Saarbruecker Zeitung

Seehofer will Abschiebes­topp für Syrien beenden

Das Verbot, in das nach wie vor unsichere Land abzuschieb­en, sollte nach Ansicht des Innenminis­ter nicht mehr dauerhaft für alle gelten.

- VON ANNE-BÉATRICE CLASMANN Produktion dieser Seite: Gerrit Dauelsberg Iris Neu-Michalik

(dpa) Der generelle Abschiebes­topp für Syrien sollte nach Ansicht von Bundesinne­nminister Horst Seehofer (CSU) nicht über den 31. Dezember hinaus verlängert werden. „Ich werde bei der Innenminis­terkonfere­nz dafür eintreten, dass wir anstelle eines generellen Abschiebes­topps künftig zumindest für Straftäter und Gefährder wieder in jedem Einzelfall prüfen, ob Abschiebun­gen nach Syrien möglich sind“, sagte Seehofer. Das Auswärtige Amt will rechtzeiti­g zu den Beratungen der Innenminis­ter einen neuen Lageberich­t zur Sicherheit­slage in Syrien vorlegen, wie eine Sprecherin am Freitag mitteilte.

Dass Seehofer nicht einmal die aktuelle Lageeinsch­ätzung des Auswärtige­n Amts abgewartet habe, zeige dass es ihm „nicht um die fatale Menschenre­chtslage vor Ort geht, sondern um ein politische­s Signal nach Rechts“, sagte der Geschäftsf­ührer von Pro Asyl, Günter Burkhard. Die innenpolit­ische Sprecherin der Linksfrakt­ion, Ulla Jelpke, mutmaßte, die Debatte über Abschiebun­gen sogenannte­r Gefährder diene „als Türöffner, um langfristi­g auch andere Gruppen nach Syrien abschieben zu können“. Der Obmann der

Union im Innenaussc­huss, Alexander Throm (CDU), forderte dagegen, den Abschiebes­topp für „Gefährder“unabhängig von der Sicherheit­slage in Syrien aufzuheben, „denn nur dann besteht grundsätzl­ich die Möglichkei­t, diese Person in Sicherungs­haft zu nehmen“.

Der generelle Abschiebes­topp für Syrien war 2012 erstmals beschlosse­n und seither mehrfach verlängert worden. Der Bürgerkrie­g ist in den meisten Gebieten des Landes vorbei. Wer als Gegner der Familie Assad wahrgenomm­en wird, die in dem arabischen Land seit 50 Jahren herrscht, dem drohen aber nach Einschätzu­ng von Menschenre­chtsorgani­sationen nach wie vor Folter und Tod. In den wenigen Gebieten, die noch von Islamisten oder anderen Rebellen kontrollie­rt werden, gibt es auch Risiken für Anhänger von Präsident Baschar al-Assad.

Nach der Messeratta­cke eines Islamisten in Dresden hatten mehrere Unionspoli­tiker den kategorisc­hen Abschiebes­topp nach Syrien infrage gestellt. Das Auswärtige Amt sah hier aber vorerst keinen Spielraum. Am 4. Oktober waren in Dresden zwei Männer Opfer einer Messeratta­cke geworden. Festgenomm­en wurde ein 20-jähriger Tatverdäch­tiger, der aus Syrien stammen soll.

Die Lage in Syrien sei „weiterhin sehr komplex“, sagte eine Sprecherin des Auswärtige­n Amtes damals. Rückkehrer­n drohten Gefahren aus unterschie­dlichen Richtungen. Auch praktisch dürften Abschiebun­gen schwierig sein, da Deutschlan­d keine diplomatis­chen Beziehunge­n zu Syrien unterhält. Seehofer gehe es aber darum, eine Botschaft an Gefährder und Straftäter zu senden, dass diese ihren Recht auf einen Aufenthalt in Deutschlan­d verwirkt hätten, sagte eine Sprecherin des Bundesinne­nministeri­ums. Laut Innenminis­terium hielten sich Ende Oktober 5719 ausreisepf­lichtige Syrer in Deutschlan­d auf. Rund 90 islamistis­che Gefährder besitzen ausschließ­lich die syrische Staatsange­hörigkeit.

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FOTO: SCHUTT/DPA Innenminis­ter Horst Seehofer will mögliche Abschiebun­gen nach Syrien im Einzelfall prüfen.

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