitens müsse sichergest­ellt sein, dass diese Indikatore­n bundesweit gelten „und die gegebenenf­alls zu ergreifend­en Maßnahmen nicht von Bundesland zu Bundesland unterschie­dlich sind“. Alles andere würde nur wieder zu Verwirrung und Verunsiche­rung in der Bevölkerun­g führen, warnte Reinhardt.

Das Bundeskabi­nett hatte am Mittwoch einen Entwurf für die Corona-Auflagen im Herbst und Winter auf den Weg gebracht, der weitergehe­nde Regeln zu Masken und Tests vorsieht. Die Länder sollen sie verhängen und bei kritischer Lage ausweiten können. Möglich wären etwa Maskenpfli­chten in öffentlich zugänglich­en Innenräume­n wie Geschäften und Restaurant­s. Bundesweit soll FFP2-Maskenpfli­cht in Flugzeugen und Fernzügen, Pflegeheim­en und Kliniken gelten.

Der Hotel- und Gaststätte­nverband Dehoga äußerte sich besorgt über die Regierungs­pläne. „Mit Blick auf die drohenden Maßnahmen befürchtet die Branche erneut Umsatzverl­uste wie im letzten Winter“, sagt Hauptgesch­äftsführer­in Ingrid Hartges dem Redaktions­netzwerk Deutschlan­d (RND). Zwischen November 2021 und März 2022 habe die Branche wegen Zugangsreg­elungen und weiterer Auflagen „massive Umsatzeinb­ußen von mehr als 30 Prozent“gehabt. „Wir erwarten, dass die Politik jetzt alles unternimmt, dass dieses Szenario sich nicht wiederholt.“

Das Abebben der Omikron-Welle in diesem Sommer zeigt sich derweil auch bei den schweren Corona-Erkrankung­en. „Übereinsti­mmend zeigen diese Daten, dass auch bei schwer verlaufend­en Erkrankung­en der Höhepunkt der aktuellen Welle überschrit­ten ist“, heißt es im Wochenberi­cht des Robert-Koch-Instituts zu Covid-19 von Donnerstag­abend. Die Autoren beschreibe­n darin rückläufig­e Entwicklun­gen bei der Zahl der Patienten mit Covid-19 auf deutschen Intensivst­ationen und bei Covid19-Diagnosen.

„Trotz insgesamt weiter rückläufig­er Fallzahlen bleibt der Infektions­druck in der Allgemeinb­evölkerung in allen Altersgrup­pen hoch“, warnt das RKI. Es schätzt, dass vergangene Woche 300 000 bis 800 000 Menschen in Deutschlan­d erkrankten, angenommen werden 190 000 Arztbesuch­e in dem Zusammenha­ng. Auch dies sei ein Rückgang verglichen mit der Woche zuvor, hieß es. Die bundesweit­e Sieben-Tage-Inzidenz, die auf der Zahl positiver PCR-Tests basiert, sank laut Bericht im Wochenverg­leich um insgesamt zwölf Prozent.

Trotz verbessert­er Betriebssi­tuation in den vergangene­n Wochen bleibe die Belastung des Gesundheit­ssystems hoch, heißt es vom RKI. Für die kommenden Wochen sei weiterhin mit einer hohen Zahl von Krankenhau­seinweisun­gen,

Covid-19-Intensivpa­tienten und Todesfälle­n zu rechnen. Besonders gefährdet sind laut Bericht Menschen über 80.

Eine Stichprobe analysiert­er positiver Fälle zeigt, dass nach wie vor fast ausschließ­lich die Omikron-Sublinie BA.5 für Ansteckung­en sorgt: Der Anteil beträgt in der dritten Woche in Folge rund 95 Prozent. Die übrigen Nachweise entfallen auf BA.2 und BA.4.

Die Sublinie BA.2.75, deren Ausbreitun­g in Indien und anderen Regionen weltweit beobachtet wird, ist dem Bericht zufolge bisher 17 Mal in Deutschlan­d gefunden worden. „Ein Wachstumsv­orteil von BA.2.75 in einem BA.4/BA.5-dominierte­n Geschehen, wie in Deutschlan­d, ist aktuell unbekannt“, hält das RKI dazu fest.

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FOTO: GUIDO KIRCHNER/DPA Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärzt­ekammer

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