Eine Krisendiplomatin auf heikler Mission
ANALYSE Frankreichs neue Außenministerin Catherine Colonna bringt viel internationale Erfahrung mit. Ihr größtes Problem sitzt allerdings im eigenen Ministerium.
PARIS Als Catherine Colonna vor zwei Wochen im imposanten Uhrensaal des Außenministeriums eine Rede hielt, wirkte sie weder unsicher noch eingeschüchtert. Die 66-jährige Spitzendiplomatin fühlte sich im Gegenteil sichtlich wohl im vergoldeten Dekor des Pariser Quai d’Orsay, dem traditionsreichen Sitz der französischen Diplomatie. Dass Präsident Emmanuel Macron sie zu seiner Außenministerin machte, war eine faustdicke Überraschung. Wer allerdings den Lebenslauf der resoluten Absolventin mehrerer Eliteschulen liest, erkennt die Logik, die in dieser Entscheidung liegt.
Colonna fing direkt nach ihrem Abschluss an der Verwaltungshochschule ENA im Außenministerium an. Landesweit bekannt wurde sie Mitte der 1990er Jahre, als der konservative Präsident Jacques Chirac sie zu seiner Regierungssprecherin ernannte. Neun Jahre lang erfüllte sie die anspruchsvolle Aufgabe, die sie 2003 dazu brachte, der Welt das französische Nein zum Irak-Krieg zu erklären. Chirac vertraute der krisenerprobten Frau, die nach eigenen Angaben politisch eher links steht, bis zum Schluss blind. Ein Foto aus jener Zeit zeigt den hochgewachsenen Staatschef, wie er sich zu seiner Sprecherin herunterbeugt, um ihr aufmerksam zuzuhören. Wohl als Dank für ihre treuen Dienste wurde Colonna 2005 zur beigeordneten Ministerin für Europaangelegenheiten befördert.
Nach dem Ende von Chiracs Amtszeit wechselte die Tochter eines korsischen Anwalts und einer Lehrerin in die Privatwirtschaft, um danach Botschafterin zu werden – erst in Rom und dann in London. Ihre Ernennung zur Chefdiplomatin gilt nun als Friedenssignal ans Außenministerium, wo die Stimmung durch die angekündigte Abschaffung des diplomatischen Korps aufgeheizt ist. Macron will die klassische Diplomatenkarriere im nächsten Jahr auslaufen lassen. Statt Berufsdiplomaten soll es künftig hohe Beamte geben, die beliebig auf Posten in der Provinz oder im Ausland eingesetzt werden können. Ausgebildet werden soll die neue Elite am Institut für den öffentlichen Dienst, das die viel kritisierte ENA ersetzt.
Mit Colonna als Diplomatin der alten Schule zeigt der Präsident allerdings, dass er den klassischen Werdegang durchaus noch zu würdigen weiß. „Sie können darauf zählen, dass ich nie vergessen werde, wer ich bin und wo ich herkomme“, sagte Colonna bei ihrer Amtsübernahme. Den Diplomatinnen und Diplomaten versicherte sie, sie hätten ihr „ganzes Vertrauen.“Ihre Streicheltherapie reichte allerdings nicht aus, um einen Streik gegen die Reform am Donnerstag zu verhindern: Hunderte Mitglieder des diplomatischen Korps protestierten mit einer Arbeitsniederlegung gegen Macrons Pläne. „Diese Reform zeigt den unverständlichen Willen, unser Ministerium zu untergraben, mit dem Risiko, dauerhaft die Fähigkeit unseres Landes zu schwächen, sich in der Welt zu profilieren und zu verteidigen“, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung mehrerer Gewerkschaften.
Colonna selbst äußerte sich bisher nicht zu der Reform. Dafür absolvierte die neue Ministerin bereits mehrere Auslandsreisen. Anfang der Woche besuchte sie überraschend die Ukraine, wo sie auch Präsident Wolodymyr Selenskyj traf. In Kiew war die Visite eines französischen Regierungsvertreters schon lange erwartet worden, doch Colonnas Vorgänger Jean-Yves Le Drian hatte in dieser Hinsicht wenig Ehrgeiz gezeigt. Der Besuch der neuen Außenministerin fiel mit dem Tod eines französischen Fernsehjournalisten in der Nähe von Sjewjerodonezk zusammen, wo der 32-Jährige vermutlich durch einen russischen Angriff starb. Die Außenministerin sprach von einem „Drama, das in Wirklichkeit ein Verbrechen ist.“