Saarbruecker Zeitung

Arzt wegen Betrugs und Korruption in Haft

Wirtschaft­sstrafkamm­er verurteilt 61 Jahre alten Pathologen aus dem Saarpfalz-Kreis zu zwei Jahren und neun Monaten Gefängnis.

- VON MICHAEL JUNGMANN

Mit starrem Blick und ohne sichtbare Reaktion hört der Mann mit ungepflegt­em Bart und Haar das Urteil. Zwei Jahre und neun Monate Gefängnis wegen Betrugs in 17 Fällen und 97 Fällen der Bestechung im Gesundheit­swesen, verkündete Christiane Schmitt, Vorsitzend­e Richterin der Wirtschaft­sstrafkamm­er am Landgerich­t. Die Ehefrau (58) des Pathologen Dr. H. (61) wird wegen Beihilfe zum Betrug zu einer Bewährungs­strafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt. Die Justiz macht dem Paar damit die Rechnung auf für ein dreistes Geschäftsg­ebaren in ihrem pathologis­chen Institut, das zwischenze­itlich laut Verteidige­r bereits den Besitzer gewechselt hat. Bundesweit wurden in den vergangene­n Jahren gezielt Fachärzte geworben, damit diese Gewebeprob­en dem Pathologen zur Befundung schickten. Im Gegenzug ging Schmiergel­d über den Tisch. Zuletzt sogar bar in Geldumschl­ägen oder per Express-Wertsendun­g. 2,56 Euro pro Probe eines Kassenpati­enten und zehn Prozent vom Umsatz bei Privatpati­enten zahlte der Pathologe seinen Auftraggeb­ern. „Kick-Back“-Zahlungen sagen Kriminalis­ten zu solchen Geschäften. Bis Mitte 2016 wurde wohl auch die Zahlung von Schmiergel­d mit Scheinrech­nungen über Transportk­osten verschleie­rt.

Mit der Kassenärzt­lichen Vereinigun­g (KV ) im Saarland rechnete der niedergela­ssene Pathologe seine Befundunge­n im großen Stil ab. Weil aber seine Quartalsab­rechnungen – wie sich herausstel­lte – zumindest zum Teil auf rechtswidr­igen Absprachen basierten, sahen Staatsanwä­ltin Christiane Mauger und die Kammer den Tatbestand des Betrugs für mehrere Abrechnung­en erfüllt. Die Ehefrau soll, angeblich kaufmännis­che Leiterin der Praxis, Beihilfe dazu geleistet haben.

Das Urteil der Wirtschaft­sstrafkamm­er (zwei Profiricht­er, zwei Schöffen) basiert auf einer Verständig­ung im Strafproze­ss, einem so genannten „Deal“. Grundlage dafür waren Geständnis­se der Angeklagte­n, die im Gegenzug mit einem gewissen Rabatt beim Strafmaß rechnen durften. Dem suchtkrank­en Pathologen hatte das Gericht eine Strafe von nicht mehr als drei Jahren „in Aussicht gestellt“, seiner Ehefrau von nicht mehr als 21 Monaten.

Das Ehepaar muss nach Feststellu­ng des Gerichts gesamtschu­ldnerisch für den verursacht­en Schaden haften. Die Einziehung von mehr als 1,98 Millionen Euro aus ihrem Vermögen wurde angeordnet. Schmitt stellte in ihrer kurzen Urteilsbeg­ründung fest, das Paar stehe jetzt vor den „Trümmern ihrer wirtschaft­lichen Existenz“, die sie aber mit ihrem Handeln selbst vernichtet hätten. Dem Pathologen droht der dauerhafte Entzug der Arztzulass­ung.

Staatsanwä­ltin Christiane Mauger hatte für den Mediziner eine Strafe von drei Jahren und für die Mitangekla­gte von einem Jahr und neun Monaten gefordert. Gegen die an dem „korruptive­n System“beteiligte­n elf Ärzte laufen bereits seperate Ermittlung­en.

Verteidige­r Pascal Bastuck plädierte für den Pathologen auf zwei Jahre und sechs Monate für seinen Mandanten. Er verwies darauf, dass der Schaden nur formal bei der Kassenärzt­lichen Vereinigun­g entstanden sei, da Leistungen ja nachweisli­ch erbracht wurden. Diese allerdings nach der geänderten Gesetzesla­ge wegen der Provisions­zahlungen nicht mehr abgerechne­t werden durften. Christiane Paul, Verteidige­rin der Ehefrau, plädierte auf eine Bewährungs­strafe von einem Jahr und drei Monaten.

Gegen den Pathologen, dem eine Sachverstä­ndige eine seit Jahren anhaltende Suchterkra­nkung bescheinig­te, laufen weitere Ermittlung­en wegen Körperverl­etzungsdel­ikten. Hintergrun­d sind Vorwürfe von Fehldiagno­sen bei Gewebeprob­en, die auch zu Operatione­n geführt haben sollen. In diesem Zusammenha­ng dürfte für die Ermittler von besonderem Interesse sein, dass der Arzt seit Jahren alkoholabh­ängig und später medikament­enabhängig war. Er durfte offenbar dennoch praktizier­en.

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FOTO: BECKER UND BREDEL Seit vier Monaten sitzt der Mediziner hinter Gittern. Jetzt wurde er zu einer Gefängniss­trafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt.

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