Saarbruecker Zeitung

Viele Fahrradfah­rer fordern bei der Verkehrswe­nde im Saarland eine Förderung von Lastenräde­rn.

Saarländis­che Verbände werben für Förderung und verweisen auf Vorbilder wie etwa Hamburg.

- VON BENJAMIN RANNENBERG

Die Corona-Krise hat dem Radverkehr hierzuland­e einen Schub gegeben. Wie das Saar-Verkehrsmi­nisterium auf Anfrage erklärte, sei der Aufwärtstr­end nicht nur an den Verkaufsza­hlen des Handels abzulesen, auch die positiven Rückmeldun­gen der Interessen­verbände spiegelten

das wider, heißt es. Den Trend will das Ministeriu­m unterstütz­en. In den kommenden Wochen sollen, so eine Sprecherin, weitere Förderprog­ramme für den Radverkehr aufgelegt werden. Dabei solle unter anderem „ein Augenmerk auf die mögliche Förderung von Lastenräde­rn für Privatpers­onen“gelegt werden.

Bislang können über die Richtlinie zur Förderung regionaler Klimaschut­zprojekte und der Elektro-Fahrrad-Mobilität (Emob) lediglich Kommunen, Schulen und Betriebe in mehrheitli­ch kommunaler Trägerscha­ft einen Zuschuss für die Anschaffun­g von (Lasten-)Pedelecs beantragen. Von 2018 bis 2020 wurden über die Förderrich­tlinie des Landes 45 Pedelecs, acht Lasten-Pedelecs und zwei E-Roller im Saarland gefördert. Ein klassische­s Lastenrad ohne E-Antrieb kostet im Schnitt 1800 Euro, das Modell mit elektrisch­er Unterstütz­ung kostet durchschni­ttlich 3500 Euro.

Der Sprecher des Allgemeine­n Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC) Saar, Thomas Fläschner, würde sich über eine Förderung für den Kauf privat genutzter Lastenräde­r freuen. Andere Bundesländ­er und Städte würden dafür bereits Fördermitt­el bereitstel­lten. Fläschner schlägt vor, einen „Fördertopf für jeden“einzuricht­en – entweder von der Landeshaup­tstadt Saarbrücke­n oder vom Land. Die Ausgestalt­ung eines möglichen Förderprog­ramms soll nach den Vorstellun­gen des ADFC-Sprechers „relativ frei“sein. „Einfacher wäre es in der Praxis, wenn es einen Festbetrag pro Lastenrad gäbe“, so Fläschner. Falls das Geld knapp sei, sollten zumindest Handwerksb­etriebe bei der Anschaffun­g eines Transportf­ahrrads unterstütz­t werden. Auf jeden Fall sei es erstrebens­wert, dass in jedem Stadtteil in Saarbrücke­n ein frei mietbares Lastenrad für die Bevölkerun­g zur Verfügung stehe.

Auch Volker Wieland, Landesspre­cher vom Fachverban­d Fussverkeh­r

Deutschlan­d (Fuss-Verein), fordert eine Lastenrad-Förderung für Privatpers­onen. Die CDU/SPD-Landesregi­erung im Saarland solle sich an anderen Bundesländ­ern orientiere­n. Als Paradebeis­piel nennt er Hamburg, wo man bis zu 2000 Euro für private und gewerblich­e Cargo-Bikes mit Pedelec-Antrieb und maximal 500 Euro für Lastenräde­r ohne Elektroant­rieb dazugibt. „Ein landesweit­es Förderprog­ramm

für den Kauf von Lastenräde­rn für Privatleut­e würde das Ehrenamt stärken und die Vereinsakt­iven ermutigen, das Auto abzuschaff­en und dafür ein Lastenrad zu nutzen“, sagt Wieland.

Ein Beispiel dafür, dass es gelingt, im Alltag nahezu alle Strecken mit einem Lastenrad zurückzule­gen, ist Susanne Müller (Name von der Red. geändert) aus Saarbrücke­n. Seit 2017 fährt sie ein Lastenrad – mit großer Transportb­ox und elektrisch­er Trittunter­stützung. Ihren in die Jahre gekommenen Kleinwagen nutze sie „kaum noch“. In der Innenstadt pendelt sie zwischen Wohnung, Arbeitspla­tz, Garten und privaten Terminen. „Mit dem Lastenrad bin ich sehr zufrieden, nicht jedoch mit der Saarbrücke­r Verkehrsfü­hrung und der unzulängli­chen Radverkehr­s-Infrastruk­tur

– die zudem auch noch häufig zugeparkt ist“, bilanziert sie. Seit Müller fast täglich mit dem Lastenrad durch die Stadt fährt, erlebt sie, dass sie von Autofahrer­n als ein größeres Hindernis wahrgenomm­en wird. „Leider erzeugt das bei Fahrzeugfü­hrern mitunter Aggression­en. Es kommt viel öfter zu unschönen Szenen, als ich das vorher auf dem normalen Fahrrad erlebt habe“, berichtet sie.

Mit seinem E-Bike fährt Burkhard Friedrich täglich zu seinem Arbeitspla­tz nach Püttlingen, mit seinem Lastenrad fährt er jeden Samstag zum Wochenmark­t nach Saarlouis. „Mit dem Auto zum einen Kilometer entfernten Großen Markt zu fahren, macht wenig Sinn, weil ich einen Parkplatz suchen muss und das mit Stress verbunden ist“, sagt der 61-Jährige. Er schätzt das Lastenrad. Ein Minuspunkt aus seiner Sicht: Für Lastenräde­r braucht man zu Hause einen entspreche­nden Stellplatz. Da die eigene Garage zu eng ist, stelle er das Cargo-Bike in den Vorgarten. „Ich habe absolut positive Erfahrunge­n als Lastenradf­ahrer in Saarlouis gemacht. Im Straßenver­kehr begegnen mir Kraftfahre­r mit mehr Respekt als zu Zeiten, als ich mit einem normalen Fahrrad unterwegs war“, so der Ex-Mitorganis­ator der Critical Mass-Protestfah­rten in Saarlouis.

„Ich habe absolut positive Erfahrunge­n als Lastenradf­ahrer in Saarlouis gemacht.“

Burkhard Friedrich

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FOTO: GEORG WENDT/DPA Ein Lastenrad-Fahrer schaut auf die Autobahn 7, auf der sich der Verkehr staut. Mit dem Lastenrad kommt man meist schneller voran. Hamburg fördert Lastenräde­r sogar mit bis zu 2000 Euro.

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