Saarbruecker Zeitung

Facebook löscht nach eigenen Regeln

Welche Kommentare sind verboten, welche nicht? Eine Begründung für eine Konto-Sperre gibt das Netzwerk nicht.

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Behinderun­g oder Krankheit. Auch Einwanderu­ngsstatus ist in gewissem Umfang eine geschützte Eigenschaf­t“, heißt es auf der Seite

Blees ist ehrenamtli­cher Mitarbeite­r der Aktion 3. Welt Saar im Saarland. Der gemeinnütz­ige Verein recherchie­rt und publiziert zu Asyl, Rassismus, Fairer Handel, Antisemiti­smus und Islamismus. Am 10. Februar habe der Verein eine Veranstalt­ung angekündig­t mit dem Titel „Plädoyer für eine politische Lösung des Türkei-Kurdistan-Konfliktes“, sagt Blees. Vier Tage später wurde die Ankündigun­g auf der offizielle­n Facebook-Seite des Vereins gelöscht. Das Unternehme­n begründet die Sperre mit einem Verstoß gegen die Richtlinie­n.

Blees gibt zu, in manchen Facebook-Diskussion­en provoziere­n zu wollen, um zum Nachdenken anzuregen. Doch er fragt sich auch, was mit all den anderen Kommentare­n ist, die die Plattform stehen lasse und die tatsächlic­h in ihrer ganzen Zielrichtu­ng

Lina Bock hasserfüll­t und beleidigen­d seien. „Manche davon gewiss auch in strafrecht­lich relevantem Sinn“, sagt Blees. Gemeinhin bestreitet Facebook, dass viele Beschwerde­n dazu führen, dass ein Kommentar gelöscht wird. Ausschlagg­ebend sei die Prüfung durch einen Mitarbeite­r, sagt eine Unternehme­nssprecher­in. Trotzdem komme es immer wieder zu Sperrungen von Accounts und Nachrichte­n, die satirische Beiträge darstellen oder einzelne Sichtweise­n im demokratis­chen Meinungssp­ektrum widerspieg­eln.

Die nordrhein-westfälisc­he Staatssekr­etärin für Integratio­n, Serap Güler (CDU), engagiert sich gegen das Tragen von Kopftücher­n bei Mädchen unter 14 Jahren. Bei Facebook und Twitter postete sie im April: „Einem jungen Mädchen ein Kopftuch überzustül­pen, ist pure Perversion. Das sexualisie­rt das Kind.“Facebook löschte die Nachricht, Twitter nicht.

Auch die dunkelhäut­ige Imoan Kinshasa wurde bei Facebook gesperrt, einen Tag lang. Auf einem österreich­ischen Weinfest sei sie, weil sie die bayerische Tracht getragen habe, als „Neger im Dirndl“beleidigt worden, berichtete sie auf ihrer Facebook-Seite. Der Zeitung „Der Standard“zufolge wurde der Beitrag fast 12 000 gelikt und 5000 Mal geteilt. Dann sperrte ihn Facebook wegen Hassrede, obwohl sie in ihrer Veröffentl­ichung den entschärft­en Begriff „N*eger“benutzt hatte.

Was Blees besonders ärgert: Eine konkrete Begründung für die Sperre bekomme man nie. Diese Intranspar­enz kritisiert auch Markus Reuter von „netzpoliti­k.org“: „Was ist eigentlich verboten und was nicht?“Anders als Facebook und Twitter immer behauptete­n, würden Inhalte „mit Sicherheit“auch automatisc­h gelöscht, vermutet Reuter.

Und auch die Journalist­enorganisa­tion „Reporter ohne Grenzen“beobachte einen Übereifer bei den Plattforme­n. Facebook und Google begriffen sich als Privatunte­rnehmen und löschten nach ihren eigenen Regeln. Sie räumten sich das Recht ein, auch Inhalte zu entfernen, die von den Kommunikat­ionsfreihe­iten gedeckt seien.

Die Kölner Medienanwä­ltin Lina Bock sagt: „Nicht jedes gesperrte Posting ist zwangsläuf­ig auch rechtlich bedenklich.“Die Frage, was noch zulässige Meinung sei, sei häufig Abwägungss­ache und die könne auch fehlerhaft ausfallen. Im Zweifel müsse das ein Gericht klären, sagt Bock. In der jüngsten Zeit haben deutsche Gerichte in einzelnen Urteilen bewirkt, dass Facebook bereits gelöschte Kommentare wieder entsperren musste, weil es sich um zulässige Meinungen gehandelt hatte.

Bei der letzten Sperre hat Blees Facebook eine Antwort auf die Sperrung geschriebe­n: Sein Kommentar über die „palästinen­sischen Terroriste­n“sei kein Verstoß gegen die Gemeinscha­ftsstandar­ds. Daraufhin wurde sein Kommentar wieder freigescha­ltet. Es liege doch keine Hassrede vor, antwortete das soziale Netzwerk. Sein Konto aber blieb gesperrt.

„Nicht jedes gesperrte Posting ist

zwangsläuf­ig auch rechtlich bedenklich.“

Kölner Medienanwä­ltin

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FOTO: LIONEL BONAVENTUR­E Das soziale Netzwerk löscht nach eigenen Regeln. Die Kriterien sind oft unklar und undurchsic­htig.

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