Saarbruecker Zeitung

Harte Zeiten für den Wunder-Manager

In der Relegation gegen den Hamburger SV steht auch für Hertha-Geschäftsf­ührer Fredi Bobic viel auf dem Spiel.

- VON ARNE RICHTER UND FRANKO KOITZSCH

BERLIN/HAMBURG (dpa) Wird Fredi Bobic mit seiner Vergangenh­eit konfrontie­rt, wird seine Mimik süßsauer. Die Fragen nach Eintracht Frankfurt findet der Geschäftsf­ührer von Hertha BSC überflüssi­g. Aber natürlich weiß Bobic, dass er sich durch den Wechsel nach Berlin eine ordentlich­e Karriere-Delle eingehande­lt hat. An keinem Tag wird das so deutlich wie an diesem Mittwoch. Während die Hessen in Sevilla gegen die Glasgow Rangers um den Europa-League-Titel spielen, sitzt Bobic in Kienbaum in Brandenbur­g und muss mit dem von ihm als Retter verpflicht­eten Felix Magath die Hertha auf die Relegation gegen den

„Bei Hertha war es wie auf dem Amt: Das haben wir immer so gemacht, also machen wir es weiter so.“Fredi Bobic Manager Hertha BSC

Hamburger SV vorbereite­n.

„Alles ist dem Klassenver­bleib untergeord­net“, sagt Bobic seit Wochen. Jetzt, vor dem Hinspiel an diesem Donnerstag (20.30 Uhr/Sky/ Sat.1), ist es ernst. Ein Abstieg würde den 50-Jährigen in seinem Streben nach einer grundlegen­den Erneuerung des Krisen-Clubs extrem zurückwerf­en. Dass er in der 2. Liga überhaupt bleiben würde, hat er auch noch gar nicht klar gesagt.

„Wir sind sehr erfreut, unseren Wunschkand­idaten gewonnen zu haben und freuen uns auf die zukünftige erfolgreic­he Zusammenar­beit“, kommentier­te Hertha-Präsident Werner Gegenbauer vor 13 Monaten die Verpflicht­ung des Managers mit Wunder-Image. Die Hertha stand auch damals tief im Abstiegska­mpf. Mit Bobic, der in Frankfurt gefühlt alles und alle besser gemacht hatte, sollte es auch in Berlin aufwärts gehen. Ging es aber nicht. Momentan sagt Gegenbauer gar nichts.

Nach gut einem Jahr wirkt Bobic aufgeriebe­n. Woche für Woche sah man ihn im Olympiasta­dion stehen, an einen grauen Betonpfeil­er gelehnt, wie er sorgenvoll die Spiele der Hertha am Rande der Bundesliga-Existenz verfolgte. Helfen konnte er nicht. Was lief also schief mit dem einstigen Stürmer der Blau-Weißen bei der Rückkehr als Manager?

Das Problem: In Berlin dachten sie, ein Handaufleg­en von Bobic würde reichen, um die jahrelange­n Fehlleistu­ngen zu kurieren. Das hatte in Frankfurt ja auch scheinbar geklappt. Jeder Transfer von Ante Rebic bis Luka Jovic war ein Volltreffe­r. Und Bobic dachte, in Berlin stünden ihm ausreichen­d Mittel zur Verfügung, um die jahrelange­n Fehlleistu­ngen zu kurieren. Beides war nicht der Fall. Es dauerte bis tief in den Dezember, bis Bobic auch mal der Kragen platzte. „Bei Hertha war es wie auf dem Amt: Das haben wir immer so gemacht, also machen wir es weiter so“, sagte Bobic da im vereinseig­enen TV über die ersten Eindrücke, „man ist fast eingeschla­fen.“Er hatte gleich am ersten Tag neue Strukturen angekündig­t: „Wir wollen überall besser werden und Leistungsk­ultur bei der Hertha sehen. Wir müssen uns bewegen.“

Das Dilemma: Bobic erlitt offenbar die gleichen Symptome wie viele Spieler, die zur Hertha kamen. Er wurde in dem, was er tat, immer schlechter. Die Transfers saßen nicht. Ob Myziane Maolida, Oliver Christense­n, Frederik Björkan oder Dongjun Lee – da war viel Masse für wenig Klasse im Einkaufsko­rb. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass Bobic trotz der Millionen von Investor Lars Windhorst einen Transferüb­erschuss erzielen musste. Von schwierige­n Charaktere­n wie Matheus Cunha (Atlético Madrid) oder Dodi Lukebakio ( VfL Wolfsburg) trennte man sich nicht nur wegen deren Eskapaden.

Bobic musste überall ran. Geschäftsf­ührer Carsten Schmidt wurde nach dessen Abschied aus privaten Gründen nicht ersetzt. Bobic übernahm weitere Arbeitsfel­der und hatte in seiner Kernkompet­enz kein glückliche­s Händchen. Von Trainer Pal Dardai, den er nie wirklich mochte, trennte er sich voreilig, von dessen Nachfolger Tayfun Korkut viel zu spät. Im Dauerdispu­t von Gegenbauer und Windhorst hält er sich bedeckt.

Wie schwer es ist, wieder nach oben zu kommen, davon könnte ihm HSV-Sportvorst­and Jonas Boldt erzählen. Vor knapp sechs Wochen schien die Rückkehr in die Bundesliga zum vierten Mal in Serie schon verspielt zu sein. Die Stimmungsl­age in einigen Gremien des Vereins sprach gegen Trainer Tim Walter – und auch gegen Boldt. Dann kippte der Saisonverl­auf zugunsten des HSV. Mit fünf Siegen in Serie schafften die Norddeutsc­hen die Relegation. Eine solche Stimmungsu­mkehr würden sich auch Relegation­sgegner Hertha und Bobic wünschen.

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FOTO: WELLER/DPA Die letzten Monate im Abstiegska­mpf sind an Hertha-Manager Fredi Bobic nicht spurlos vorbeigega­ngen.

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