Wer online ein Testament erstellen will, muss bestimmte rechtliche Vorgaben beachten.
Im Netz können Nutzer schnell und günstig Testamente erstellen. Diese sind aber oft nicht rechtssicher.
(dpa) Algorithmen sind Computerprogramme, die in der Lage sind, verschiedenste Aufgaben selbstständig zu erledigen. Sie finden günstige Flüge, interessante Bücher und das Lieblingsessen beim Lieferdienst. Aber können sie ein passendes Testament erstellen? Auch das soll möglich sein. Das Schlagwort heißt „Legal Tech“– Technologie, die juristische Prozesse und Dienstleistungen automatisiert.
Die Idee ist einfach: Der Nutzer beantwortet im Internet ein paar Fragen und bekommt eine passende Testamentsvorlage aus Textbausteinen. Diesen Service bieten mittlerweile mehrere Online-Portale an.
Die Stiftung Warentest hat fünf dieser Anbieter getestet und jeweils drei Beispielfälle durchgespielt. Demnach erstellten nur drei Portale rechtssichere Testamentsvorlagen. Und selbst diese könnten für die konkrete Situation des Anwenders unbrauchbar sein, so Stiftung Warentest.
Die Portale machen laut den Testern nicht ausreichend deutlich, für wen sich die Vorlage überhaupt eignet und für wen nicht. Das Versprechen, ein optimales Dokument wie bei einem Anwalt zu bekommen, könnten die Anbieter entgegen ihrer Werbung nicht einlösen. Auf die Vorlage aus dem Internet allein sollten sich Verbraucher, die ihren letzten Willen festhalten wollen, daher nicht verlassen.
„Online-Testamente sind nur etwas für juristisch vorgebildete Menschen“, sagt Stephanie Herzog, Fachanwältin für Erbrecht aus Würselen. „Die Leute merken nicht, dass sie nichts verstehen.“Die Baustein-Testamente vermittelten den falschen Eindruck, dass es nicht schwierig sei, das passende Testament zu erstellen.
Herzog sieht das Problem in der Kommunikation: „Ich berate ungern telefonisch. Denn ich muss das Gesicht des Mandanten sehen, um einschätzen zu können, ob dieser mich verstanden hat.“Die Algorithmen könnten das nicht erkennen.
Ein weiterer Kritikpunkt sei, dass die Fragen der Programme voller Begriffe steckten, die ein Laie nicht ohne Weiteres verstehe. „Es werden Fachbegriffe benutzt, die im allgemeinen Sprachgebrauch eine andere Bedeutung haben“, sagt Herzog. Das könne nur in einer Katastrophe enden.
„Viele Mandanten kommen mit Testamenten aus Internet-Bausteinen zu mir und sagen ,Sie brauchen nur noch einmal kurz drüber gucken’“, berichtet die Anwältin. „Wenn ich das Juristische dann in die Alltagssprache zurückübersetze, sind viele geschockt, was sie sich zusammengebastelt haben. Die werden teilweise kreidebleich.“
Stefan Schiefer ist Leiter der Abteilung Recht beim Anbieter Janolaw, einem der getesteten Portale (Note „befriedigend“). Zu dem Vorwurf, dass die Nutzer die gestellten Fragen nicht verstünden, sagt er: „Das sehen wir anders. Wir sind der Auffassung, dass die Fragen so gestellt sind, dass auch Laien sie verstehen.“Er räume jedoch ein, dass der Nutzer keine Einzelberatung wie bei einem Anwalt bekomme.
„Was ein Anwalt im Gespräch erzählt, versteht der Mandant wahrscheinlich auch oft nicht“, betont Schiefer. Schwierigkeiten seien online und offline möglich.
Schiefer sieht als Vorteil der Online-Dienste, dass Kunden immer genau wüssten, wie viel sie für eine Testamentsvorlage bezahlen müssten. „Bei Erbrechtsanwälten wissen Sie am Anfang in der Regel nicht genau, welcher Preis rauskommt.“Ein Einzeltestament kostet bei Janolaw 24,90 Euro. Wer einen Notar in Anspruch nehme, zahle Gebühren, die sich nach der Höhe des Nachlasses richteten. Ein weiteres Argument für die Vorlagen aus dem Internet sei die Bequemlichkeit, so Schiefer. „Man bekommt rund um die Uhr, günstig und schnell eine solide Vorlage. Man hat die Gewissheit, dass es kein Quatsch ist, der da steht.“
Dem widerspricht die Stiftung Warentest und empfiehlt, die Textbausteine aus den Internet-Vorlagen lediglich als Formulierungshilfen zu benutzen. Entscheidend sei zudem, dass ein Testament immer handschriftlich verfasst und unterzeichnet sein müsse. Der Ausdruck einer Vorlage plus Unterschrift sei unwirksam.
„Online-Testamente sind nur etwas für juristisch vorgebildete Menschen.“Stephanie Herzog Fachanwälting für Erbrecht