Der Kümmerer im Herzen Saarbrückens
Kennen Sie eigentlich Ihre Bezirksbürgermeister und -meisterinnen? Für die Bürger sind sie die ersten Ansprechpartner vor Ort, wenn es Probleme oder Wünsche gibt. Wir stellen sie in einer Serie vor. Heute: Stefan Brand (CDU), Bezirksbürgermeister von Saarbrücken Mitte.
SAARBRÜCKEN Dass Stefan Brand (CDU) erst mal zum Fotoshooting aufs Parkdeck des Karstadt-Kaufhauses in der Saarbrücker Innenstadt kommen soll, hat er nicht erwartet. Gerade von dort oben aus hat man einen spektakulären Ausblick auf die Stadt – und auf die fünf Stadtteile, die zu dem Bezirk gehören, für den er als Bezirksbürgermeister verantwortlich ist: St. Johann, Eschberg, St. Arnual, Alt-Saarbrücken und Malstatt.
Wir beginnen also unser Gespräch über den Dächern Saarbrückens. Doch auch Stefan Brands Schreibtisch im Rathaus St. Johann hätte sich gut fürs Foto geeignet. Dort stehen unzählige Adler-Figuren in allen möglichen Größen. „Die sammle ich. Es ist einfach ein faszinierender Vogel“, erzählt der 56-jährige gebürtige Fechinger, der das Amt des Bezirksbürgermeisters von „Mitte“2019 von Christa Piper (SPD) übernommen hat.
„Mitte ist der größte Bezirk mit rund 97 000 Einwohnern“, sagt der ehemalige Berufssoldat, der im September den Ruhestand angetreten hat. Noch mehr Zeit also für ein Ehrenamt wie das seine. „Eigentlich ist es ein Vollzeit-Job. Nur jetzt während Corona gibt es weniger Termine und damit auch weniger Gelegenheit, mit den Menschen im Bezirk in Kontakt zu kommen“, bedauert Brand.
Zehn Jahre lang saß Stefan Brand für die CDU im Stadtrat. Seit 2004 ist er Bezirksrats-Mitglied und dort CDU-Fraktionsvorsitzender. Außerdem engagiert er sich als Schöffe, unter anderem am Landgericht. Als Offizier war der gelernte Kaufmann und Betriebswirt jahrelang in der Verwaltung der Bundeswehr tätig. „Dort habe ich das Organisieren gelernt.“Und manchmal auch das Improvisieren. Das hilft, wenn man es – wie in seinem Bezirk – mit rund 800 sport- und kulturtreibenden Vereinen zu tun hat, die alle unterstützt werden wollen. „In vielen bin ich selbst Mitglied. Als Bezirksbürgermeister habe ich vor Corona auch viele Vereinssitzungen besucht. So bleibt man informiert und am Ball“, erzählt Brand. Bezirksratsarbeit, das sei eben Engagement „ganz unten, in der Schlammzone der Politik“.
Für den Begriff „Schlammzone“habe er mal ziemlich Kritik einstecken müssen. Er sei aber dennoch recht treffend für die Arbeit eines Kommunalpolitikers wie ihm. Aufgewachsen ist Stefan Brand, der heute mit Frau und Tochter auf dem Eschberg lebt, in St. Arnual. Und dort ist er auch sehr präsent und bekannt. Zum Beispiel als Chef des Daarler Dorffestes, als Vorstandsmitglied der Arbeitsgemeinschaft St. Arnualer Vereine – und als Präsident des FC St. Arnual. Sein Engagement fürs Daarler Dorffest ruht aber so lange, bis Brand Mitte 2022 sein Amt an Thomas Emser (SPD) abgibt. Diesen Personalwechsel zur Hälfte der fünfjährigen Wahlperiode hatten SPD und CDU 2019 verabredet – und damit die Grünen, mit sieben Ratsmitgliedern größte Fraktion im Bezirksrat, um das Bezirksbürgermeisteramt gebracht.
Christdemokrat Brand, der sich schmunzelnd selbst als „Linker in der CDU“bezeichnet, sagt, er hätte genauso gut Sozialdemokrat werden können. „Ich bin mit 14 Jahren nach einer Reise in die damalige DDR in die Junge Union eingetreten, weil ich von den Verhältnissen dort sehr geschockt war. Die Westbindung der Bundesrepublik, für die die CDU in den 1970er-Jahren stand, war mir wichtig.“Der Bezirksbürgermeister betont, wie gut der Bezirksrat parteiübergreifend zusammenarbeite, sogar der AfD-Abgeordnete sei „kein Problem“bei den allermeisten Abstimmungen. So habe der zum Beispiel gerade der Umbenennung von Straßen zugestimmt, die den Namen problematischer historischer Personen mit Nazi-Vergangenheit tragen (wir berichteten). Ein Thema, bei dem der Bezirksrat eine gewichtige
Rolle spielt, weil er für die Straßenbenennung zuständig ist. Und wofür sonst noch? Für den Standort von Müllcontainern zum Beispiel, aber auch für die Platzierung von Kunst im öffentlichen Raum, erklärt Brand. Es sind vor allem lebenspraktische Probleme, die im Bezirksrat verhandelt werden. „Wir fungieren als das Bindeglied zwischen Bürgern und Verwaltung.“Und deshalb haben die Bezirksräte nicht nur ein Anhörungsrecht, sondern sie bringen auch Vorschläge in den Stadtrat ein, der schlussendlich entscheidet. Außerdem sind sie mit einem – wenn auch kleinen – Budget ausgestattet, um Vereine und Bürgerinitiativen in den Stadtteilen zu unterstützen.
Was treibt die Bürger in den Stadtteilen um? Bauprojekte sorgen oft für Ärger. „Auf dem Rastpfuhl, der zu
Malstatt gehört, sollen über 100 neue Wohnungen auf dem Knappenroth entstehen. Wie wird die Verkehrsanbindung funktionieren?“, gibt Brand ein Beispiel. In St. Arnual gibt es Anwohner-Proteste gegen das (bereits begonnene) Wohnungsbauprojekt auf dem Schenkelberg. „Ich kann den Protest verstehen, andererseits braucht die Stadt den Wohnraum“, sagt der Bezirksbürgermeister. In Alt-Saarbrücken soll auf der Folsterhöhe ein neues Gewerbegebiet entstehen. „Das ist gut. Allerdings werde ich mich dafür starkmachen, dass der bestehende Sportplatz integriert wird.“Von wütenden Wildschweine über marode Straßen und falsches Parken bis hin zu überfüllten Mülltonnen oder Lärm – es sind oft die eher „kleinen Sorgen“, mit denen sich Menschen an den Bezirksbürgermeister wenden.
Und die großen, zukunftsweisenden Fragen nachhaltiger Stadtentwicklung? „Für viele solcher Vorhaben brauchen wir einen Scheck vom Bund“, findet Brand und nennt als Beispiel den teuren Ausbau der Lade-Infrastruktur für E-Autos oder die Bestückung öffentlicher Gebäude mit Photovoltaik. „Jemand muss es bezahlen.“„Ganz unten“, in den Niederungen der Kommunalpolitik, braucht man eben nicht nur Ideen und engagierte Ehrenamtler, sondern auch Geld. Und ein funktionierendes Netzwerk.