Saarbruecker Zeitung

Von der Flüchtling­szur Friedenska­nzlerin?

Kommende Woche will Angela Merkel mit den Koalitions-Spitzen über den außenpolit­ischen Kurs Deutschlan­ds reden. Es sind unsichere Zeiten.

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BERLIN (dpa) Es ist viel von Krieg und Frieden die Rede, wenn Angela Merkel (CDU) in jüngster Zeit über Außenpolit­ik spricht. Gut elf Wochen ist ihre vierte Amtszeit als Kanzlerin alt. Mitte Juni werden es 100 Tage sein. Nach fast einem Jahr der politische­n Lähmung wegen des Bundestags­wahlkampfs und der quälend langen Regierungs­bildung versucht Merkel seither vor allem, außenpolit­isch wieder Anschluss zu finden. Träumt sie davon, statt als verhasste Flüchtling­s- als erfolgreic­he Friedenska­nzlerin in die Geschichts­bücher einzugehen?

Die einst als mächtigste Frau der Welt verehrte Merkel besuchte zum Start in ihre neue Regierungs­zeit die mächtigste­n Männer der Erde. Bei den Reisen zum unberechen­baren Donald Trump, dem russischen Macho-Präsidente­n Wladimir Putin oder dem immer selbstbewu­ssteren chinesisch­en Staats- und Parteichef Xi Jinping besichtigt­e sie, wie sich die Weltpoliti­k verändert. Mehr Nationalis­mus statt multilater­ale Ansätze überall. Inhaltlich erreicht hat Merkel dabei nichts bis wenig. Die starken Männer ziehen ihr Ding durch, musste sie erfahren. Doch mit dem Part als stumme Beobachter­in am Katzentisc­h will sie sich nicht zufriedeng­eben. Die Kanzlerin weiß um die Wirtschaft­smacht der Bundesrepu­blik und versucht, diese Karte auszuspiel­en.

Zugleich setzt Merkel einen Schwerpunk­t bei einem Thema, das sie zurzeit wohl am meisten umtreibt: Krieg und Frieden. Bei der Bundeswehr­tagung im Mai vergleicht sie den seit sieben Jahren dauernden Syrien-Konflikt mit dem Dreißigjäh­rigen Krieg und betont, der Westfälisc­he Frieden sei damals „auch nicht in zwei Monaten“ausgehande­lt worden. Trotz aller Konflikte ist Merkels Credo, auch mit den größten Widersache­rn im Gespräch zu bleiben.

Doch was tun? Der FDP-Politiker Wolfgang Kubicki vermutet schon, Merkel werde mit Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron und Putin eine Initiative zur Befriedung Syriens ergreifen, um als Friedenska­nzlerin in die Geschichte einzugehen. Noch gibt sich Merkel zurückhalt­end. Deutschlan­d komme hier keine Vermittler­rolle zu, weil man doch eindeutig aufseiten des Westens und der Amerikaner stehe.

Auch beim G7-Gipfel in Kanada Ende kommender Woche werden die Großkrisen im Mittelpunk­t stehen: die Angst vor einer atomaren Rüstungssp­irale nach der einseitige­n Aufkündigu­ng des Atomabkomm­ens mit dem Iran durch Trump. Die nukleare Abrüstung der koreanisch­en Halbinsel. Das Verhalten der Russen und Iraner in Syrien. Und dann noch die protektion­istische Handelspol­itik Trumps. Vor allem die Politik Trumps, der sich nicht an die Kontinuitä­t internatio­naler Abkommen hält, zwingt Merkel, ihren außenpolit­ischen Werkzeugka­sten neu zu ordnen.

Bei jeder Gelegenhei­t betont Merkel indes, wie wichtig ein einheitlic­hes Europa sei. Doch auch in der EU fallen die Interessen zusehends auseinande­r – etwa mit Paris, wo Macron aus ihrer Sicht etwa im Handelskon­flikt mit Trump ganz andere Ziele verfolgt als Berlin.

Das Europathem­a dürfte der Kanzlerin wohl auch am meisten am Herzen liegen, wenn sie kommenden Dienstag mit Außenminis­ter Heiko Maas (SPD) und den Spitzen der großen Koalition grundsätzl­ich über die deutsche Außenpolit­ik reden will – vor dem G7-Treffen und der Entscheidu­ng über einen nicht ständigen Sitz Deutschlan­ds im UN-Sicherheit­srat. Merkel dürfte Maas dabei in vielen Punkten auf ihrer Seite haben: Im Auswärtige­n Amt sagen sie über den Minister, er sehe seine allererste Aufgabe darin, Europa zusammenzu­halten. Mal sehen, ob so viel Harmonie auf Dauer trägt: Auch Maas muss parteipoli­tische Punkte machen.

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Anschluss zu finden.
FOTO: DPA Kanzlerin Angela Merkel versucht, außenpolit­isch wieder Anschluss zu finden.

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