Saarbruecker Zeitung

„Wir müssen leider alles ernst nehmen, was aus Moskau kommt“

Der SPD-Fraktionsc­hef spricht im Interview über Waffenlief­erungen an die Ukraine, einen abwägenden Kanzler – und Drohungen aus Russland.

- DAS GESPRÄCH FÜHRTE JAN DREBES

BERLIN Der SPD-Fraktionsc­hef Rolf Mützenich verteidigt Waffenlief­erungen an die Ukraine, warnt davor, dass die Nato gegenüber Russland zur Kriegspart­ei wird und sieht eine „Eskalation­sdominanz“bei Russland.

Herr Mützenich, der Bundestag hat die Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine beschlosse­n. Wird Deutschlan­d damit zur Kriegspart­ei?

MÜTZENICH Deutschlan­d hat schon länger dazu beigetrage­n, dass sogenannte schwere Waffen an die Ukraine geliefert werden können. Die Bundesregi­erung hat nach reiflicher Überlegung zugestimmt, dass solche Systeme im Ringtausch aus Partnerlän­dern kommen und jetzt eben auch aus Deutschlan­d. Wir müssen dennoch darauf achten, dass die

Nato nicht zur Kriegspart­ei wird. Da sind wir uns alle einig. Und das werden wir auch nicht durch unsere Beiträge.

Warum sollte Russlands Präsident Wladimir Putin das auch so sehen?

MÜTZENICH Im Einklang mit dem Völkerrech­t unterstütz­en wir die Ukraine bei der Selbstvert­eidigung. Deswegen liefern wir – internatio­nal abgestimmt – was möglich ist. Die Schlussfol­gerungen des russischen Präsidente­n können wir ohnehin nicht sicher abschätzen. Die Eskalation­sdominanz liegt in Moskau. Nicht bei uns.

Russland warnt vor einem dritten Weltkrieg, vor dem Einsatz von Atomwaffen. Ist das nur ein Einschücht­erungsvers­uch?

MÜTZENICH Wir müssen leider alles ernst nehmen, was aus Moskau kommt. Das treibt uns natürlich um, ganz besonders aber Kanzler Olaf Scholz. Er trägt die Verantwort­ung und muss jeden Schritt der Bundesregi­erung klug abwägen. Ich bin froh, dass unser Kanzler mit Bedacht handelt und sich nicht von manchen, die sich in Rage reden, treiben lässt. Olaf Scholz hat recht, es darf keinen neuen Weltkrieg geben. Er hat einen Eid geschworen, Schaden von uns allen abzuwenden.

Glauben Sie, dass Putin sich durch westliche Waffenlief­erungen so sehr an die Wand gedrängt fühlen könnte, dass er mit dem Einsatz von Atomwaffen zum Äußersten greift?

MÜTZENICH Ich werde ja oft als ,Putin-Versteher‘ bezeichnet, was wirklich Quatsch ist. Ich verstehe den Mann nicht. Ich weiß nicht, was in ihm vorgeht. Viel Rationalit­ät scheint aber nicht mehr vorhanden zu sein. Er gibt vor, nationale Interessen zu verfolgen, aber schadet Russland mit seinem Angriffskr­ieg schon jetzt enorm, daher handelt Putin nicht rational. Man kann nur das heranziehe­n, was er selbst schon vor Jahren gesagt hat: Er will einen Nuklearkri­eg verhindern, er hielte das für eine globale Katastroph­e. Aber: Er sagt im gleichen Atemzug, dass er eine Welt ohne ein von ihm geschaffen­es Russland für nutzlos hält. Das lässt tief blicken.

MÜTZENICH Wenn es Fehler gegeben haben sollte, dann rechtferti­gen sie niemals einen Krieg. Niemand weiß genau, was Putin letztlich vorhat. Deswegen ist es gut, dass wir uns mit den Partnern bei jedem weiteren Schritt eng abstimmen. Putin darf diesen Krieg nicht gewinnen, dazu brauchen wir diese internatio­nale Geschlosse­nheit.

MÜTZENICH Ganz entscheide­nd ist, dass strategisc­he Partner Russlands sich von Putin abwenden. 45 Staaten haben den russischen Angriff auf die Ukraine nicht verurteilt, darunter fünf Atommächte. Putins Regierung muss isoliert werden. Und das müssen wir durch Gespräche in den Ländern erreichen.

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FOTO: NIETFELD/DPA Rolf Mützenich, Chef der SPD-Bundestags­fraktion

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