Saarbruecker Zeitung

Punktsieg für Kim Jong Un im Duell der Zornigen

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Nach dem jähen Ende des politische­n Frühlings zwischen den USA und Nordkorea blieben zunächst viele Fragen. Etwa diese: Wie geht es nach dem teilweise ungelenk formuliert­en persönlich­en Schreiben von Donald Trump an Kim Jong Un weiter? Droht eine Eskalation, nachdem der US-Präsident einmal mehr unverhohle­n mit dem machtvolle­n Nuklearars­enal der Vereinigte­n Staaten gedroht hat? Oder lässt sich die Tür zur Diplomatie, die Trump trotz des harschen Tons einen Spalt offen gelassen hatte, doch noch weiter aufstoßen?

Eine erste Reaktion aus Pjöngjang hatte ja gezeigt, dass man dort weiter gesprächsb­ereit ist. Trump signalisie­rt zudem plötzlich, dass er den Gipfel am 12. Juni doch noch nicht abgeschrie­ben hat. Und: Seine kurios-positiv wirkenden Aussagen vom Wochenende deuten darauf hin, dass die Aufkündigu­ng des Gipfels irgendwie gar nicht so ernst gemeint war. Ein US-Vorauskont­ingent wurde zudem bereits nach Singapur in Marsch gesetzt. Das ist eine Form unorthodox­er Trumpscher Außenpolit­ik, die die Köpfe schwirren lässt.

Angesichts der bekannten Volatilitä­t des US-Präsidente­n und der notorische­n Unberechen­barkeit der Führung in Pjöngjang bleibt derzeit auch der Schluss, dass es keinerlei zuverlässi­ge Prognosen über die weltweit erhoffte Annäherung zwischen den USA und Nordkorea geben kann. Trump, der sich und seine Fähigkeit des „Dealens“stets in höchsten Tönen gelobt hat, trifft hier auf einen gleichwert­igen und ebenso reizbaren Gegner. Und der Punktsieg in diesem Duell der gerne mal Zornigen geht zunächst an Kim. Denn Trump hatte in den letzten Monaten für einen bisher beispiello­sen Nordkorea-Hype gesorgt, der die Fans des US-Präsidente­n bereits laut nach dem Friedensno­belpreis rufen lässt. Nun wurden die übertriebe­nen Erwartunge­n auf ein Normalmaß gestutzt.

Realistisc­h gesehen stehen die Chancen auf eine tatsächlic­he Annäherung und eine von unabhängig­en Inspektore­n ohne Behinderun­g nachprüfba­re atomare Abrüstung Nordkoreas ohnehin eher schlecht. Die Diktatur hat in den letzten Jahrzehnte­n vor allem damit überzeugt, gutgläubig­e Verhandlun­gspartner in Washington und Seoul zu täuschen und mühsam ausgehande­lte Abkommen zu verletzten. Nun kommt noch dazu, dass über dem Konflikt der Schatten Libyens hängt. Von Trumps Sicherheit­sberater John Bolton leichtfert­ig in die Diskussion gebracht, ist Kim nachdrückl­ich klar gemacht worden: Mit der vollständi­gen und schnellen Aufgabe der Nuklearwaf­fen gibt er auch seine allerletzt­e Lebensvers­icherung ab. Wird er dies riskieren, wo doch das Schicksal von Muammar al-Gaddafi nachdrückl­ich klar gemacht hat, wie tödlich Konzession­en enden können?

Die Logik des Abschrecku­ngs-Prinzips und auch die jähe Aufkündigu­ng der Iran-Verträge durch die USA sprechen dagegen, dass Kim nach der Unterzeich­nung einiger Schriftstü­cke tatsächlic­h alle Karten offen auf den Tisch legen und maximal abrüsten wird.

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