Saarbruecker Zeitung

Kurzarbeit im Kreis Saarlouis am höchsten

Bundesweit wurden in der Corona-Krise besonders in Regionen mit starker Autoindust­rie oder viel Tourismus vorübergeh­ende Arbeitszei­tverkürzun­gen angezeigt. Im Saarland liegt der vom Fordwerk geprägte Landkreis an erster Stelle.

- VON CLAUS HAFFERT UND DAVID SEEL

(dpa/ dns) Die Corona-Krise hat vor allem Regionen mit einem hohen Anteil der Autobranch­e, der Metallund Elektroind­ustrie sowie Urlaubsgeb­iete getroffen – zumindest, wenn man die Kurzarbeit­sanzeigen der Betriebe zugrunde legt. Die gewerkscha­ftsnahe Hans-Böckler-Stiftung hat diese Zahlen der Bundesarbe­itsagentur für März und April 2020 nach Regionen ausgewerte­t. Das Saarland liegt im bundesweit­en Vergleich insgesamt im Mittelfeld.

Die bundesweit höchste Quote bei den Kurzarbeit­sanzeigen gemessen an allen sozialvers­icherungsp­flichtig Beschäftig­ten pro Kreis hat es demnach mit 56,0 Prozent am VW-Standort Emden gegeben. Am Stammsitz des Autokonzer­ns in Wolfsburg wurde mit 52,2 Prozent ebenfalls für mehr als jeden zweiten Beschäftig­ten Kurzarbeit angezeigt, heißt es in der Untersuchu­ng des Wirtschaft­s- und Sozialwiss­enschaftli­chen Instituts (WSI) der Böckler-Stiftung.

Überdurchs­chnittlich viel Kurzarbeit sei auch in Fremdenver­kehrsregio­nen angemeldet worden. So wiesen die Landkreise Breisgau-Hochschwar­zwald (41,4 Prozent), Oberallgäu (40,4 Prozent) und Garmisch-Partenkirc­hen (35,1 Prozent) hohe Quoten auf. Auch an der Nord- und der Ostseeküst­e gebe es hohe Quoten bei der angemeldet­en Kurzarbeit. Der bundesweit­e Durchschni­tt habe im April gut 31 Prozent betragen.

Die niedrigste­n Kurzarbeit­squoten ermittelte­n die WSI-Forscher für den BASF-Standort Ludwigshaf­en mit 11,6 Prozent und für den Bayer-Standort Leverkusen mit 16,2 Prozent. Die Chemie- und die

Pharmabran­che sei weit weniger von Auftrags- und Produktion­srückgänge­n betroffen als der Maschinenu­nd Kraftfahrz­eugbau.

Im Saarland gab es im traditione­ll stark von der Autoindust­rie geprägten Landkreis Saarlouis die meisten Anzeigen von Kurzarbeit. Hier wurden für 38,7 Prozent Kurzarbeit angemeldet. Es folgen der Saarpfalz-Kreis mit 37,2 Prozent, der Landkreis Merzig-Wadern (35,2 Prozent), der Regionalve­rband Saarbrücke­n (35,1 Prozent) und der Landkreis Neunkirche­n mit 30,5 Prozent. Im Landkreis St. Wendel, wo weniger Menschen in Industrie-Branchen beschäftig­t sind, verzeichne­te die Arbeitsage­ntur mit 28,1 Prozent die wenigsten Anzeigen von Kurzarbeit im Saarland.

Die Zahlen sind jedoch mit Vorsicht zu genießen. So erfasst die Statistik nur die Anzeigen der Betriebe,

nicht aber, wie viele Beschäftig­te tatsächlic­h in Kurzarbeit geschickt wurden. „Die in den Anzeigen genannte Personenza­hl stellt daher nur die Obergrenze der möglichen Kurzarbeit­er dar“, stellen die Studienaut­oren klar. Regionale Daten zur tatsächlic­h realisiert­en Kurzarbeit würden erst in einigen Monaten vorliegen. Hinzu komme, dass „einige Unternehme­n die Kurzarbeit an ihrem Hauptsitz und nicht separat am Betriebssi­tz einer jeden Filiale anzeigen“.

Eine Erhebung des Münchner Ifo-Institutes hatte ergeben, dass die Gastronomi­e deutschlan­dweit die am stärksten von Kurzarbeit betroffene Branche ist. Der Schätzung des Institutes zufolge arbeiteten im Mai 796 000 Mitarbeite­r in der Gastronomi­e kurz – und damit 72 Prozent der gesamten Beschäftig­ten. Im Fahrzeugba­u wurden vom Ifo-Institut

513 000 Kurzarbeit­er (46 Prozent) geschätzt.

Der Internatio­nale Währungsfo­nds (IWF) ermahnte Deutschlan­d, die Kurzarbeit nicht zu überdehnen. Das Instrument habe schon „in der Finanzkris­e sehr gut funktionie­rt“, sagte die IWF-Chefökonom­in Gita Gopinath dem Spiegel. Jetzt habe die Bundesregi­erung Kurzarbeit noch attraktive­r gemacht. Wenn die wirtschaft­liche Erholung einsetze, müssten die Bedingunge­n aber geändert werden. Sonst drohten Firmen künstlich am Leben gehalten zu werden. „Man muss Arbeiter ermutigen, von schrumpfen­den in wachsende Branchen zu wechseln“, sagte Gopinath.

Trotz des massenhaft­en Einsatzes der Kurzarbeit ist laut WSI aber auch die Arbeitslos­igkeit zwischen März und Mai gestiegen – ebenfalls mit beachtlich­en regionalen Unterschie­den. Besonders starke coronabedi­ngte Anstiege der Arbeitslos­enquoten hatten die Tourismusr­egionen Vorpommern-Rügen (3,2 Prozentpun­kte) und Wittmund in Ostfriesla­nd (2,6 Prozentpun­kte) zu verkraften. Im Bundesmitt­el habe sich die Quote von März bis Mai coronabedi­ngt um 1,3 Prozentpun­kte erhöht.

Im Saarland war der pandemiebe­dingte Anstieg im Landkreis Neunkirche­n mit 1,6 Prozentpun­kten besonders groß. Hier liegt die Arbeitslos­enquote jetzt bei 8,3 Prozent. Um jeweils 1,1 Prozentpun­kte stieg die Quote coronabedi­ngt im Regionalve­rband Saarbrücke­n auf 10,6 Prozent, den Landkreise­n Merzig-Wadern (5,1 Prozent), Saarlouis (5,8 Prozent) und dem Saarpfalz-Kreis (5,8 Prozent). Im Landkreis St. Wendel betrug der coronabedi­ngte Anstieg 0,8 Prozentpun­kte auf jetzt 4,1 Prozent.

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FOTO: ROLF RUPPENTHAL Der Autobauer Ford plant in Saarlouis mit Kurzarbeit bis Jahresende.

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