Linken-Chefin betont Ablehnung von Einsätzen
Die Linke-Vorsitzende sieht keine Notwendigkeit für einen Kurswechsel ihrer Partei in ihrer ablehnenden Haltung von UN-Friedensmissionen.
Die Linke bleibt dabei: Mit ihr soll es keine Auslandseinsätze der Bundeswehr mehr geben, auch nicht bei UN-Friedensmissionen. Das machte Linken-Vorsitzende Janine Wissler im SZ-Interview vor dem Wahl-Parteitag am Wochenende klar.
BERLIN Linkenchefin Janine Wissler äußert sich vor dem Wahlprogrammparteitag zu den Grünen, den Grabenkämpfen in der eigenen Partei und zu Militäreinsätzen.
Frau Wissler, macht Ihnen das Regierungsprogramm der Grünen Mut für Grün-Rot-Rot?
WISSLERMein Eindruck ist, dass sich die Grünen Optionen nach allen Seiten offenhalten wollen und das führt an vielen Stellen zu inhaltlicher Beliebigkeit. Einige Entscheidungen zum grünen Programm sehen wir sehr kritisch. 50 Euro mehr beim Regelsatz für Hartz IV ist auch als erster Schritt viel zu wenig. Dass die Grünen bewaffnete Drohnen nicht mehr kategorisch ausschließen, halten wir für völlig falsch. Aber ich will mich im Wahlkampf nicht primär an den Grünen abarbeiten, die aktuell gar nicht regieren auf Bundesebene, sondern unsere Inhalte nach vorne stellen: den bundesweiten Mietendeckel, gute Arbeit, Umverteilung, den sozial-ökologischen Umbau und Solidarität, die unteilbar ist.
Die Linke kommt im Wahlkampf nicht von der Stelle. Woran liegt das?
WISSLER Während der Corona-Pandemie hat sich die öffentliche Aufmerksamkeit stark auf die Regierungen im Bund und in den Ländern konzentriert. Wir sind wenig wahrgenommen worden in der Öffentlichkeit und mussten zudem zweimal unseren Parteitag und damit den Wechsel an der Parteispitze verschieben. Aber natürlich haben wir selbst auch einige Fehler gemacht. Wir sind zu vielstimmig aufgetreten. Mit Blick auf die Bundestagswahl werden wir das jetzt ändern. Wir stehen für gute Löhne, gute Bedingungen in der Pflege und die richtigen Lehren aus der Corona-Krise.
Ihre Partei kommt nicht zur Ruhe. NRW-Linke wollen Sahra Wagenknecht aus der Partei ausschließen, im Saarland tobt ein Machtkampf des Landesvorstandes gegen Fraktionschef Oskar Lafontaine. Wie lange soll das noch so gehen?
WISSLER Ich warne davor, politische Differenzen über Parteiausschlussverfahren auszutragen. Ich halte das für falsch. Sahra Wagenknecht stellt eine berechtigte Frage, nämlich, wie wir wieder mehr Menschen erreichen können. Ich teile aber nicht ihre Analyse, dass sich die Linke von der sozialen Frage entfernt habe. Wir kämpfen für soziale Gerechtigkeit und gleiche Rechte für alle. Beides gehört zusammen. Im Saarland haben wir die Situation, dass sich über längere Zeit ein Konflikt aufgebaut hat. Wir sind mit allen Beteiligten im Gespräch, um Lösungen zu finden.
Oskar Lafontaine hat im Saarland dazu aufgerufen, den Bundestags-Spitzenkandidaten seiner eigenen Partei im Saarland, Thomas Lutze, nicht zu wählen. Trotzdem kein Machtwort von Ihnen?
WISSLER Es geht nicht um Machtworte, sondern darum, dass alle die gemeinsame Verantwortung, die wir haben, erkennen. Wir stehen drei Monate vor der Bundestagswahl. Wir werden auf dem Parteitag unser Wahlprogramm verabschieden. Die Landeslisten sind gewählt. Deswegen rufe ich auch alle auf, innerparteiliche Streitigkeiten zu beenden. Und ich meine tatsächlich alle.
Ihre Partei hat viele Wähler an die rechte AfD verloren. Was zieht Menschen bei der AfD an?
WISSLER
Die AfD ist eine zutiefst rassistische und antidemokratische Partei, der wir weder das Feld überlassen dürfen noch uns damit abfinden, dass Menschen von der Linken zur AfD gehen. Die AfD hat den Menschen nichts anzubieten. Sie hat keine Antworten auf die drängenden sozialen Probleme und das Wort Ostdeutschland taucht im Wahlprogramm nicht einmal auf. Wenn Sie in die Analysen der Wählerwanderungen schauen, sehen Sie aber auch, dass vor allem die CDU an die AfD verloren hat.
Sie wollen den Wehretat jährlich um zehn Prozent kürzen. Vermauern Sie sich so nicht den Einstieg in ein rotrot-grünes Bündnis?
WISSLER Wir lehnen das Zwei-Prozent-Ziel der Nato ab. Der deutsche Verteidigungshaushalt ist seit 2014 um 35 Prozent gestiegen. Wir wollen ein Umdenken in der Außenpolitik erreichen und Waffenexporte verbieten. Und unsere Überzeugungen richten wir nicht danach aus, ob sie mit anderen Parteien kompatibel sind.
Wo sollen deutschen Soldaten in UN-Missionen helfen dürfen?
WISSLER Die Linke lehnt sämtliche Militärmissionen der Bundeswehr im Ausland ab, und wir haben im Bundestag keinem Einsatz zugestimmt. Abrüstung und zivile Konfliktlösung ist der Weg zu Frieden, nicht der Marschbefehl für Soldaten ins Ausland.
Auch keine Grünhelm-Einsätze zur humanitären Unterstützung?
WISSLER Wir setzen auf zivile Konfliktlösung und zivile Zusammenarbeit, die Stärkung der Entwicklungszusammenarbeit und eine gerechte Weltwirtschaftsordnung. Den Hunger in der Welt zu bekämpfen, das wäre eine notwendige „humanitäre Intervention“, dazu braucht man keine Waffen und kein Militär.