„Für Künstler ist es ein absolutes Horrorjahr“
Der Leiter der Musikschule Sulzbach über die kurzfristige Absage des renommierten Jazzworkshops und den Zustand der Branche.
Gerade erst ein paar Tage alt war die Ankündigung: „Die Entscheidung ist gefallen: Wir machen Jazz!“meldete die Musikschule Sulzbach und lud zum renommierten Jazzworkshop ein. In dieser Woche sollte es losgehen. Aber dann begannen die Zahlen der Covid-19-Infektionen zu steigen. Und nun, kurz bevor es losgehen sollte, kam die Meldung: Der Sulzbacher Jazzworkshop ist abgesagt. Wir haben dem Leiter der Musikschule Sulzbach, die den traditionsreichen Workshop veranstaltet, ein paar Fragen gestellt.
Sie haben sich sehr kurzfristig und sicher schweren Herzens entschieden, den Sulzbacher Jazzworkshop 2020 abzusagen. Was für Gedanken gehen Ihnen jetzt durch den Kopf?
Uwe Brandt: Als Verantwortlicher für eine Institution wie die Musikschule, also quasi im Spagat zwischen pädagogischem und wirtschaftlichem Leiter auf der einen
Seite, begeistertem Musiker und Künstler auf der anderen Seite, kommt man nach allem Abwägen unweigerlich zum Schluss, dass der Schutz aller Beteiligten und die Gesundheit Vorrang haben muss. Das tut, wie Sie sich sicher denken können, extrem weh, muss aber meines Erachtens in der momentanen Situation zwingend respektiert und angenommen werden. Ich würde es begrüßen, wenn alle sich dieser Verantwortung bewusst wären und entsprechend handeln würden.
Vor ziemlich genau einem Jahr haben Sie 30 Jahre Jazzworkshop gefeiert. Da schien die Welt noch wenigstens halbwegs in Ordnung. Obwohl die schwere Krankheit des langjährigen Leiters Christoph Mudrich als Schatten über allem lag. Wenig später ist er gestorben, und jetzt muss der Workshop wegen Corona abgesagt werden. Haben Sie Angst, dass die Erfolgssträhne vorbei sein könnte?
Uwe Brandt: Also ich bin absolut kein Pessimist und schon gar kein
Anhänger von Gedanken, dass irgendwelche dunklen Mächte über dem Jazz-Workshop schweben sollten. Der Tod von Christoph und sein Vermächtnis war und ist im Gegenteil für uns alle, insbesondere für seinen Nachfolger Arnulf Ochs, ein Ansporn und eine Verpflichtung, in Christophs Sinne weiterzumachen. Und wenn man bedenkt, dass trotz der für den Jazz-Workshop ungünstigen Zeit (normalerweise findet der Workshop ja in den Faschingsferien statt) es wiederum eine sehr gute
Anmeldezahl gegeben war, bin ich um die Zukunft des Workshops nicht bange. Das zeigen auch die vielen verständnisvollen positiven Rückmeldungen trotz unserer Absage. Die freuen sich alle schon auf die nächste Ausgabe.
Durch Corona sind alle Musikerinnen und Musiker und auch die Musikschulen in Schwierigkeiten geraten. Gerade erst begann das kulturelle Leben wenigstens etwas zu flackern, jetzt gehen die Infektionszahlen wieder hoch – was sicher nicht an der Kultur liegt. Haben Sie Sorge, dass noch mehr auf der Strecke bleiben könnte als der Jazzworkshop?
Uwe Brandt: Ich muss Ihnen insofern (leider) Recht geben, dass es für viele freischaffende Künstler, auch insbesondere für Musiker, ein absolutes Horrorjahr ist. Ich selbst musste wegen Corona meine beiden Kammermusikreihen (Beethoven-Tage in Mettlach/Esch und hier in Sulzbach) mit insgesamt zehn
Konzerten und einer Reihe von hochkarätigen Künstlern absagen. Meine beiden Sommer-Akademien sowie eine Reihe eigener Konzerte sind ebenfalls ausgefallen, und ob die beiden letzten, die Ende November in Berlin geplant sind, überhaupt stattfinden können, steht auch noch in den Sternen. Durch die weiterhin unklare Situation hinsichtlich der Entwicklung der Pandemie sind auch weitere Planungen für 2021 nur ganz schwer möglich. Insofern teile ich Ihre Sorge um das Kulturelle im Allgemeinen vollauf.
Und wie steht es um die Musikschulen?
Uwe Brandt: Was die Musikschulen angeht, haben wir das im Saarland im Bereich der Musikschulen des VdM (Verband der Musikschulen) wie ich glaube, außerordentlich gut überstanden und sind durch ein sehr gutes Krisenmanagement auch nicht in Schwierigkeiten geraten. Das kann ich auf jeden Fall zumindest für die Musikschule Sulzbach-/Fischbachtal behaupten. So wie wir in Sulzbach haben auch fast alle Musikschulen im Saarland Online-Angebote machen können, und so sowohl den Unterrichtsbetrieb weitestgehend als auch die Arbeitsplätze unserer Lehrkräfte (hier insbesondere die der freien Mitarbeiter, die von der ganzen Situation ja am Stärksten betroffen waren) sicherstellen können.
Und wenn es nun wieder einen Lockdown gäbe?
Uwe Brandt: Durch geschickte Investitionen in Hardware zur Digitalisierung waren und wären wir auch bei einer weiteren behördlichen Schließung (auf die wir aber nun wirklich verzichten könnten) bestens gerüstet, sodass ich mir um die Institution Musikschule eigentlich keine Sorgen mache.