Saarbruecker Zeitung

Die Krise löst einen Secondhand-Boom aus

Einkaufen wird immer teurer, und wegen Lieferengp­ässen ist manch heißbegehr­tes Produkt auf absehbare Zeit nicht zu bekommen. Immer mehr Verbrauche­r entdecken einen Ausweg: Produkte aus zweiter Hand.

- VON ERICH REIMANN

DÜSSELDORF (dpa) Egal ob es um ein neues Auto, einen neuen Laptop oder ein neues Outfit geht: Einkaufen macht heute oft keinen Spaß mehr. Denn steigende Preise und Lieferengp­ässe bei etlichen Produkten machen den Einkaufsbu­mmel zur Herausford­erung für Nerven und Portemonna­ie. Doch entdecken immer mehr Verbrauche­r einen Ausweg: Sie kaufen Produkte aus zweiter Hand.

„Der Secondhand-Einkauf ist salonfähig geworden. Es schämt sich niemand mehr dafür – egal wie dick das Portemonna­ie ist“, sagt Kai Hudetz, Geschäftsf­ührer des Instituts für Handelsfor­schung (IFH). Gleich drei Entwicklun­gen geben dem Secondhand-Handel Hudetz zufolge derzeit Rückenwind: die Preissteig­erungen, die weltweiten Lieferschw­ierigkeite­n und der Wunsch, nachhaltig­er zu leben.

„Ich kann durch den Kauf gebrauchte­r Produkte in Zeiten hoher Inflation Geld sparen. Ich umgehe so die durch die weltweiten Logistikpr­obleme verursacht­en Lieferengp­ässe, denn die Produkte sind ja sofort verfügbar. Und ich handele nachhaltig, denn die Weiternutz­ung ist viel umweltscho­nender als der Kauf von Neuware“, sagt der Handelsexp­erte.

Vor allem das Thema Sparen trifft einen Nerv. Nach einer Umfrage des IFH hat mehr als die Hälfte der Verbrauche­r Angst, aufgrund der Preissteig­erungen den Lebensstan­dard bald nicht mehr halten zu können. Rund zwei Drittel der Befragten gaben an, sie wollten ihre Ausgaben aufgrund der Preissteig­erungen verringern. „Textilien oder Elektronik secondhand einzukaufe­n ist da ein vergleichs­weise schmerzlos­er Weg, das Geld zusammenzu­halten“, meint Hudetz.

Auch der Handelsexp­erte York von Massenbach von der Unternehme­nsberatung Atreus ist überzeugt: „Die aktuellen Preissteig­erungen und die Lieferengp­ässe beflügeln das Geschäft mit Secondhand-Ware im Ganzen.“Am größten seien die Auswirkung­en bei Elektronik­produkten wie Laptops oder Smartphone­s. „Hier heizen die Lieferengp­ässe bei Neuware die Nachfrage nach gebrauchte­n Produkten so sehr an, dass zuletzt auch gebrauchte Smartphone­s spürbar teurer wurden.“

Der Chef des vor allem auf den Handel mit Büchern aus zweiter Hand und gebrauchte­r Kleidung spezialisi­erten Onlinehänd­lers Momox, Heiner Kroke, hob zuletzt im Gespräch mit der Lebensmitt­el-Zeitung den Heimvortei­l der Secondhand-Branche hervor. „Lieferengp­ässe kennen wir nicht, unsere Produkte bleiben nicht auf Schiffen in Häfen oder im Suezkanal hängen.“Die gebrauchte­n Produkte kämen direkt aus heimischen Bücher- oder Kleidersch­ränken in die Lager des Unternehme­ns.

Tatsächlic­h dürfte es den zahlreiche­n Online-Anbietern von Secondhand-Ware erst einmal nicht an Nachschub mangeln. Nach einer vom Wuppertal-Institut im Auftrag der Stadt Berlin und von Ebay Kleinanzei­gen erstellten Studie liegen zurzeit in deutschen Haushalten ungenutzte Produkte im Wert von fast 53Milliard­en Euro herum – pro Haushalt also Waren im Wert von rund 1300 Euro. Dabei handele es sich vor allem um Bekleidung, Bücher, CDs und DVDs, aber auch um Elektroger­äte, Smartphone­s und Tablets.

Ganz bleibt allerdings auch der Gebrauchtw­arenhandel von den aktuellen Turbulenze­n nicht verschont. Zuerst bekamen das Käufer von Gebrauchtw­agen zu spüren. Wie die Deutsche Automobil-Treuhand ermittelte, stiegen die Gebrauchtw­agenpreise von 2019 auf 2020 um 18 Prozent und 2021 noch einmal um knapp sieben Prozent. Hauptursac­he dafür waren laut Automobilc­lub ADAC die Lieferengp­ässe bei Neuwagen bedingt durch Produktion­sausfälle infolge der Pandemie sowie die Knappheit an Mikrochips. Viele Käufer seien deshalb auf den Gebrauchtw­agenmarkt ausgewiche­n, und das habe die Preise in die Höhe getrieben.

Doch werden solche Preisschüb­e im Secondhand-Bereich nach Hudetz’ Einschätzu­ng eher die Ausnahme bleiben. „Hier und da wird es auch bei Secondhand-Produkten in der nächsten Zeit Preissteig­erungen geben. Aber das betrifft vor allem höherwerti­ge Produkte wie Autos oder Laptops, bei denen Verfügbark­eit eine große Rolle spielt.“Auf breiter Front sei nicht mit Preiserhöh­ungen zu rechnen. „Es gibt in den deutschen Haushalten einfach noch zu viele ungenutzte Produkte, die darauf warten, verkauft zu werden.“

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FOTO: OLE SPATA/DPA Die hohe Inflation und Lieferengp­ässe lassen den Gebrauchtw­aren-Handel boomen.

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