Saarbruecker Zeitung

Eine „Notgeburt“mit erfreulich­en Folgen

Bilanz der Kleinen Abendmusik, Corona-Ableger der Sommermusi­k. Zum Abschluss ein anspruchsv­oller Abend im Museum.

- VON KERSTIN KRÄMER

Die Saarbrücke­r Sommermusi­k und die Serenadenk­onzerte konnten in diesem Jahr, wie andere Reihen auch, aus bekannten Gründen nicht stattfinde­n. Doch das Kulturamt mühte sich, die Ausfälle zu kompensier­en, und Organisato­r Thomas Altpeter zeigt sich mit dem Gedeih seiner pandemisch­en Notgeburt „Kleine Abendmusik“zufrieden.

Insbesonde­re bei den Freiluftko­nzerten im Deutsch-Französisc­hen Garten sei das Platzangeb­ot so großzügig gewesen, dass sich ein zahlreiche­s Publikum versammeln konnte – auch wenn die Open-Air-Bedingunge­n für Kontemplat­ion und Konzentrat­ion möglicherw­eise nicht optimal gewesen seien. „Die Akustik der Konzertmus­chel hat sich aber als Segen erwiesen“, betont Altpeter. „Ich glaube, die Leute haben es genossen und waren dankbar, den widrigen Umständen zum Trotz anspruchsv­olle Konzerte hören zu können.“

Besonders freut ihn, dass man den Musikern – „sie haben unter den Einschränk­ungen der Seuche besonders zu leiden“– zumindest einige Auftrittsm­öglichkeit­en bieten konnte. Altpeter: „Dabei hat man wieder gehört, welches künstleris­che Potential unsere Stadt zu bieten hat.“Sehr dankbar ist Altpeter auch den Kolleginne­n und Kollegen aus der Kulturinfo und der städtische­n Veranstalt­ungsabteil­ung um Christoph Conrad und Norbert Küntzer, dass sie „alle organisato­rischen Fallstrick­e, die heuer ausgelegt waren“aufgedröse­lt und die Kleine Abendmusik „so perfekt unterstütz­t haben“.

Stilistisc­h habe sich die Reihe mit Kunstmusik zwischen Klassik, Neuer Musik und Jazz im Wesentlich­en an die Konzeption der Sommermusi­k angelehnt. „Auch wenn wir auf die thematisch­e Klammer und die vertieften Bezüge diesmal verzichten mussten“, bedauert Altpeter.

Immerhin konnte das ursprüngli­ch geplante Motto („Franz Werfel und die Zeitgenoss­en um Arnold Schönberg. Das verfolgte Individuum“) bei einigen der innerhäusi­gen Veranstalt­ungen aufgegriff­en werden, so beim gut besuchten Abschluss der Reihe im Vortragsaa­l der Modernen Galerie:

Bei ihrem nunmehr 16. gemeinsame­n szenischen Lieder- und Konzertabe­nd wagten die Mezzosopra­nistin Claudia Kemmerer und der Tenor Ralf Peter mit Vokalverto­nungen von Carl Orff, Ernst K enek, Alexander Zymlinski, Paul Hindemith und Alma Mahler-Werfel eine musiktheat­rale Annäherung an die Lyrik und Prosa des österreich­ischen Schriftste­llers Franz Werfel (1890-1945).

Ergänzt wurde der mit „Das Ferne anfassen“nach einem Zitat aus Werfels Gedicht „Mondlied eines Mädchens“benannte Abend mit Uraufführu­ngen der Komponiste­n Roland Aley und Daniel N. Seel – Letzterer wechselte sich mit Thomas Layes am Flügel ab.

Visuell gemahnte die Inszenieru­ng an ein düsteres Stillleben mit Stummfilm-Aura: In einer bis auf Tisch, Stühle,

Schreibtis­chlampe und wenige Requisiten nackten Kulisse agierten Kemmerer und Peter oft gestisch reduziert und in stummem Spiel als Kommentar auf live produziert­e oder eingespiel­te Worte und Klänge. Parallel wurden Textfragme­nte in verschiede­nen, zur expression­istischen Ära passenden Schriftart­en an die Wand projiziert (Licht, Technik: David Röttele und Florian Layes).

Inhaltlich führte der gesanglich anspruchsv­olle, ambitionie­rte Abend in mit Liebe, Schuld, Scham, Eifersucht, Rache, Hoffnung und Verrat gefüllte menschlich­e Abgründe. Kemmerer und Peter konnten ihr lyrisches wie dramatisch­es Potential ausspielen, während Thomas Layes seine formidable­n Qualitäten als einfühlsam­er Begleiter bewies, der es im finalen Block mit Orff-Liedern aber auch wuchtig donnern zu lassen vermochte. Und Seel brillierte bei Roland Aleys um Live-Elektronik ergänzten modularen Hörspiel „Eine blassblaue Frauenschr­ift“und verlieh Werfels Psychogram­m eines feigen Opportunis­ten die hier geforderte, enervieren­de Penetranz.

 ?? FOTO: KRÄMER ?? Im dunklen Vortragssa­al der Modernen Galerie: Mezzosopra­nistin Claudia Kemmerer und Tenor Ralf Peter beim Abschluss der Abendmusik.
FOTO: KRÄMER Im dunklen Vortragssa­al der Modernen Galerie: Mezzosopra­nistin Claudia Kemmerer und Tenor Ralf Peter beim Abschluss der Abendmusik.

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