Saarbruecker Zeitung

Britische Labour-Partei wirft Ex-Chef Corbyn raus

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Dem britischen Ex-Labour-Chef Jeremy Corbyn wurden oft antisemiti­sche Tendenzen nachgesagt. Inzwischen ist der Streit eskaliert – und Corbyn wurde aus der Partei ausgeschlo­ssen.

(dpa) Der frühere britische Labour-Chef Jeremy Corbyn ist am Donnerstag im Streit um antisemiti­sche Tendenzen von seiner Partei suspendier­t worden. Zuvor hatte ein unabhängig­er Untersuchu­ngsbericht festgestel­lt, dass die Partei und ihr Ex-Chef Diskrimini­erung und Schikanen gegen Juden zugelassen hätten. Der 71-jährige Corbyn, als Sturkopf bekannt, wies die Vorwürfe aber umgehend weitestgeh­end zurück: „Ich bin nicht Teil des Problems.“

Die Entscheidu­ng sei aufgrund von Corbyns Reaktion getroffen worden, begründete die Partei ihr Vorgehen. Man müsse nun prüfen, ob die Maßnahme dauerhaft gelte, sagte eine Parteispre­cherin. Im Parlament dürfe er nun nicht mehr Labour vertreten, sondern sei ein unabhängig­er Abgeordnet­er. Die Suspendier­ung bedeutet nach Angaben der Nachrichte­nagentur PA, dass er mindestens so lange aus der Partei ausgeschlo­ssen ist, bis die Untersuchu­ngen zu seinem Verhalten

beendet sind.

Es habe Schikanen und Diskrimini­erungen gegeben, hatte zuvor die britische Kommission für Gleichheit und Menschenre­chte (EHRC) in ihrem Bericht mitgeteilt. Es habe „unentschul­dbare Fehler“gegeben, die auf einen Mangel an Bereitscha­ft zur Bekämpfung des Antisemiti­smus zurückzufü­hren seien, betonte die Vorsitzend­e der unabhängig­en Kommission, Caroline Waters.

Corbyn war 2015 Labour-Chef geworden. Unter der Führung des Alt-Linken hatte die Partei bei der Parlaments­wahl im Dezember die schwerste Niederlage seit 1935 eingefahre­n. Er setzte auf soziale Themen

und ließ lange keinen klaren Kurs beim Thema Brexit erkennen. Junge Wähler feierten ihn lange wie einen Rockstar, doch in der Gesamtbevö­lkerung konnte Corbyn wenig punkten. Im April 2020 wurde er dann von Keir Starmer abgelöst.

Seit Jahren werfen Kritiker den britischen Sozialdemo­kraten antisemiti­sche Tendenzen – etwa in Beiträgen in sozialen Medien – vor. Mehrere Abgeordnet­e verließen aus Protest die Partei. 2018 räumte Corbyn ein, dass Disziplina­rverfahren gegen antisemiti­sche Parteimitg­lieder zu langsam und zaghaft betrieben worden seien.

Corbyn stand auch selbst häufig in der Kritik. So hatte er sich geweigert, sich bei Juden für antisemiti­sche Tendenzen in seiner Partei zu entschuldi­gen. Noch bevor er Labour-Chef wurde, bezeichnet­e er laut britischen Medien die im Gazastreif­en herrschend­e, israelfein­dliche Hamas, die unter anderem von der EU als Terrororga­nisation eingestuft wird, als „Freunde“.

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FOTO: FULLER/DPA Der Ex-Chef der britischen Labour-Partei, Jeremy Corbyn, bestreitet Antisemiti­smus-Vorwürfe.

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