Dieser Krieg ist auch ein harter Lernprozess
Erst Zeitenwende, dann Kehrtwende. Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine hat die Welt verändert. Und er hat die Politik dieser Bundesregierung verändert. Gerade vier Monate im Amt, sehen sich die Ampel und die sie tragenden Parteien SPD, Grüne und FDP mit einer schweren Herausforderung konfrontiert, die sie dazu zwingt, mit dem jahrzehntelangen Prinzip zu brechen, keine Waffen aus Deutschland in Kriegsgebiete zu liefern. Grüne wie FDP treiben dabei die SPD. Auch dies eine Zeitenwende. Welcher Grünen-Parteitag hätte noch vor zehn Jahren Rückendeckung für diese Politik gegeben?
Der internationale Druckauf die Ampel-Regierung muss groß gewesen sein. Sonst hätte sie sich nicht dazu durchgerungen, von der erklärten und verabredeten Linie abzurücken, der Ukraine keinesfalls schwere Waffen zu liefern und deren Soldaten dafür auch noch auf deutschem Boden auszubilden. Aber dieser Krieg ist leider auch ein Lernprozess. Niemand weiß, was noch kommt. Dass die Parteispitzen der Ampel wieder nicht eingeweiht waren, sondern nachher kalt dieser nächsten Waffenlieferung an die ukrainischen Streitkräfte zustimmen mussten – auch dies eine Stilfrage. Bundeskanzler Olaf Scholz wirkt in diesen Kriegstagen nicht als der große Kommunikator, aber vermutlich weiß oder ahnt er mehr. Seine Telefonate mit Kriegsherr Wladimir Putin könnten bei Scholz Befürchtungen aus dem Reich des Bösen ausgelöst haben. Wagt der Kreml-Herrscher den Einsatz taktischer Atomwaffen? Ein Tabu-Bruch ist Putin zuzutrauen, weil ihm alles zugetraut werden muss.
International ist es bestenfalls eine Randnotiz, aber für die deutsche Innenpolitik ist es doch von symbolischer Bedeutung, dass bei der Abstimmung im Bundestag über die Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine die Ampel-Fraktion und die Union einem gemeinsamen Antrag zugestimmt haben. Es ist ein Statement nationaler Geschlossenheit, bei dem sich Unionsfraktionschef Friedrich
Merz dann leider doch dazu hinreißen ließ, die parteipolitische Keule auszupacken. Das wäre in diesem Fall bei diesem Thema nicht nötig gewesen, nein, es war vor allem nicht angemessen. Und es wäre auch kein gutes Zeichen, wenn Merz erwägt, bei der kommenden Abstimmung über die 100Milliarden Euro Sondervermögen für die Bundeswehr, wofür im Bundestag eine Zwei-Drittel-Mehrheit nötig ist, die der Ampel fehlenden Stimmen nur so weit „aufzufüllen“bis die Zwei-Drittel-Mehrheit erreicht ist. Entweder die Union ist für die notwendige Ausrüstung der Bundeswehr, auf dass die Truppe wieder das Land und das Bündnis (mit)verteidigen kann – oder sie ist es nicht. Ganz oder gar nicht.
Aber nun steht erst einmal dieses überzeugende Votum des Bundestages. Ampel wie Union müssen davon ausgehen, dass es nicht die letzte Abstimmung dieser Art zur militärischen Unterstützung der Ukraine gewesen sein wird. Dieser Krieg wird nicht schnell zu Ende gehen. Es kommen noch Dinge, die zurzeit kein Volks- und Regierungsvertreter ahnen kann. So wie den Krieg, der an jenem 24. Februar startete und die Zeit wendete.