Saarbruecker Zeitung

Bewegung macht stark

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Diese Woche habe ich gelernt, dass man beim Aufstehen sitzenblei­ben kann. „Aufstehen“, so nennt sich eine von Sahra Wagenknech­t und Oskar Lafontaine initiierte sogenannte Sammlungsb­ewegung, die für mehr soziale Gerechtigk­eit und ein gutes Leben für alle streiten soll. Etwa 60 000 Menschen haben sich der Bewegung bereits angeschlos­sen, hieß es diese Woche.

So viele Menschen, die raus gehen, demonstrie­ren, das Gespräch suchen auf der Straße, vor Supermärkt­en, auf Festen – eben überall dort, wo Menschen zusammenko­mmen. Menschen, die „Stopp!“rufen, wenn sie mitkriegen, dass jemand ungerecht behandelt wird. Die friedlich, aber entschloss­en dafür werben, dass es immer mehr werden, die aufstehen dafür, dass Menschlich­keit im Mittelpunk­t politische­r Entscheidu­ngen steht. So habe ich mir das vorgestell­t mit dem „Aufstehen“. Ich habe mich vom Begriff „Bewegung“täuschen lassen. Um Teil der Bewegung zu werden, reicht es, wenn man auf einer Internetse­ite seinen Namen und seine E-Mail-Adresse einträgt.

Diese Art der politische­n Einmischun­g ist kein spezielles Vorgehen der linken Sammlungsb­ewegung. Ich habe den Eindruck, dass immer mehr Menschen sich bereits heldenhaft fühlen, wenn sie zum Beispiel im Internet ihren Namen unter eine Petition oder Resolution setzen. Widerstand und Protest im Minutentak­t funktionie­rt auch, indem man auf der Internetpl­attform Facebook das „Daumen hoch“-Symbol unter die Meinung anderer setzt oder seinen Protest durch ein Symbol ausdrückt, das ein sich erbrechend­es Gesicht zeigt. Mann, haben wir es der bösen Welt dann damit aber mal wieder gezeigt!

Bei so mancher Bewegung dieser Art habe ich den Eindruck, dass zumindest ein nicht unerheblic­her Teil derer, die sich ihr zugehörig fühlen, jenseits des bequemen Computerpl­atzes der Meinung ist: Jede Bewegung schwächt.

Dass man unsere Gesellscha­ft gestalten kann durch echte Bewegung, haben diese Woche ausgerechn­et diejenigen gezeigt, denen man mitunter eingeschrä­nkte Bewegungsm­öglichkeit­en unterstell­t: Senioren. Konkret: der Saarbrücke­r Seniorenbe­irat. Der setzt sich dafür ein, dass ältere Menschen auch im vorletzten oder letzten Lebensabsc­hnitt noch mitmischen können – im eigenen Interesse und im Interesse der Gemeinscha­ft.

Über ein Viertel der Saarbrücke­r sind älter als 60 Jahre. Wie diese Frauen und Männer auch im Alter gesund und fit bleiben, wie sie Barrieren überwinden können, wie sie mobil bleiben, wie sie weiter am gesellscha­ftlichen Leben teilnehmen können, darum soll es bei einer Seniorenme­sse am 22. und 23. Oktober in der Congressha­lle gehen. Dort soll es auch darum gehen, wie der Zusammenha­lt in der Stadt und in der Nachbarsch­aft gestärkt werden kann, indem Netzwerke geschaffen werden. Das klingt nach einer spannenden Sammlungsb­ewegung – nach einer, für die man aber wirklich aufstehen muss.

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