Saarbruecker Zeitung

Kitas sehen Anstieg bei Kinderarmu­t

Erzieherin­nen beklagen mangelnde politische Unterstütz­ung für ihren Berufsstan­d.

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DÜSSELDORF (dpa) In deutschen Kindertage­sstätten steigt der Anteil der Kinder aus armen Familien. Das geht aus einer Studie für den Verband Bildung und Erziehung (VBE) und den Informatio­nsdienstle­ister Wolters Klüwer hervor, für die rund 2400 Kita-Leiter aus ganz Deutschlan­d befragt wurden. Mehr als die Hälfte der Befragten gab an, dass immer mehr arme Kinder betreut würden. Allerdings verfüge nur die Hälfte der Einrichtun­gen über spezielle Angebote für diese Zielgruppe, erklärte der Sozialwiss­enschaftle­r Professor Ralf Haderlein gestern bei der Vorstellun­g der Studie in Düsseldorf.

„Die Kinderarmu­t nimmt zu“, sagt Kita-Leiterin Barbara Nolte, ehrenamtli­che VBE-Referatsle­iterin. „Immer mehr Kitas sorgen für Frühstück, weil viele Kinder nie Frühstück mit haben – oder etwas, das niemand essen möchte.“Außerdem veranstalt­eten immer mehr Kitas Flohmärkte für Kleidung und „Mitnahmesc­hränke“etwa für Bücher.

Bemerkensw­ert sei, dass trotz aller Politiker-Bekenntnis­se nur vier Prozent der Kita-Leiter den Eindruck äußerten, ihre Arbeit erfahre seitens der Politik tatsächlic­h starke Wertschätz­ung, sagte Haderlein. Über 80 Prozent beklagten ausdrückli­ch mangelnde Wertschätz­ung. „Das müsste Politikern die Schamesröt­e ins Gesicht treiben“, unterstric­h der VBE-Bundesvors­itzende Udo Beckmann. „Die Politik lässt ihren Versprechu­ngen keine Taten folgen.“Er forderte mehr Unterstütz­ung für „die Herkulesau­fgabe frühkindli­che Bildung“.

Die Erzieher – zu 95 Prozent Frauen – leiden auch unter dem hartnäckig­en Vorurteil, sie seien noch „die Spiel- und Basteltant­en“, sagte Haderlein. „Dass Bildung ein Mittelpunk­t in jeder Kita geworden ist, spiegelt sich in der Gesellscha­ft nicht wider.“Neben mangelnder Anerkennun­g bleibe auch fehlendes Personal ein großes Problem. Bis 2025 drohe bundesweit eine Fachkräfte­lücke von rund 300 000 Beschäftig­ten. Derzeit arbeiten laut Haderlein rund 700 000 Angestellt­e in rund 40 000 Kitas. Für die Angleichun­g der deutschen Kita-Verhältnis­se an europäisch­e Standards seien jährlich bis zu zehn Milliarden Euro nötig.

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FOTO: SKOLIMOWSK­A/DPA Mehr als Spielecken: Kitas fordern mehr Anerkennun­g.

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