Saarbruecker Zeitung

Corona reißt Euro-Zone in die Wirtschaft­skrise

Die EU-Kommission rechnet in der Euro-Zone mit einem Rückgang der Wirtschaft­sleistung von fast acht Prozent.

- VON DETLEF DREWES

Die EU-Kommission prognostiz­iert schwere Zeiten für die Mitgliedst­aaten der Union. Als Folge der Pandemie könnte die Wirtschaft­sleistung in der Euro-Zone um fast acht Prozent zurückgehe­n.

Die Corona-Pandemie stürzt Deutschlan­d und Europa laut der EU-Kommission in eine „Rezession von historisch­em Ausmaß“. Bis zum Ende dieses Jahres werde die Konjunktur in der EU um 7,5 Prozent, in der Euro-Zone sogar um 7,75 Prozent einbrechen. Zwar rechnet die Kommission für 2021 mit einer deutlichen Erholung von 6,0 bis 6,25 Prozent – aber frühestens im Jahr darauf könne das Vorkrisen-Niveau wieder erreicht werden.

Es sind dramatisch­e Zahlen, die die Behörde am Mittwoch im Rahmen ihrer alljährlic­hen Frühjahrsp­rognose vorgelegt hat. Und dieses Zahlenwerk ist „mit einem höheren Grad an Ungewisshe­it behaftet als üblich“. Denn die Berechnung­en wurden für den Stichtag 22. April vorgenomme­n und gehen von einer schrittwei­sen Lockerung des Shutdowns ab Mitte

Mai aus. „Eine schwerere und länger andauernde Pandemie als derzeit erwartet könnte zu einem weitaus stärkeren Rückgang des Bruttoinla­ndsprodukt­es (BIP) führen als derzeit angenommen“, heißt es in der Prognose. Dabei steht nach den Worten von EU-Wirtschaft­skommissar Paolo Gentiloni schon jetzt fest: „Europa erlebt einen wirtschaft­lichen Schock, wie wir ihn seit der Großen Depression nicht mehr gehabt haben.“Der Begriff bezeichnet die schwere weltweite

Paolo Gentiloni Wirtschaft­skrise, die 1929 in den USA begann und sich bis tief in die 1930er Jahre hinzog.

Die Zahlen spiegeln den bislang für undenkbar gehaltenen Einbruch wider. Demnach geht die Produktion in den einzelnen Mitgliedst­aaten zwar sehr unterschie­dlich, aber doch überall dramatisch zurück. Die Palette reicht von Polen mit einem Minus von 4,3 Prozent bis zu Griechenla­nd (minus 9,75 Prozent). Für Deutschlan­d wird mit einem Absturz der Jahreswirt­schaftslei­stung um 6,5 Prozent und einer Erholung 2021 von 5,9 Prozent gerechnet. Frankreich verzeichne­t ein Minus von 8,2 Prozent und klettert 2021 wieder um 7,4 Prozent nach oben. Italien rutscht sogar um 9,5 Prozent ab, kann danach aber nur um 6,5 Prozent wieder zulegen. Spanien verliert 9,4 Prozent und schafft 2021 eine Erholung um 7,0 Prozent.

Dementspre­chend klettert auch die Arbeitslos­igkeit in der EU nach oben – von 7,5 Prozent 2019 auf 9,6 Prozent in diesem Jahr. In 2021 geht sie dann nur leicht auf 8,6 Prozent zurück. Nach den Berechnung­en der EU-Behörde sind jene Staaten „besonders anfällig“, in denen viele Arbeitnehm­er mit befristete­n Kurzzeitve­rträgen beschäftig­t sind. Eine Schlüsselr­olle spiele der Tourismus, der in einzelnen Regionen der wichtigste Wirtschaft­szweig sei.

Besonders schlecht werde sich der Arbeitsmar­kt für junge Menschen entwickeln. „Alle EU-Länder sind betroffen und es wird erwartet, dass alle Länder in diesem Jahr eine Rezession erleben werden“, sagte Kommission­s-Vize Valdis Dombrowski­s.

„Europa erlebt einen wirtschaft­lichen Schock, wie wir ihn seit der Großen Depression nicht mehr gehabt haben.“

Die jetzt errechnete­n Entwicklun­gen berücksich­tigen bereits die gewaltigen Anstrengun­gen, die die Mitgliedst­aaten und die EU als Ganzes beschlosse­n haben. Rund 3,4 Billionen Euro wollen die Regierunge­n zur Stützung ihrer Wirtschaft sowie für staatliche Sozialleis­tungen aufwenden. Mit entspreche­nden Folgen für die Staatsvers­chuldung. Die Defizite dürften deutlich steigen. Die Neuverschu­ldung schnellt im Durchschni­tt aller EU-Mitglieder auf 8,5 Prozent hoch – 3,0 Prozent sind gestattet. Davon ist auch Deutschlan­d massiv betroffen. 2019 hatte die Bundesrepu­blik – zum ersten Mal seit 2002 – die erlaubte Höchstgren­ze für den Anteil der Schulden an der Jahreswirt­schaftslei­stung von 60 Prozent wieder unterschri­tten. Aufgrund der milliarden­schweren Hilfsprogr­amme dürfte der Schuldenbe­rg nun wieder auf 76 Prozent anwachsen.

EU-Kommissar für Wirtschaft und Währung

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FOTO: KENZO TRIBOUILLA­RD/DPA EU-Wirtschaft­skommissar Paolo Gentiloni zeichnete am Mittwoch ein düsteres Bild der Pandemie-Folgen für die Mitgliedst­aaten.

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