Neue Spielregeln verzögern Völklingens Überschuldung
Spät dran: Stadtrat beschließt Haushalts-Abschluss für das Jahr 2017 – Defizit hoch, aber kleiner als erwartet.
VÖLKLINGEN Beschließt eine Stadt ihren jährlichen Haushalt, dann ist das immer eine Vorausberechnung, die sich in der Realität aus den verschiedensten Gründen ändern kann. Daher gibt es auch noch den nachträglichen „Jahresabschluss“, um zu sehen, wie es denn tatsächlich gelaufen ist. Die Stadt Völklingen hinkt da zeitlich hinterher, denn in der Stadtratssitzung am Donnerstagabend ging es um den Jahresabschluss 2017. Da mit dem Jahresabschluss in der Regel auch dem Stadtoberhaupt „Entlastung“erteilt wird, betraf besagte Entlastung also noch den ehemaligen Oberbürgermeister Klaus Lorig (CDU), der bis Sommer 2018 im Amt war.
Nur auf das Jahr 2017 bezogen, verzeichnete die Stadt ein Defizit von etwas über 7,3 Millionen Euro, was immerhin ein deutlich besseres Ergebnis ist, als das ursprünglich im Ergebnishaushalt erwartete 15,8-Millionen-Defizit. Die Verbesserung lag auch daran, dass die Gewerbesteuer-Einnahmen etwa 3,3 Millionen Euro höher als erwartet waren, die Schlüsselzuweisungen vom Land 626 000 Euro höher.
Der dennoch verbleibende „Jahresfehlbetrag“wurde, wie es in der Verwaltungsvorlage heißt, „durch Entnahme aus der allgemeinen Rücklage“abgedeckt, die zum Jahresende 2017 noch mit gut 80 Millionen Euro bewertet wurde. Dabei handelt es sich um die rechnerische Bewertung, etwa von Straßen und städtischen Liegenschaften. Etwas konkreter: In die seit einigen Jahren übliche Doppik-Buchführung fließt das Anlagevermögen mit ein (der Wert von Gebäuden, Straßen, Liegenschaften etc.), von dem die Schulden abgezogen werden. Aus der Differenz ergibt sich das „Eigenkapital“als rechnerische Rücklage, aus der Defizite im Ergebnishaushalt „ausgeglichen“werden. Eigentlich ist das Eigenkapital in „Allgemeine Rücklagen“und „Ausgleichsrücklagen“unterteilt, doch eine Ausgleichsrücklage hat Völklingen nicht mehr, sie wurde „durch die katastrophal schlechten
Jahresergebnisse 2009 und 2010 bereits vollständig aufgezehrt“, so ein Detail des Prüfberichts.
Welche große Bedeutung Zahlen auf Papier zukommen, zeigte sich daran, dass besagtes Völklinger Eigenkapital eigentlich in diesem Jahr aufgebraucht, die Stadt damit überschuldet wäre. Doch das Land hatte 2019 die Spielregeln für die Pensionsrückstellungen geändert: Bis 2019 mussten Kommunen für ihre Pensionäre besagte Rückstellungen vorhalten, als sei eine Kommune ein Unternehmen, das für den Fall einer Insolvenz Vorsorge treffen muss. Da Kommunen aber – so die Argumentation – nicht wie Unternehmen vom Markt verschwinden können und Rückstellungen für den Fall eines Bankrotts genau genommen unnötig seien, wurde nun auf solche Pensionsrückstellungen verzichtet. Für Völklingen bedeutete dies, dass etwa 31,7 Millionen Euro nicht mehr in die Bilanzsumme einflossen und die „Rückstellung“nicht mehr schmälerten. Was vorübergehend noch etwas Luft zum Atmen lässt, denn jetzt droht die Überschuldung erst drei Jahre später, dank Saarlandpakt bleibt vielleicht noch ein wenig mehr Luft.
Wie schnell besagtes „Eigenkapital“schwindet, geht auch aus dem Prüfbericht für das Jahr 2017 hervor: Gegenüber dem Höchststand Ende 2008 – knapp 202 Millionen Euro – ist das Eigenkapital innerhalb von acht Jahren um knapp 129 Millionen Euro und somit um fast 64 Prozent abgeschmolzen. Die Neuregelung in Sachen Pensionsrückstellung kritisierte Denise Baldauf (FDP) – ans Land adressiert – als „absolut absurd“und „Augenwischerei“, denn schließlich seien die Pensionen ja auf jeden Fall zu zahlen.
In der von Bürgermeister Christof Sellen (CDU) und Dieter Gschneider ( Wir Bürger) geleiteten Sitzung stimmte der Rat schließlich dem Jahresabschluss und der Entlastung Lorigs – bei Enthaltung von Paul Ganster (Linke) – einstimmig zu.