Papst und Großajatollah mit Signal des Friedens
Fast vier Tage lang schwebt der Irak in PapstEuphorie. Nach Jahren des IS-Terrors und sozialer Unruhen trägt Franziskus eine Botschaft nicht nur an die christliche Minderheit ins Land. Seine Hoffnung: einen neuen Dialog ins Rollen zu bringen.
Papst Franziskus und der schiitische Großajatollah haben die friedliche Koexistenz der Religionen betont. Ali al-Sistani sagte, die christliche Minderheit habe die gleichen Rechte wie andere Iraker.
(dpa) Vor der Ruine einer im Krieg zerstörten Kirche in der nordirakischen Stadt Mossul steigt eine weiße Taube auf. Sie ist Symbol des Friedens, entlassen aus den Händen von Papst Franziskus. Es sind eindrückliche Bilder zwischen Scharen jubelnder Christen in einer Region, in der die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) über Jahre Gewalt und Schrecken verbreitete. Die Christen hatten sich den Besuch des Oberhaupts der katholischen Kirche lange gewünscht. Franziskus ist nun der erste Papst, der den Irak bereist hat.
Drei ereignisreiche Tage liegen hinter ihm, mit Begegnungen an heiligen Orten und in von Konflikten geplagten Städten. Seine Reise ist historisch. Nun stellt sich die Frage: Was hat Franziskus erreicht? Franziskus kam in ein Land, das sich sichtlich auf ihn gefreut hatte. Die islamisch geprägte Regierung und die Kirche vor Ort setzten alles in Gang, um den straff organisierten Vier-Tages-Besuch auf die Beine zu stellen. Tausende Sicherheitskräfte der Polizei und der Armee sichern im ganzen Land jeden Kilometer Strecke, auf dem sich das Oberhaupt der katholischen Kirche bewegt. Menschen jubeln dem Papst am Straßenrand zu.
Für die christliche Minderheit ist der Besuch ein lang ersehntes Ereignis. Zwischen 200 000 und 590 000 Christen leben nach Schätzungen der Kirche und Hilfsorganisationen heute im Irak – von einst bis zu 1,4 Millionen Ende der 1980er Jahre. Mit dem Krieg mit dem Iran, der US-Invasion 2003 und der Gewalt und Vertreibung durch den IS vor allem im Nordirak haben sie leidvolle Jahre erlebt. Ihnen wie auch vielen anderen Gruppen gibt der 84-Jährige mit seinem Besuch eine Stimme.
Seine Botschaft vom friedlichen Zusammenleben zwischen den Menschen „Fratelli Tutti“(in etwa: Wir sind alle Geschwister) trägt er in den Irak. Große Plakate mit diesem
Slogan und den Konterfeien Franziskus‘ und des höchsten schiitischen Geistlichen des Iraks, Großajatollah Ali al-Sistani, sind auf den Straßen Bagdads zu sehen. Es ist wichtige Symbolik angesichts der Konflikte um Gebietsansprüche und Wertvorstellungen, die zwischen Sunniten, Schiiten und Kurden bis heute im Irak köcheln.
Das Treffen mit al-Sistani in der für die Schiiten heiligen Stadt Nadschaf im Südirak ist ein Höhepunkt. Der Großajatollah lebt zurückgezogen. Die Aufnahmen, wie er in seinem Privatanwesen dem Papst gegenüber sitzt, sind äußerst selten für den 90-Jährigen, der seine Türen kaum für geistliche oder politische Führungsfiguren öffnet. Ein gemeinsames Dokument, wie Franziskus und der Großimam von Ägypten, Ahmed al-Tajjib, es 2019 in Abu Dhabi unterzeichneten, geht daraus zwar nicht hervor. Aber schon die Tatsache, dass das Treffen stattfindet, ist eine kleine Sensation.
Bei der irakischen Politik hinterlässt das Treffen offenbar großen Eindruck. Ministerpräsident Mustafa al-Kasimi erklärt den Tag der Zusammenkunft in Nadschaf und in der Ebene von Ur am 6. März zum Nationalen Tag der Toleranz und Koexistenz. In Ur traf der Papst sich an diesem Tag mit Christen, Muslimen und Jesiden. Der Bibel-Überlieferung nach soll aus dieser Gegend Abraham stammen, den die monotheistischen Religionen als Stammvater betrachten. Juden nahmen – anders als zunächst geplant – allerdings nicht an dem Treffen teil. Eine offizielle Begründung blieb aus.