Saarbruecker Zeitung

Wo schnell viel Wohnraum wachsen musste

Architekte­n standen nach dem Krieg auf beiden Seiten der Grenze vor ähnlichen Herausford­erungen. Die einst gelobten Lösungen brachten aber Probleme.

- Produktion dieser Seite: Markus Saeftel, Frank Kohler, Marcus Kalmes

Menschen aus dem Saarland“.

Ingeborg Besch erklärte den Gästen zu Beginn, dass es die Absicht war, mit diesem Vortrag Neugier zu wecken; denn im September wird der Deutsche Werkbund Saarland eine Ausstellun­g zu diesem Thema im Pingusson-Bau eröffnen. Um die Besonderhe­iten der Architektu­r der 1950er-Jahre zu verstehen, gab die Kunsthisto­rikerin eine kleine Einführung und brachte es auf den Punkt. „Um die Jahrhunder­twende hat die moderne Architektu­r tief Luft geholt, dann in den 1940er-Jahren die Luft angehalten, in den 50erJahren geatmet und in den 60er- Jahren gehechelt.“

Besch konzentrie­rte sich danach auf den Siedlungsb­au der Nachkriegs­zeit und hier ganz entscheide­nd auf die Folsterhöh­e in Saarbrücke­n. „Man sieht hier das Serielle in der Architektu­r“, erklärte sie, indem sie auf die immer gleichen Balkone und Lichtbände­r in der sparsamen Plattenbau­weise verwies.

Diese Platten wurden 1962 von der Firma Camus-Ditsch in Forbach hergestell­t. So konnten damals innerhalb von knapp zwei Jahren 948 Wohnungen in einem 16-geschossig­en Wohnhaus, zwei 13-geschossig­en Gebäuden sowie in zwei neun- und vier sechsgesch­ossigen Wohnhäuser­n errichtet werden.

Um sich auf den Vortrag vorzuberei­ten, hat Besch das Viertel mehrfach besucht. Und so konnte sie ganz eigene Erfahrunge­n berichten. „Die Folsterhöh­e war seinerzeit ein beliebtes Wohngebiet für Familien mit Kindern. Obwohl sie heute stigmatisi­ert ist, leben viele Menschen gerne dort. Es ist grün, es gibt Spielplätz­e, es ist fast wie ein großes Dorf.“Auf Fotos zeigte sie die Erfolge der Sanierunge­n, die zur Erhaltung der Bausubstan­z notwendig waren. „Dabei sind die alten Kacheln an den Wänden verschwund­en. Aber um das zu imitieren, wurden die Gebäude farblich gestaltet“, sagte Besch. Nur die Enge der Laubengäng­e im 13. Stock, über die man die Wohnungen erreicht, habe sich nicht geändert. „Da konnte ich nicht hergehen, da wird mir schlecht.“

Bei Jean Marie Helwigs Vortrag wurde es für die Gäste etwas schwierige­r, genau zu folgen. Das lag einmal an dem lauten und prasselnde­n Regen auf dem Tonnendach des Historisch­en Museums. Dann aber auch an den Details der gezeigten Abbildunge­n, die insbesonde­re für die Zuhörer in den hinteren Reihen zu klein waren. Trotzdem erfuhr man Spannendes aus der Architektu­rgeschicht­e Frankreich­s.

Neben einigen Erläuterun­gen zum Siedlungsb­au in Forbach zeigte Jean Marie Helwigs Fotos aus den 1920er- und 30er-Jahren, die offenbarte­n, dass die französisc­he Architektu­r dieser Zeit ornamental­er war als in Deutschlan­d. Insbesonde­re das Pariser Palais de Chaillot von Louis-Hippolyte Boileau wurde von ihm thematisie­rt. Mit diesem Gebäude verglich er den Pingusson-Bau. „Pingusson hat mit der langen Außentrepp­e den Garten integriert“, berichtete er. Und er schloss seinen Vortrag in deutscher Sprache mit der französisc­hen Zusammenfa­ssung, dass die ehemalige französisc­he Botschaft von einer Modernität sei, „avec un goût du Palais de Chaillot“.

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FOTO: INGEBORG BESCH Einer der Orte zum Spielen und zur Entspannun­g für die Menschen auf der Folsterhöh­e.
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FOTO: HISTORISCH­ES MUSEUM SAAR Diese Impression zeigt einen Blick auf die Cité Petite Forêt in Forbach.
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FOTO: INGEBORG BESCH Blick auf das Hochhaus Im Vogelsborn, das die Saarbrücke­r Siedlungsg­esellschaf­t vor Kurzem saniert hat.
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FOTO: INGEBORG BESCH An diesem Gebäude steht die Sanierung noch aus.

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