Saarbruecker Zeitung

Eine Sauerstoff-Flasche und viele Verlierer

Alpin-Ass Stefan Luitz hat bei seinem ersten Weltcup-Sieg gegen die Anti-Doping-Regeln verstoßen. Bestraft ist er noch nicht.

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(dpa) Streng nach Reglement ist Stefan Luitz seinen ersten Weltcup-Sieg los. Der Skirennfah­rer hat bei einem Rennen Sauerstoff über eine Maske eingeatmet und am 2. Dezember gegen Punkt 2.12 im Anti-Doping-Reglement des Ski-Weltverban­des FIS verstoßen. Das bestreitet niemand, weder der Deutsche Skiverband (DSV) noch der Sportler selbst. Und wer diese Regel bricht, wird automatisc­h disqualifi­ziert. So weit, so klar.

Dennoch sind viele Fragen offen: Warum hat die FIS auch eineinhalb Wochen nach dem Vorfall in Beaver Creek (USA) und wenige Tage vor dem nächsten Riesenslal­om in Alta Badia am Sonntag noch keine Strafe ausgesproc­hen? Warum ist sie offensicht­lich bemüht, Luitz nicht aus der Wertung nehmen zu müssen? Und wie kann einem profession­ell arbeitende­n Verband wie dem DSV ein so kapitaler Fehler passieren?

Ein hochrangig­er Funktionär aus der Ski-Welt spricht bei dem Thema von der „Sauerstoff-Affäre“. Seinen Namen will er nicht öffentlich machen. Kaum jemand will offiziell etwas sagen. Anonym haben viele aber eine eindeutige Meinung. „Es sollte nicht passieren, aber das ist komplizier­t“, sagt jemand zum Fehler des DSV. Und zum Prozedere der FIS? „Wenn das eine milde Strafe gibt, ist das eine Farce“, sagt ein Mann, der Sportler und Verantwort­liche im DSV gut kennt. Ein anderer meint: „Regeln sind da, um sie einzuhalte­n. Wenn man dagegen verstößt und es gibt keine Konsequenz­en, dann sind die Regeln überflüssi­g.“

Diese Meinung teilt grundsätzl­ich auch Wolfgang Maier. Der 57 Jahre alte Sportvorst­and des DSV ist mächtig angefresse­n über alles, was passiert ist, seit er die Sauerstoff­flasche im Aufenthalt­sraum der Athleten in Beaver Creek das erste Mal gesehen hat. Sofort habe er die Frage gestellt, ob das erlaubt ist.

Auch weil die Internetsu­che seines Cheftraine­rs Mathias Berthold im FIS-Reglement wegen der schlechten Verbindung immer wieder abbrach, stellte er die Frage dem zuständige­n Mediziner im DSV. Der habe nach eigener Recherche auf die Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada) verwiesen und klipp und klar gesagt: Kein Problem, ist erlaubt.

Wada- und FIS-Reglement stimmen in diesem Punkt aber nicht überein. Die Liste der verbotenen Substanzen und Methoden der Wada mit Stand 2018 ist zwar deutlich aktueller, doch bei Weltcup-Rennen der FIS gelten auch deren Regeln. Ein Kontrolleu­r der Wada hätte beim Anblick Luitz’ mit der Sauerstoff­maske theoretisc­h also nicht mal gezuckt – im Sinne der FIS-Regeln ist es dagegen ein klares Doping-Vergehen.

Anti-Doping-Experten wie der Nürnberger Professor Fritz Sörgel werten das Einatmen von Sauerstoff zwar wie die Wada nicht als Doping. Im Training ist es bei vielen Athleten auch gängige Praxis. Dass der Deutsche Skiverband es in Unkenntnis der Lage Luitz vor dessen Siegfahrt aber erlaubt hat, nennt Sörgel „hochunprof­essionell“.

Maier treffen solche Aussagen. „Da muss man mir als Alpindirek­tor auch mal zugestehen, dass ich nicht alle Regeln kenne“, sagt er: „Wir akzeptiere­n, wenn man sagt, wir haben einen Regelverst­oß gemacht, aber nicht, dass wir gedopt haben. Wir betrügen nicht.“Klar ist, dass er die Verantwort­ung trägt. Deswegen ist ihm wichtig, dass der DSV keinerlei Versuch unternomme­n habe, etwas zu vertuschen. „Wir haben einen Fehler gemacht, da stehen wir auch dazu. Weil wir nicht wussten, dass die FIS ihr Reglement an den internatio­nalen Wada-Code nicht angepasst hat“, erklärt Maier.

Irgendeine Strafe wird Luitz bekommen, daran zweifelt Maier nicht. Nur ist die Situation seiner Meinung nach nicht ganz so eindeutig: „Die müssen ihn nicht disqualifi­zieren. Aber sie können.“

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FOTO: LOCHER/AP/DPA Beim Riesenslal­om am 2. Dezember in Beaver Creek in den USA war Rennfahrer Stefan Luitz auf der Piste überragend unterwegs.
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