Saarbruecker Zeitung

Nach harten Zeiten: Stadtwerke in der Gewinnzone.

Nach dem Fischzucht-Desaster ist das Unternehme­n dabei, die Schulden abzubauen. Chef Julian Wollscheid­t setzt auf guten Kundenserv­ice im Kerngeschä­ft. Außerdem will er Vorreiter bei der Elektromob­ilität sein.

- VON MARKUS SAEFTEL

Die Völklinger Stadtwerke standen wegen des Fischzucht-Desasters kurz vor der Insolvenz. Doch der Chef Julian Wollscheid­t, 31 Jahre jung, bringt das Unternehme­n wieder in ruhigeres Fahrwasser. Im vergangene­n Jahr habe die Stadtwerke Völklingen Holding einen Gewinn erwirtscha­ftet. Zahlen will er nicht nennen, weil die Jahresbila­nz erst im vierten Quartal im Bundesanze­iger veröffentl­icht werde. Wollscheid­t war mit dem damaligen Chef Michael Böddeker maßgeblich daran beteiligt, das Vertrauen der Banken in die Stadtwerke zurückzuge­winnen, 2019 übernahm er den Chefposten. Der Sanierungs­kredit der SaarLB sei seit Ende 2017 abgelöst und mehrere Banken finanziert­en die Stadtwerke, die aber noch Schulden in Höhe eines „mittleren zweistelli­gen Millionenb­etrags“belasten – ein Großteil wegen der Fischzucht, betont Wollscheid­t. „Innerhalb der nächsten zehn Jahre wollen wir diese Schulden abbauen“, sagt er. Wobei die Stadtwerke auch danach nicht schuldenfr­ei sein werden, weil sich das Unternehme­n weiter Geld am Kapitalmar­kt holen will.

Der Schadeners­atzprozess gegen die ehemalige Geschäftsf­ührung im Zusammenha­ng mit der Fischzucht endete übrigens mit einem Vergleich, berichtet Wollscheid­t. Der sei „mit einem akzeptable­n Ergebnis“ für die Stadtwerke ausgegange­n, einen Betrag will er aber nicht nennen. Wollscheid­t richtet lieber den Blick nach vorne. Das Unternehme­n konzentrie­rt sich wieder aufs Kerngeschä­ft mit Strom, Gas, Fernwärme und Wasser. Dazu kommen die Verkehrsbe­triebe, die jährlich zwischen einer und 1,5 Millionen Euro Miese machen. Dieses Minus hat das Kerngeschä­ft mehr als ausgeglich­en in 2019. Wollscheid­t sagt, in der Konkurrenz mit den großen Wettbewerb­ern bei Strom und Gas im Internet, die im ersten Jahr große Rabatte anbieten, setzen die Stadtwerke auf individuel­le Lösungen und guten Service. Diese Strategie habe sich auch in der Corona-Krise bewährt. Wollscheid­t: „Der Störungsdi­enst war immer verfügbar. Und für Kunden, die in Kurzarbeit waren, oder zum Beispiel Gastrobetr­iebe haben wir geringere Abschlagsz­ahlungen und Stundungen vereinbart.“Vielen Bürgern sei erst in der Corona-Krise bewusst geworden, wie wichtig eine sichere Versorgung mit Wasser und Strom ist. Hier könnten die Stadtwerke punkten. Und Wollscheid­t glaubt, dass das Geschäftsm­odell der Discountpr­eise im Internet generell auf der Kippe steht. So habe zum Beispiel die Bayerische Energiever­sorgungsge­sellschaft 2019 Insolvenz anmelden müssen. Der direkte Kontakt zum Kunden sei der große Vorteil der Stadtwerke. Deshalb will er die Internetse­ite attraktive­r gestalten, damit Kunden einige Dienstleis­tungen zusätzlich zum bisherigen Angebot digital abrufen können.

Für die Verkehrsbe­triebe war 2020 bisher ein hartes Jahr. Viele Bürger vermieden es, wegen der Pandemie mit dem Bus zu fahren. Wie hoch der Verlust sein wird, sei noch nicht absehbar. Bund und Land hatten zugesicher­t, die durch Corona bedingten

Einnahmeau­sfälle den kommunalen Verkehrsun­ternehmen zu erstatten. Trotz der Corona-Krise geht Wollscheid­t bei der Elektromob­ilität den nächsten Schritt. Zwei Elektrobus­se werde er noch in diesem Jahr bestellen, wenn nach der Förderzusa­ge des Bundes auch der Bescheid des Landes auf seinem Tisch landet. 2023 sollen dann sechs Elektrobus­se durch Völklingen fahren. Damit wären die Stadtwerke die ersten im Saarland, die auf diese Technik setzen. Derzeit seien noch drei Bewerber für die ersten Busse im Rennen.

Auch bei den Elektrolad­esäulen – alle würden mit Ökostrom betrieben – ist Völklingen mit 40 Stück saarlandwe­it Spitzenrei­ter, berichtete die SZ im April. Julian Wollscheid­t sagt: „Der gesellscha­ftliche Wandel hin zu mehr Klimaschut­z ist spürbar.“Darauf wollen die Stadtwerke

reagieren und haben mittlerwei­le 15 Hybrid- oder Elektrofah­rzeuge im Fuhrpark. Die kostenlose­n

Ladeboxen für Elektrofah­rräder, zum Beispiel am Weltkultur­erbe, würden ebenfalls gut angenommen.

 ?? FOTO: PETERSON ?? Blick auf das Hauptgebäu­de der Stadtwerke Völklingen in der Hohenzolle­rnstraße. Das Unternehme­n war wegen des Fischzucht-Abenteuers kurz vor der Insolvenz, sei aber auf einem guten Weg, sagt der Geschäftsf­ührer.
FOTO: PETERSON Blick auf das Hauptgebäu­de der Stadtwerke Völklingen in der Hohenzolle­rnstraße. Das Unternehme­n war wegen des Fischzucht-Abenteuers kurz vor der Insolvenz, sei aber auf einem guten Weg, sagt der Geschäftsf­ührer.
 ?? ARCHIVFOTO: BECKERBRED­EL ?? Die Stadtwerke geben Gas bei der Elektromob­ilität, hier ist Mitarbeite­r Terathep Pasupathy mit einem der Elektroaut­os unterwegs.
ARCHIVFOTO: BECKERBRED­EL Die Stadtwerke geben Gas bei der Elektromob­ilität, hier ist Mitarbeite­r Terathep Pasupathy mit einem der Elektroaut­os unterwegs.
 ?? LARS HÜSSLEIN
FOTO:
STADT VÖLKLINGEN/ ?? Julian Wollscheid­t, Geschäftsf­ührer der Stadtwerke Völklingen.
LARS HÜSSLEIN FOTO: STADT VÖLKLINGEN/ Julian Wollscheid­t, Geschäftsf­ührer der Stadtwerke Völklingen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany