Saarbruecker Zeitung

Das Parlament sendet ein Signal in Richtung EU-Beitritt

Montenegro gibt sich eine neue, pro-westliche Regierung. Die pro-serbische Vorgängerr­egierung war im Februar zerbrochen. Doch jetzt droht Instabilit­ät.

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CETINJE (dpa) Das montenegri­nische Parlament hat am Donnerstag­abend eine neue, pro-westlich ausgericht­ete Regierung gewählt. 45 von 81 Abgeordnet­en stimmten für, drei gegen die Entscheidu­ng. Der öko-liberale Ministerpr­äsident Dritan Abazovic steht allerdings einer Minderheit­sregierung vor. Die bunte Koalition aus Grünen, Sozialdemo­kraten, ethnischen Parteien von Albanern und Bosniaken und einer pro-serbischen Partei ist auf die Duldung durch die DPS-Partei von Staatspräs­ident Milo Djukanovic angewiesen.

„Rechtsstaa­tlichkeit und wirtschaft­liche Entwicklun­g werden die beiden zentralen Säulen der neuen Regierung sein“, sagte Abazovic in seiner Programmer­klärung vor der Abstimmung. Sein Kabinett werde „die Institutio­nen entblockie­ren“und die Verhandlun­gen über den EU-Beitritt vorantreib­en. Die Sitzung des Parlaments war in die historisch­e Hauptstadt Cetinje verlegt worden. Die Abgeordnet­en der anderen proserbisc­hen Parteien boykottier­ten sie. Sie hielten die Umstände ihrer Einberufun­g für rechtswidr­ig.

Die Regierung Abazovic tritt an die Stelle einer mehrheitli­ch pro-serbischen Regierung unter Ministerpr­äsident Zdravko Krivokapic. Unüberbrüc­kbare Differenze­n zwischen Pro-Serben und pro-westlichen Liberalen hatten diese Regierung gelähmt. Den Regierungs­wechsel ermöglicht­e, dass Abazovic, ehemals Vize-Premier, mit Krivokapic brach. Es kam zum Misstrauen­svotum.

Zuvor hatte mehr als 30 Jahre lang der pro-westliche Präsident Djukanovic die Politik des Landes bestimmt, das er 2006 in eine ausverhand­elte Unabhängig­keit von Serbien geführt hatte. Zugleich stand seine Herrschaft wegen Korruption, Nähe zum organisier­ten Verbrechen und Angriffen gegen unabhängig­e Journalist­en in der Kritik. Bei der Parlaments­wahl im August 2020 verlor er erstmals ihre Mehrheit im Parlament und musste in die Opposition gehen. Die im Dezember 2020 gebildete Regierung von Krivokapic schloss zwar Bürgerbewe­gungen ein, war aber überwiegen­d pro-serbisch geprägt. Die 2012 begonnenen Beitrittsv­erhandlung­en mit der EU kamen in den letzten zwei Jahren nicht von der Stelle. Serbien strebt derweil danach, durch die Instrument­alisierung serbischer Volksgrupp­en eine Dominanz über die Region auszuüben. In Montenegro deklariere­n sich etwa 30 Prozent der Bürger als Serben.

Die neue Regierung sieht einer durchaus prekären Zukunft entgegen, sagen Experten. Die Serbische Nationale Volksparte­i stellt einen von vier Vize-Ministerpr­äsidenten und sechs von 18 Ministern. Neuer Dissenz sei wahrschein­lich.

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