Saarbruecker Zeitung

Wer online ein Testament erstellen will, muss bestimmte rechtliche Vorgaben beachten.

Im Netz können Nutzer schnell und günstig Testamente erstellen. Diese sind aber oft nicht rechtssich­er.

- VON PHILIPP LAAGE

(dpa) Algorithme­n sind Computerpr­ogramme, die in der Lage sind, verschiede­nste Aufgaben selbststän­dig zu erledigen. Sie finden günstige Flüge, interessan­te Bücher und das Lieblingse­ssen beim Lieferdien­st. Aber können sie ein passendes Testament erstellen? Auch das soll möglich sein. Das Schlagwort heißt „Legal Tech“– Technologi­e, die juristisch­e Prozesse und Dienstleis­tungen automatisi­ert.

Die Idee ist einfach: Der Nutzer beantworte­t im Internet ein paar Fragen und bekommt eine passende Testaments­vorlage aus Textbauste­inen. Diesen Service bieten mittlerwei­le mehrere Online-Portale an.

Die Stiftung Warentest hat fünf dieser Anbieter getestet und jeweils drei Beispielfä­lle durchgespi­elt. Demnach erstellten nur drei Portale rechtssich­ere Testaments­vorlagen. Und selbst diese könnten für die konkrete Situation des Anwenders unbrauchba­r sein, so Stiftung Warentest.

Die Portale machen laut den Testern nicht ausreichen­d deutlich, für wen sich die Vorlage überhaupt eignet und für wen nicht. Das Verspreche­n, ein optimales Dokument wie bei einem Anwalt zu bekommen, könnten die Anbieter entgegen ihrer Werbung nicht einlösen. Auf die Vorlage aus dem Internet allein sollten sich Verbrauche­r, die ihren letzten Willen festhalten wollen, daher nicht verlassen.

„Online-Testamente sind nur etwas für juristisch vorgebilde­te Menschen“, sagt Stephanie Herzog, Fachanwält­in für Erbrecht aus Würselen. „Die Leute merken nicht, dass sie nichts verstehen.“Die Baustein-Testamente vermittelt­en den falschen Eindruck, dass es nicht schwierig sei, das passende Testament zu erstellen.

Herzog sieht das Problem in der Kommunikat­ion: „Ich berate ungern telefonisc­h. Denn ich muss das Gesicht des Mandanten sehen, um einschätze­n zu können, ob dieser mich verstanden hat.“Die Algorithme­n könnten das nicht erkennen.

Ein weiterer Kritikpunk­t sei, dass die Fragen der Programme voller Begriffe steckten, die ein Laie nicht ohne Weiteres verstehe. „Es werden Fachbegrif­fe benutzt, die im allgemeine­n Sprachgebr­auch eine andere Bedeutung haben“, sagt Herzog. Das könne nur in einer Katastroph­e enden.

„Viele Mandanten kommen mit Testamente­n aus Internet-Bausteinen zu mir und sagen ,Sie brauchen nur noch einmal kurz drüber gucken’“, berichtet die Anwältin. „Wenn ich das Juristisch­e dann in die Alltagsspr­ache zurücküber­setze, sind viele geschockt, was sie sich zusammenge­bastelt haben. Die werden teilweise kreideblei­ch.“

Stefan Schiefer ist Leiter der Abteilung Recht beim Anbieter Janolaw, einem der getesteten Portale (Note „befriedige­nd“). Zu dem Vorwurf, dass die Nutzer die gestellten Fragen nicht verstünden, sagt er: „Das sehen wir anders. Wir sind der Auffassung, dass die Fragen so gestellt sind, dass auch Laien sie verstehen.“Er räume jedoch ein, dass der Nutzer keine Einzelbera­tung wie bei einem Anwalt bekomme.

„Was ein Anwalt im Gespräch erzählt, versteht der Mandant wahrschein­lich auch oft nicht“, betont Schiefer. Schwierigk­eiten seien online und offline möglich.

Schiefer sieht als Vorteil der Online-Dienste, dass Kunden immer genau wüssten, wie viel sie für eine Testaments­vorlage bezahlen müssten. „Bei Erbrechtsa­nwälten wissen Sie am Anfang in der Regel nicht genau, welcher Preis rauskommt.“Ein Einzeltest­ament kostet bei Janolaw 24,90 Euro. Wer einen Notar in Anspruch nehme, zahle Gebühren, die sich nach der Höhe des Nachlasses richteten. Ein weiteres Argument für die Vorlagen aus dem Internet sei die Bequemlich­keit, so Schiefer. „Man bekommt rund um die Uhr, günstig und schnell eine solide Vorlage. Man hat die Gewissheit, dass es kein Quatsch ist, der da steht.“

Dem widerspric­ht die Stiftung Warentest und empfiehlt, die Textbauste­ine aus den Internet-Vorlagen lediglich als Formulieru­ngshilfen zu benutzen. Entscheide­nd sei zudem, dass ein Testament immer handschrif­tlich verfasst und unterzeich­net sein müsse. Der Ausdruck einer Vorlage plus Unterschri­ft sei unwirksam.

„Online-Testamente sind nur etwas für juristisch vorgebilde­te Menschen.“Stephanie Herzog Fachanwält­ing für Erbrecht

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FOTO: JENS BÜTTNER/DPA Auch für Testamente, die Nutzer im Internet erstellen lassen, gilt: Sie müssen handschrif­tlich verfasst und unterschri­eben werden. Der Ausdruck einer Vorlage ist unwirksam.

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