Doch keine Geisterspiele in Tokio
Japans Olympia- Organisatoren wollen bis zu 10 000 einheimische Zuschauer bei allen Wettkämpfen zulassen.
TOKIO (sid) Thomas Bach wird zufrieden sein. Wenn Simone Biles bei den Olympischen Spielen in Tokio eine ihrer unglaublichen Turnübungen absolviert, wird warmer Applaus über die TV-Bildschirme in die Welt hinausgetragen. Auch Speerwurf-Dominator Johannes Vetter darf auf rhythmische Anfeuerung hoffen, wenn er im Olympiastadion der Goldmedaille nachjagt.
Maximal 10 000 einheimische Zuschauer werden in den Wettkampfstätten zugelassen – das teilten die Olympia-Organisatoren am Montag mit. Allerdings gilt diese Entscheidung unter Vorbehalt: Sollten die Infektionszahlen in Japan wieder ansteigen, könnten die Wettbewerbe der in 32 Tagen beginnenden Spiele (23. Juli bis 8. August) doch noch hinter verschlossenen Türen stattfinden. „In Anbetracht der Regierungsbeschränkungen für öffentliche Veranstaltungen wird das Zuschauerlimit für die Olympischen Spiele auf 50 Prozent der Kapazität der Austragungsorte festgelegt, bis zu einem Maximum von 10 000 Personen in allen Wettkampfstätten“, hieß es in der offiziellen Erklärung. Ausländische Zuschauer wurden im März grundsätzlich ausgeschlossen.
Vor der Ankündigung äußerte Bach, Präsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), man werde „jeden Beschluss voll unterstützen.“Er sei aber „absolut sicher, dass es eine Entscheidung sein wird, die das japanische Volk und alle Teilnehmer am besten schützt.“Die Atmosphäre wird natürlich trotzdem
6 Prozent von Japans Bevölkerung ist erst vollständig gegen das Coronavirus geimpft.
Quelle: sid
nicht mit der von Rio 2016 oder London 2012 zu vergleichen sein. Tokio befindet sich in einem „Notstand light“. Der Verkauf von Alkohol ist derzeit nur bis 19 Uhr erlaubt, Restaurants und Bars müssen um 20 Uhr schließen.
Auch die Zuschauer in den Arenen müssen sich umstellen. Sie dürfen klatschen, sollen aber weder schreien noch singen und gleich nach dem Ende der Veranstaltungen nach Hause gehen. Und natürlich Masken tragen. Ein Infektionsrisiko stellen sie freilich trotzdem dar, auch wenn sich nur 10 000 Menschen im Olympiastadion verlieren, das für mehr als 68 000 Zuschauer Plätze bietet.
Wer überhaupt eine Eintrittskarte erhält, wird im Losverfahren ermittelt. Vor der pandemiebedingten Absage der Spiele 2020 waren mehr Tickets an japanische Fans verkauft worden, als nun Plätze verfügbar sind. Es gibt aber auch Spielraum bei der Obergrenze: Schulkinder, die im Rahmen eines speziellen Programms eingeladen werden, unterliegen ihr ebenso wenig wie Organisatoren und Sponsorenvertreter.
Hochrangige medizinische Experten, darunter Top-Berater der Regierung, hatten zuletzt erklärt, dass es aus gesundheitlicher Sicht „ideal“wäre, die Spiele hinter verschlossenen Türen abzuhalten. Diese Ansicht vertreten in einer aktuellen Umfrage der Nachrichtenagentur Kyodo auch gut 40 Prozent der japanischen Bürgerinnen und Bürger. Die Skepsis hat Gründe. Die Impfkampagne in einer der größten Industrienationen der Welt verläuft weiter schleppend. Nur etwas mehr als sechs Prozent der Bevölkerung war am Montag vollständig gegen Corona geimpft, bei den Athletinnen und Athleten erwartet das IOC eine Quote von mehr als 80 Prozent.
Eine Entscheidung darüber, wie viele Fans bei den Paralympischen Spielen (24. August bis 5. September) erlaubt sein werden, wird bis zum 16. Juli aufgeschoben, fügten die Organisatoren in ihrer Erklärung hinzu. Das Spiel auf Zeit geht also noch etwas weiter.