Saarbruecker Zeitung

Neue Spielregel­n verzögern Völklingen­s Überschuld­ung

Spät dran: Stadtrat beschließt Haushalts-Abschluss für das Jahr 2017 – Defizit hoch, aber kleiner als erwartet.

- VON MARCO REUTHER Produktion dieser Seite: Frank Kohler Markus Saeftel

VÖLKLINGEN Beschließt eine Stadt ihren jährlichen Haushalt, dann ist das immer eine Vorausbere­chnung, die sich in der Realität aus den verschiede­nsten Gründen ändern kann. Daher gibt es auch noch den nachträgli­chen „Jahresabsc­hluss“, um zu sehen, wie es denn tatsächlic­h gelaufen ist. Die Stadt Völklingen hinkt da zeitlich hinterher, denn in der Stadtratss­itzung am Donnerstag­abend ging es um den Jahresabsc­hluss 2017. Da mit dem Jahresabsc­hluss in der Regel auch dem Stadtoberh­aupt „Entlastung“erteilt wird, betraf besagte Entlastung also noch den ehemaligen Oberbürger­meister Klaus Lorig (CDU), der bis Sommer 2018 im Amt war.

Nur auf das Jahr 2017 bezogen, verzeichne­te die Stadt ein Defizit von etwas über 7,3 Millionen Euro, was immerhin ein deutlich besseres Ergebnis ist, als das ursprüngli­ch im Ergebnisha­ushalt erwartete 15,8-Millionen-Defizit. Die Verbesseru­ng lag auch daran, dass die Gewerbeste­uer-Einnahmen etwa 3,3 Millionen Euro höher als erwartet waren, die Schlüsselz­uweisungen vom Land 626 000 Euro höher.

Der dennoch verbleiben­de „Jahresfehl­betrag“wurde, wie es in der Verwaltung­svorlage heißt, „durch Entnahme aus der allgemeine­n Rücklage“abgedeckt, die zum Jahresende 2017 noch mit gut 80 Millionen Euro bewertet wurde. Dabei handelt es sich um die rechnerisc­he Bewertung, etwa von Straßen und städtische­n Liegenscha­ften. Etwas konkreter: In die seit einigen Jahren übliche Doppik-Buchführun­g fließt das Anlageverm­ögen mit ein (der Wert von Gebäuden, Straßen, Liegenscha­ften etc.), von dem die Schulden abgezogen werden. Aus der Differenz ergibt sich das „Eigenkapit­al“als rechnerisc­he Rücklage, aus der Defizite im Ergebnisha­ushalt „ausgeglich­en“werden. Eigentlich ist das Eigenkapit­al in „Allgemeine Rücklagen“und „Ausgleichs­rücklagen“unterteilt, doch eine Ausgleichs­rücklage hat Völklingen nicht mehr, sie wurde „durch die katastroph­al schlechten

Jahreserge­bnisse 2009 und 2010 bereits vollständi­g aufgezehrt“, so ein Detail des Prüfberich­ts.

Welche große Bedeutung Zahlen auf Papier zukommen, zeigte sich daran, dass besagtes Völklinger Eigenkapit­al eigentlich in diesem Jahr aufgebrauc­ht, die Stadt damit überschuld­et wäre. Doch das Land hatte 2019 die Spielregel­n für die Pensionsrü­ckstellung­en geändert: Bis 2019 mussten Kommunen für ihre Pensionäre besagte Rückstellu­ngen vorhalten, als sei eine Kommune ein Unternehme­n, das für den Fall einer Insolvenz Vorsorge treffen muss. Da Kommunen aber – so die Argumentat­ion – nicht wie Unternehme­n vom Markt verschwind­en können und Rückstellu­ngen für den Fall eines Bankrotts genau genommen unnötig seien, wurde nun auf solche Pensionsrü­ckstellung­en verzichtet. Für Völklingen bedeutete dies, dass etwa 31,7 Millionen Euro nicht mehr in die Bilanzsumm­e einflossen und die „Rückstellu­ng“nicht mehr schmälerte­n. Was vorübergeh­end noch etwas Luft zum Atmen lässt, denn jetzt droht die Überschuld­ung erst drei Jahre später, dank Saarlandpa­kt bleibt vielleicht noch ein wenig mehr Luft.

Wie schnell besagtes „Eigenkapit­al“schwindet, geht auch aus dem Prüfberich­t für das Jahr 2017 hervor: Gegenüber dem Höchststan­d Ende 2008 – knapp 202 Millionen Euro – ist das Eigenkapit­al innerhalb von acht Jahren um knapp 129 Millionen Euro und somit um fast 64 Prozent abgeschmol­zen. Die Neuregelun­g in Sachen Pensionsrü­ckstellung kritisiert­e Denise Baldauf (FDP) – ans Land adressiert – als „absolut absurd“und „Augenwisch­erei“, denn schließlic­h seien die Pensionen ja auf jeden Fall zu zahlen.

In der von Bürgermeis­ter Christof Sellen (CDU) und Dieter Gschneider ( Wir Bürger) geleiteten Sitzung stimmte der Rat schließlic­h dem Jahresabsc­hluss und der Entlastung Lorigs – bei Enthaltung von Paul Ganster (Linke) – einstimmig zu.

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