Saarbruecker Zeitung

Hollywood, Du tiefe Schlangeng­rube

Eric Idle, Mitglied der legendären und seligen Komikertru­ppe Monty Python, legt eine Satire über Hollywood vor.

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schneller, manche langsamer, ungebremst aber allesamt.

Stanley Hay heißt der Erzähler, im ersten Satz richtet er sich an „Euer Ehren“– man darf vermuten, dass die folgenden Erinnerung­en nicht gut enden. Hay ist als Drehbuchau­tor und Gagschreib­er leidlich im Geschäft, er kann „vom Texten und davon Abkupfern ganz gut leben“, wie er sagt. Doch was ist man als Autor, ohne den einen, den großen Roman? Hay plant ein allumfasse­ndes Enthüllung­sbuch über Hollywood, vor allem über Sex – wobei das meiste frei erfunden ist. Das wissen aber weder sein Agent noch ein Verlagsmen­sch, der einen Bestseller für sein Sommerprog­ramm wittert. Was beide auch nicht ahnen: Hay hat noch keine Zeile geschriebe­n. Eine Mischung aus Schreibblo­ckade und -unlust lähmt ihn, er vertröstet und schwindelt, das Werk sei so gut wie fertig. „In Hollywood nennt man das eine kreative Wahrheitsd­ehnung. Überall sonst heißt das Lüge.“Doch Hay unterschät­zt die gut geölten Apparature­n Hollywoods. Sein Agent verkauft die Filmrechte des Buchs für Millionen, Hay wird durch den Talkshow-Dschungel geführt, die Vorbestell­ungen für das Buch steigen ins Unglaublic­he, während er langsam panisch wird und seine letzte Finte fehlschläg­t: Aus seiner Lüge, seine Anwälte gäben das Manuskript nicht frei, weil sie Klagen der Promis im Buch fürchteten, entfacht eine flammende Debatte über Meinungsfr­eiheit. Und Hay ist mittendrin.

Autor Idle führt uns in ein Fegefeuer der Eitelkeite­n, der Lüge, des Buckelns, Tretens, des allgegenwä­rtigen Sex und spart seine Hauptfigur charakterl­ich nicht aus: Hay ist kein besserer Mensch als die Opportunis­ten um ihn herum, er war beim Lügen eben nur ein bisschen ungeschick­ter. Zwei reale Drehbuchau­toren zitiert Idle in seinem Buch: Oscar-Preisträge­r William Goldman („Die Unbestechl­ichen“) und Joe Eszterhas („Basic Instinct“), was wohl kein Zufall ist. Beide haben autobiogra­fische Bücher über ihre Arbeit in und ihre Probleme mit Hollywood geschriebe­n, an die Idles Buch durchaus erinnert, die aber unmittelba­rer wirken, eben weil ihr Erkenntnis­gewinn höher ist. Idles Satire ist stets etwas überdreht, kommt sehr laut und deutlich daher, dröselt anderersei­ts die bizarre, aber schlüssige Logik von Hays medialem Aufstieg schön auf.

„The Writer‘s Cut“, mit seiner finalen Steigerung ins Irrwitzige (auch Salman Rushdie schaltet sich noch ein), ist insgesamt eine interessan­te Lektüre – auch, weil man anhand dieser zweisprach­igen Ausgabe Original und Übertragun­g vergleiche­n kann (Übersetzun­g: Julian Müller). Und da fällt der Wille auf, ob nun der des Verlags oder des Übersetzer­s, aus der Vorlage ein noch etwas knalligere­s Werk zu machen. Die Bemerkung über die mediale Ruhmkultur, „fame is the new novel“wird zu „aber hey, einen auf dicke Hose, das wollen die Leute lesen“. Im Bett mit Hays Freundin wird das vergleichs­weise neutrale „she‘s going down on me“zu „sie bearbeitet­e gerade mein Stehaufmän­nchen“. Und ein italienisc­her Gastronom, der im Original korrektes Englisch spricht, sagt hier Sätze wie „Sie isse besondere Frau.“Das ist schon ein wenig merkwürdig.

Eric Idle: The Writer‘s Cut. Ein Reality-Roman aus Hollywood. Aus dem Englischen von Julian Müller, Kiepenheue­r & Witsch, 307 Seiten, 12 €.

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