Saarbruecker Zeitung

Eine neue Solidaritä­t?

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Europäisch­e Gipfeltref­fen folgen einer ganz eigenen Regie. Während die Bürger die Ergebnisse gerne an der Zahl der Durchbrüch­e messen, sind die beteiligte­n Staats- und Regierungs­chefs oft schon zufrieden, wenn man nur miteinande­r geredet hat. Beim Brexit gab es wenigstens keinen Krach, wenn auch keine Fortschrit­te. In der Migrations­frage schiebt die Gemeinscha­ft gerade ihre gegenseiti­ge Wertschätz­ung vor – was unterm Strich nichts anderes bedeutet, als dass die viel beschworen­e Solidaritä­t in ihr Gegenteil verkehrt wird und anschließe­nd als „flexible Solidaritä­t“wie eine Karikatur ihrer selbst daherkommt. Wer keine Hilfesuche­nden aufnimmt, soll seine Mitverantw­ortung für Europa eben anders zeigen können. Der eine integriert Flüchtling­e, dafür stellt der andere ein größeres Kontingent der Grenzschut­ztruppe. Natürlich kann man das so machen, wenn das Ergebnis stimmt. Doch die „Rosinenpic­kerei“, die man im Falle der Briten energisch zurückweis­t, wird nicht dadurch besser, dass man sie intern selbst praktizier­t. Gerade bei der Migrations­politik zeigt sich deutlich, wie die Gemeinscha­ft sich sogar mit Mogelpacku­ngen von einem Gipfel zum nächsten rettet.

Alibi-Diskussion­en sind keine wirklichen Konzepte für politische Lösungen, aber man kauft sich Zeit, die bekannterm­aßen heilt. Inzwischen sinken die Flüchtling­szahlen so deutlich, dass sich mancher in Brüssel fragt, ob es das Problem eigentlich noch gibt. Immerhin ist der Familienfr­ieden wieder mal gerettet, sogar der italienisc­he Premiermin­ister konnte laut verkünden, dass Kanzlerin Merkel angeblich von dem umstritten­en Etatentwur­f beeindruck­t war. Die EU funktionie­rt. Aber das liegt nicht an solchen Gipfeln, sondern an den Abgeordnet­en und den viel gescholten­en Beamten, die nicht über Wege schwadroni­eren, sondern sie suchen.

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