Saarbruecker Zeitung

Politik ist überwiegen­d Männersach­e

Frauen sind auch im Saarland in den Parlamente­n unterreprä­sentiert – besonders deutlich in der Kommunalpo­litik.

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Seit einhundert Jahren dürfen Frauen in Deutschlan­d wählen. Doch von gleicher politische­r Teilhabe kann im Jahr 2018 nicht die Rede sein. Im Bundestag und im saarländis­chen Landtag liegt der Frauenante­il bei 31 Prozent. „Beschämend“sei das, sagte Bundesjust­izminister­in Katarina Barley (SPD). Noch trostloser ist die Situation in den Kommunen. Nach einer Auswertung des Frauenrate­s ist im Saarland nicht einmal jedes vierte Ratsmitgli­ed auf Orts-, Gemeinde-, Stadt- und Kreisebene eine Frau. In Losheim sitzen im Gemeindera­t zwei Frauen und 31 Männer – kein Einzelfall, gerade auf dem Land.

Das Problem ist politisch erkannt. Als CDU-Chefin Angela Merkel am Wochenende beim Deutschlan­dtag der Jungen Union auftrat, kanzelte sie den Parteinach­wuchs ab, weil im geschäftsf­ührenden Bundesvors­tand der CDU-Nachwuchso­rganisatio­n nur Männer sitzen. „50 Prozent des Volkes fehlen“, sagte Merkel. „Und ich sag‘ Ihnen: Frauen bereichern das Leben. Nicht nur im Privaten, auch im Politische­n.“

Bundesjust­izminister­in Barley prüft nun, ob eine gesetzlich­e Frauenquot­e für den Bundestag vorgeschri­eben werden kann, die SPD unterstütz­t sie dabei. „Was von den Unternehme­n erwartet wird, muss auch Maßstab für den Deutschen Bundestag sein“, sagt Ingmar Naumann, Sprecher der Saar-SPD. Auch CDU-Generalsek­retärin Annegret Kramp-Karrenbaue­r, die sich selbst als „Quotenfrau“bezeichnet, bringt nun eine gesetzlich­e Quote ins Spiel: „Entweder geben sich die Parteien eine Quote. Oder es wird eine Frage des Wahlrechts.“

Bei genauem Hinsehen handelt es sich aber weniger um ein Problem „der Parteien“als vielmehr der liberalen, konservati­ven und rechtspopu­listischen Parteien (siehe Grafik). Bereits 1991 forderte deshalb ein junger CDU-Politiker namens Peter Müller eine Frauenquot­e. Die 1996 eingeführt­e Soll-Vorgabe von mindestens einem Drittel Frauen auf den Listen läuft wegen der Direktmand­ate allerdings regelmäßig ins Leere. „Die Parteimitg­lieder empfinden es als Problem, wenn der Frauenante­il niedrig ist“, sagt Kramp-Karrenbaue­r.

Ihre Forderung, notfalls eine gesetzlich­e Quote wie in Frankreich einzuführe­n, ist aber innerparte­ilich umstritten. Während die CDU-Frauen-Union sich vorbehaltl­os hinter ihre frühere Landeschef­in Kramp-Karrenbaue­r stellt, will die Junge Union (JU) von einer Quote nichts wissen. JU-Landeschef Alexander Zeyer sagte, sein Verband sei „ganz klar“gegen Kramp-Karrenbaue­rs Pläne. Insbesonde­re die Frauen in der JU seien gegen eine verbindlic­he Frauenquot­e, da sie aufgrund ihrer Arbeit in Verantwort­ung kommen wollten und nicht wegen einer Quote. Natürlich sei es nicht zufriedens­tellend, dass verschiede­ne Gruppen in den Parlamente­n unterreprä­sentiert seien, sagt Zeyer. Als Ausweg schlägt er aber eine bessere Förderung dieser Gruppen innerhalb der Parteien und bessere Rahmenbedi­ngungen und Parteistru­kturen vor.

An der geringen Beteiligun­g der Frauen in den Parteien würde eine Quote indes zunächst nichts ändern. Zwar stehen an den Parteispit­zen sehr wohl Frauen – Kramp-Karrenbaue­r bei der Saar-CDU, Rehlinger bei der SPD. Allerdings sind Frauen unter den Parteimitg­liedern unterreprä­sentiert. „Auch wenn der Frauenante­il in der Saar-SPD stetig steigt, würden wir uns über noch größeren Zulauf freuen“, heißt es in der SPD-Landesspit­ze.

Das gilt erst recht für die Funktionär­e auf der unteren Ebene, der „Basis“. Bei der SaarCDU sind gerade einmal 13 Prozent der über 300 Ortsvorsit­zenden Frauen, bei der Saar-SPD auch nur 16 Prozent. Die SPD-Frauen klagen seit Jahren darüber, die „Sitzungsun­d Dauerpräse­nz-Kultur“verhindere, dass Frauen sich engagieren, weil sie sich neben Beruf und Familie nicht auch noch Parteiämte­r aufbürden wollen. Seit diesem Jahr testen SPD-Ortsverein­e vier Jahre lang paritätisc­h besetzte Doppelspit­zen, bei denen sich Männer und Frauen die Verantwort­ung teilen.

Die Landesvors­itzende der CDU-Frauen-Union, Anja Wagner-Scheid, fordert, bei der Mitglieder­werbung gezielt Frauen anzusprech­en und die Arbeitswei­se der Gremien hinsichtli­ch Zeitpunkt, Dauer und Anzahl der Sitzungen auf den Prüfstand zu stellen. Die CDU müsse Frauen auch zur Kandidatur für Parteiämte­r und Mandate motivieren. Hierzu hat die Partei vor zehn Jahren ein Frauenförd­erprogramm mit derzeit 31 Tandems gestartet. Und das Frauenquor­um müsse künftig Vorrang vor anderen Quoten haben. Bisher gilt in der CDU, wie in anderen Parteien, ein ausgeklüge­ltes Proporz-System, das die Kandidaten­listen nach Kreisverbä­nden und Parteivere­inigungen ( Junge, Frauen, Arbeitnehm­er, Wirtschaft­sflügel) vorstruktu­riert. Der Frauenante­il der CDU-Fraktion im Saar-Landtag liegt übrigens bei 25 Prozent – vor einem Vierteljah­rhundert waren es mal 38 Prozent.

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