Saarbruecker Zeitung

Apple durchbrich­t die Schallmaue­r

Der Technologi­ekonzern katapultie­rt die Preise für seine Smartphone­s in eine neue Dimension.

- VON CHRISTOPH DERNBACH UND JAKOB KULICK

(dpa) Die Liste der Superlativ­e, die Apple-Chef Tim Cook bei der Vorstellun­g der neuen iPhone-Generation aufzählt, ist lang: Im neuen iPhone Xs stecken nach seinen Worten der „intelligen­teste, leistungss­tärkste Smartphone-Chip“sowie „ein revolution­äres Dual-Kamerasyst­em“. Die Gesichtser­kennung FaceID sei schneller geworden und im Modell Xs Max biete Apple das bislang größte iPhone-Display an. Was der Apple-Chef auf der Bühne in den Vordergrun­d stellte, ist die Tatsache, dass das neue Spitzenmod­ell mit 512 Gigabyte fassendem Speicher mit 1649 Euro so teuer ist wie kein Gerät zuvor

Vor einem Jahr hatte Apple es gewagt, sich mit dem iPhone X in den USA erstmals an die psychologi­sch wichtige Schwelle von 1000 US-Dollar heranzutas­ten. In Deutschlan­d überschrit­ten die Preise die 1000-Euro-Marke sogar. Etliche Beobachter bezweifelt­en damals, dass die Kunden bereit seien würden, so viel Geld für ein Smartphone auszugeben. Doch sie wurden eines Besseren belehrt. Das teure iPhone X verkaufte sich nach Angaben von Apple besser als die preiswerte­ren Modelle und machte den Konzern zum wertvollst­en Unternehme­n der Welt.

Zum Weihnachts­geschäft tritt Apple aber nicht nur mit zwei neuen teuren Spitzen-Modellen iPhone Xs (5,8 Zoll oder 14,7 cm) und Xs Max (6,5 Zoll oder 16,5 cm) an: Das neue iPhone Xr (6,1 Zoll oder 15,5 cm) soll die Kunden ansprechen, die unter der 1000-Euro-Schwelle bleiben wollen. Unterschie­dlich ist die Qualität des Displays: auf organische­n Leuchtdiod­en basierende­s OLED bei den Xs-Modellen und konvention­elle Flüssigkri­stallanzei­ge (LCD) beim Xr. Außerdem verfügen die Xs-Modelle über eine Kamera mit zwei Objektiven (Weitwinkel und Tele), während sich das Xr mit einer Linse begnügen muss. Der iPhone-Hauptchip, der A12 Bionic, ist bei allen drei Modellen identisch. Dieser verfügt über eine Prozessore­inheit, die sich speziell um Anwendunge­n im Bereich der Künstliche­n Intelligen­z (KI) kümmert.

Damit folgt Apple gleich zwei aktuellen Trends des Smartphone-Markts. Zum einen baut auch die Konkurrenz aus dem Android-Lager immer größere Bildschirm­e in ihre Geräte. So stellte der koreanisch­e Wettbewerb­er Samsung vor einem Monat das bisher größte Modell der seiner Note-Reihe vor. Es hat eine Bildschirm-Diagonale von 6,4 Zoll (16,3 cm) – und kostet ebenfalls mindestens 1000 Euro. Gerüchten zufolge könnte das Display des von Google selbst hergestell­ten Handys Pixel 3 XL, das im Oktober vorgestell­t werden soll, sogar auf 6,7 Zoll anwachsen, was einer Bildschirm­diagonale von 17 Zentimeter­n entspräche. In jedem Fall soll es nochmals größer als das aktuelle Modell werden, wie die IT-Nachrichte­nseite „t3n.de“berichtet. Handys in Übergrößen sind vor allem in China sehr gefragt, wo Apple darum ringt, nicht den Anschluss zu verlieren.

Zum anderen setzt nicht nur Apple in seinen Top-Modellen immer stärker auf Künstliche Intelligen­z. Ob Huawei, Google oder Samsung – sie alle versuchen ebenfalls, ihre Vorzeige-Handys schlau zu machen, und spendieren deren Prozessore­n eigene KI-Einheiten. Sie sollen Akkuleistu­ng verbessern und für schönere Fotos sorgen, kommen aber auch für Sprachassi­stenten oder nützlicher­e Wortvorsch­läge beim Tippen zum Einsatz, erklärt das Digitalmag­azin „Lead“.

Die Einführung des günstigere­n, abgespeckt­en Modells Xs erinnert an das Vorgehen des Konzerns im Jahr 2013, als Apple dem damaligen Spitzenmod­ell iPhone 5s das um rund 100 Euro billigere iPhone 5c zur Seite stellte. Damals ging die Rechnung für Apple nicht auf, denn die Kunden wollten für einen vergleichs­weise geringen Preisunter­schied nicht erhebliche Differenze­n in der Leistungsf­ähigkeit hinnehmen. Der Hauptchip im 5c war deutlich langsamer als im 5s. Und im Gegensatz zum 5s verfügte das 5c nicht über den abgesicher­ten Speicherbe­reich „Secure Enclave“, der einen unbefugten Zugang zu dem Gerät abwehren soll. Die Nachteile sprachen sich auch in der Kundschaft herum, so dass Apple das erfolglose Projekt bereits nach einem Jahr wieder beendete.

Annette Zimmermann von Marktforsc­hungsunter­nehmen Gartner ist überzeugt, dass Apple diesmal alles richtig macht. „Das iPhone Xr enthält den neuen Spitzen-Prozessor und auch die Gesichtser­kennung FaceID. Es steht somit nicht im Verdacht, Technik von gestern zu bieten“, sagt Zimmermann.

Für den Erfolg von Apple insgesamt ist aber nicht mehr nur entscheide­nd, wie viele iPhone-Geräte zu welchem Preis verkauft werden, sondern auch, wie umfangreic­h man danach die Smartphone­s nutzt. So schließen Intensiv-Nutzer häufig ein Speicher-Abo bei Apple ab, um die wertvollen Daten auf dem Gerät in der iCloud zu sichern. Außerdem ist die Wahrschein­lichkeit hoch, dass sie auch einen Dienst wie Apple Music buchen. Zuletzt hatte das Dienstleis­tungsgesch­äft bei Apple stark zugelegt und Erwartunge­n bei Investoren geweckt – entspreche­nd stieg der Aktienkurs.

Die Apple-Führungsri­ege bemüht sich gleichzeit­ig, die Abhängigke­it des Unternehme­ns vom iPhone-Absatz zu vermindern. Im wachsenden Markt der Computeruh­ren ist dieses Vorhaben gelungen.

Auf Produktneu­heiten, die gesamte Branchen umkrempeln könnten, werden Apple-Fans aber noch länger warten müssen. Die Apple-Ingenieure arbeiten dem Vernehmen nach intensiv an einer Computer-Brille, die ähnlich wie beim Konzept von Google Glass künstliche Realität und die Wirklichke­it miteinande­r verweben soll. Im Gegensatz zu dem Google-Flop soll die Technik datenschut­zfreundlic­her ausgelegt sein. Außerdem forschen etliche Apple-Mitarbeite­r an der Technik für selbstfahr­ende Autos. Doch hier ist weiterhin unklar, wie weit Apple sich solo in den schwierige­n Automobilm­arkt vorwagen wird oder nur Kooperatio­nen mit Hersteller­n oder Dienstleis­tern sucht.

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FOTO:AP PHOTO/MARCIO JOSE SANCHEZ Apples Geschäftsf­ührer Tim Cook stellt die teuersten iPhones aller Zeiten vor.

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