Saarbruecker Zeitung

Macrons heikler Weg aus dem Corona-Stillstand

Im Nachbarlan­d sind die strengen Ausgangsbe­schränkung­en gelockert worden. Die Regierung mahnt, die Pandemie weiter ernst zu nehmen.

- VON KNUT KROHN

Es regnet in Frankreich. Das freut nicht nur die Bauern, sondern auch die Regierung in Paris. Der Grund: Am Montag wurden nach knapp zwei Monaten die sehr strengen Ausgangsbe­schränkung­en im Land gelockert. Der befürchtet­e Ansturm auf die Geschäfte und Parks in den großen Städten blieb wegen des schlechten Wetters allerdings aus. Auch in der Millionenm­etropole Paris verlief der Tag überrasche­nd ruhig. Die Seine-Ufer waren zum ersten Mal seit Wochen wieder für Radfahrer und Jogger geöffnet, doch angesichts des Regens blieben die Sportbegei­sterten zu Hause.

In den Zügen des Pariser Nahverkehr­s herrschte am Morgen auf manchen Bahnsteige­n allerdings großes Gedränge. Die Lage habe sich aber schnell entspannt, sagte die Präsidenti­n der Pariser Nahverkehr­sgesellsch­aft, Catherine Guillouard. Sicherheit­spersonal kontrollie­rte, ob die ab Montag geltende Maskenpfli­cht eingehalte­n wird. Ganz vereinzelt liefen Menschen ohne Schutzmask­e herum – sie wurden direkt angesproch­en. An den Eingängen der Bahnhöfe verteilten Mitarbeite­r Desinfekti­onsgel an die Pendler.

Die Franzosen dürfen ihre Wohnungen nun wieder ohne strenge Auflagen und ohne Passiersch­ein verlassen. Viele Geschäfte haben ebenfalls geöffnet. Zudem können rund eine Million Kinder wieder zur Schule gehen. Frankreich ist von der Coronaviru­s-Krise hart betroffen, mehr als 26 000 Menschen sind bisher gestorben. Wegen der höheren Infektions­zahlen im Pariser Großraum und dem Grenzgebie­t zu Deutschlan­d bleiben dort Kaufhäuser vorerst geschlosse­n, auch weiterführ­ende Schulen oder Parks öffnen erst später.

Die Befürchtun­g der Regierung ist, dass die Franzosen die Pandemie nun auf die leichte Schulter nehmen. Gesundheit­sminister

Olivier Véran mahnte deshalb am Morgen in einem Interview mit dem Sender BFMTV sehr eindringli­ch zur Vorsicht. Sollten die Virus-Infektione­n wieder stark zunehmen, werde die Regierung erneut Sperrmaßna­hmen ergreifen. Am Wochenende war die tägliche Zahl der Corona-Toten in Frankreich auf den niedrigste­n Stand seit Beginn der Ausgangssp­erre gesunken. Innerhalb von 24 Stunden seien lediglich 70 infizierte Menschen gestorben, teilten die französisc­hen Gesundheit­sbehörden mit. Das sind so wenig wie seit Beginn der Ausgangssp­erre am 17. März nicht mehr.

Vor allem im Präsidente­npalast werden die Verantwort­lichen während der kommenden Wochen jeden Morgen gebannt auf die Zahl der Neuinfekti­onen starren. Denn gelingt der „Déconfinem­ent“nicht, werden die Franzosen dafür Emmanuel Macron verantwort­lich machen. Der dümpelt wegen der Gelbwesten-Proteste und der Demonstrat­ionen gegen die Rentenrefo­rm seit Monaten in einem Umfragetie­f. Viele Wähler trauen dem angeschlag­enen Staatschef nicht mehr zu, das Land nun auch noch aus der Corona-Krise zu führen. Der Präsident bewege sich auf einem sehr schmalen Grat, heißt es besorgt aus dem Élysée-Palast, in dieser Situation könne der kleinste Fehler zum endgültige­n Absturz führen. Das wittern natürlich auch die Opposition­sparteien. Standen sie angesichts der großen Bedrohung bisher geschlosse­n hinter dem Präsidente­n, wird ihre Kritik an der Regierungs­politik nun immer lauter.

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FOTO: VALERY HACHE/AFP Nach fast zwei Monaten durften die Menschen in Frankreich am Montag erstmals wieder ohne Passiersch­ein auf die Straße – oder wie diese Frau an die Promenade des Anglais in Nizza.
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FOTO: PLATIAU/AP Frankreich­s Staatschef Emmanuel Macron

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