Arzt wegen Betrugs und Korruption in Haft
Wirtschaftsstrafkammer verurteilt 61 Jahre alten Pathologen aus dem Saarpfalz-Kreis zu zwei Jahren und neun Monaten Gefängnis.
Mit starrem Blick und ohne sichtbare Reaktion hört der Mann mit ungepflegtem Bart und Haar das Urteil. Zwei Jahre und neun Monate Gefängnis wegen Betrugs in 17 Fällen und 97 Fällen der Bestechung im Gesundheitswesen, verkündete Christiane Schmitt, Vorsitzende Richterin der Wirtschaftsstrafkammer am Landgericht. Die Ehefrau (58) des Pathologen Dr. H. (61) wird wegen Beihilfe zum Betrug zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt. Die Justiz macht dem Paar damit die Rechnung auf für ein dreistes Geschäftsgebaren in ihrem pathologischen Institut, das zwischenzeitlich laut Verteidiger bereits den Besitzer gewechselt hat. Bundesweit wurden in den vergangenen Jahren gezielt Fachärzte geworben, damit diese Gewebeproben dem Pathologen zur Befundung schickten. Im Gegenzug ging Schmiergeld über den Tisch. Zuletzt sogar bar in Geldumschlägen oder per Express-Wertsendung. 2,56 Euro pro Probe eines Kassenpatienten und zehn Prozent vom Umsatz bei Privatpatienten zahlte der Pathologe seinen Auftraggebern. „Kick-Back“-Zahlungen sagen Kriminalisten zu solchen Geschäften. Bis Mitte 2016 wurde wohl auch die Zahlung von Schmiergeld mit Scheinrechnungen über Transportkosten verschleiert.
Mit der Kassenärztlichen Vereinigung (KV ) im Saarland rechnete der niedergelassene Pathologe seine Befundungen im großen Stil ab. Weil aber seine Quartalsabrechnungen – wie sich herausstellte – zumindest zum Teil auf rechtswidrigen Absprachen basierten, sahen Staatsanwältin Christiane Mauger und die Kammer den Tatbestand des Betrugs für mehrere Abrechnungen erfüllt. Die Ehefrau soll, angeblich kaufmännische Leiterin der Praxis, Beihilfe dazu geleistet haben.
Das Urteil der Wirtschaftsstrafkammer (zwei Profirichter, zwei Schöffen) basiert auf einer Verständigung im Strafprozess, einem so genannten „Deal“. Grundlage dafür waren Geständnisse der Angeklagten, die im Gegenzug mit einem gewissen Rabatt beim Strafmaß rechnen durften. Dem suchtkranken Pathologen hatte das Gericht eine Strafe von nicht mehr als drei Jahren „in Aussicht gestellt“, seiner Ehefrau von nicht mehr als 21 Monaten.
Das Ehepaar muss nach Feststellung des Gerichts gesamtschuldnerisch für den verursachten Schaden haften. Die Einziehung von mehr als 1,98 Millionen Euro aus ihrem Vermögen wurde angeordnet. Schmitt stellte in ihrer kurzen Urteilsbegründung fest, das Paar stehe jetzt vor den „Trümmern ihrer wirtschaftlichen Existenz“, die sie aber mit ihrem Handeln selbst vernichtet hätten. Dem Pathologen droht der dauerhafte Entzug der Arztzulassung.
Staatsanwältin Christiane Mauger hatte für den Mediziner eine Strafe von drei Jahren und für die Mitangeklagte von einem Jahr und neun Monaten gefordert. Gegen die an dem „korruptiven System“beteiligten elf Ärzte laufen bereits seperate Ermittlungen.
Verteidiger Pascal Bastuck plädierte für den Pathologen auf zwei Jahre und sechs Monate für seinen Mandanten. Er verwies darauf, dass der Schaden nur formal bei der Kassenärztlichen Vereinigung entstanden sei, da Leistungen ja nachweislich erbracht wurden. Diese allerdings nach der geänderten Gesetzeslage wegen der Provisionszahlungen nicht mehr abgerechnet werden durften. Christiane Paul, Verteidigerin der Ehefrau, plädierte auf eine Bewährungsstrafe von einem Jahr und drei Monaten.
Gegen den Pathologen, dem eine Sachverständige eine seit Jahren anhaltende Suchterkrankung bescheinigte, laufen weitere Ermittlungen wegen Körperverletzungsdelikten. Hintergrund sind Vorwürfe von Fehldiagnosen bei Gewebeproben, die auch zu Operationen geführt haben sollen. In diesem Zusammenhang dürfte für die Ermittler von besonderem Interesse sein, dass der Arzt seit Jahren alkoholabhängig und später medikamentenabhängig war. Er durfte offenbar dennoch praktizieren.